- Turner-Tagebücher
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The Turner Diaries (dt. Die Turner-Tagebücher) ist ein rassistischer US-amerikanischer Roman, den William L. Pierce unter dem Pseudonym Andrew Macdonald schrieb und der ein weltweiter Untergrund-Verkaufserfolg wurde. Das amerikanische FBI geht davon aus, dass das Buch die Urheber des Bombenanschlags auf das Murrah Federal Building in Oklahoma City zu ihrer Tat politisch motivierte.
Inhaltsverzeichnis
Entstehungsgeschichte
Pierce wurde durch den anonym erschienenen Roman The John Franklin Letters (1959) zum Abfassen eines fiktionalen Buches angeregt, dessen Geschichte in Form von Tagebucheinträgen erzählt wird. Der Vorschlag, ein belletristisches Werk zu verfassen, stammte von Revilo P. Oliver, der Pierce 1974 in Washington traf und ihm auch kurz nach dem Gespräch die von der „John-Birch-Gesellschaft“ herausgegebenen John Franklin Letters zuschickte. Oliver ist vermutlich selber der Verfasser des Buches.[1]
Pierces Debütroman Die Turner-Tagebücher wurde 1978 unter dem Pseudonym Andrew Macdonald in mehreren Folgen der von Pierce herausgegebenen rechten US-Zeitschrift Attack! publiziert, die an Interessenten per Post verschickt wurden; in dieser ersten Fassung spielte die Handlung in den 1980er-Jahren. In späteren Auflagen wurden Änderungen vorgenommen, unter anderem wurde bereits in der zweiten Auflage die Handlung um zehn Jahre in die Zukunft verschoben.
Inhalt
Ein auf das Jahr 2099 datierter Prolog nimmt auf eine ein Jahrhundert zurückliegende Revolution Bezug – das Tagebuch erzählt also von den 1990er-Jahren –, in der der Großteil der Weltbevölkerung nichteuropäischer Abstammung getötet wurde. Seither hat eine „weiße“ Weltregierung die Macht in Händen. Der von Pierce so bezeichnete "Rassenkrieg", der zur Vernichtung der Einwohner der afrikanischen und asiatischen Kontinente führte, fand in den Vereinigten Staaten von Amerika seinen Anfang und breitete sich dann über die ganze Welt aus. Kürzlich wurden, referiert der fiktive Erzähler des Prologes weiter, die Tagebücher eines Earl Turner gefunden, eines rassistischen Aktivisten, der maßgeblichen Anteil an der Revolution hatte.
Die fiktive Tagebucherzählung Earl Turners beginnt mit einer auf jüdische Einbringung (impliziert durch den Nachnamen des für das Gesetz zuständigen Senators, "Cohen") durchgeführten Waffenkonfiskation durch den Staat („das System“ genannt). Turner und seine Kameraden, die Mitglieder einer Vereinigung sind, die „die Organisation“ genannt wird, gehen in den Untergrund, um gegen „das System“ zu kämpfen, das als jüdisch kontrolliert geschildert wird. Im Zuge dieses Kampfes wird etwa das FBI-Hauptquartier ausgebombt, Attentate und Sabotageakte werden von „der Organisation“ verübt. Turner, der sich hierbei durch Tüchtigkeit hervortut, wird in ein geheimes inneres Kader der „Organisation“, den „Orden“, aufgenommen.
Die „Organisation“ kommt schließlich in den Besitz von Nuklearwaffen und kann ethnische Säuberungen in Südkalifornien durchführen. Mit Hilfe dieser neu eroberten Waffen kann die „Organisation“ den Krieg ausweiten und attackiert New York und Israel. Turner wird im Verlaufe der Handlung gefangengenommen, bricht unter der Folter zusammen und gibt das Geheimnis von der Existenz des „Ordens“ preis. Die antisemitische Haltung des Autors kommt in dieser Passage sehr prägnant zum Ausdruck, da der Agent, der Turner verhört und foltert (was detailliert geschildert wird), ein israelischer Jude ist.
Turner wird schließlich entlassen, und kehrt zur Organisation zurück, wo ihm jedoch gesagt wird, dass er durch seinen Verrat kein Anrecht auf eine Mitgliedschaft mehr habe und dass die Strafe für einen Verrat am "Orden" der Tod sei. Seine einzige Möglichkeit der Rehabilitation ist, wie und der letzte Tagebucheintrag impliziert, ein Selbstmordattentat. Dieses wird von Turner durchgeführt, indem er sein Flugzeug mit einer Atombombe bestückt und dieses in das Pentagon stürzen will. Mit dem Eintrag, der diese Vorbereitungen schildert, schließen die Tagebücher. Der Tod des Protagonisten bleibt unausgesprochen, muss jedoch aus den oben angegebenen Gründen angenommen werden.
Ein kurzer Epilog erzählt, wie es der „Organisation“ im folgenden gelang, den oben erwähnten globalen Genozid an Nicht-Europäern durchzuführen.
Die Turner-Tagebücher als Literatur
In den Turner-Tagebüchern verbinden sich Charakteristika des Brief- beziehungsweise Tagebuchromans – glaubhafte Behauptung der Realität, emotionale Nähe zum Protagonisten, Authentizität des Erzählten durch hohe Welthaltigkeit – mit der Untergattung der politischen Dystopie. Mehrere der Kriterien hochwertiger Literatur können nicht glaubhaft erfüllt werden, das Werk ist zur Trivialliteratur zu rechnen. Der Erfolg des Werkes in den USA ist sicher nicht zuletzt dem Rückgriff auf Topoi des Wildwest- und des Kriegsromans geschuldet. Science-Fiction-Elemente treten, nicht zuletzt da die Handlung in der nahen Zukunft spielt, in den Hintergrund, sind aber vorhanden.
Die von Pierce geschilderte dystopische Gesellschaft ist das Produkt von gesellschaftlich-politischen Missständen, die sich nach Meinung des Autors bereits in der Gegenwart abzeichnen und von ihm zu Ende gedacht werden. Da diese weitergedachte Entwicklung nach Pierce politisch gewollt ist, wird mit den Turner-Tagebüchern der Bereich der politischen Verschwörungstheorie tangiert und bedient. Dem Protagonisten Turner bleibt als einzige Handlungsmöglichkeit die ultima ratio, das heißt die nackte Gewalt. Jedoch nicht durch dieses Handeln wird er schuldhaft, sondern durch seinen Verrat am „Orden“, wie Pierce einmal betonte. Die innere Entwicklung des Protagonisten bleibt rudimentär, findet jedoch durch äußere Einflüsse statt, womit ein negativer Aspekt des Entwicklungsromans zutage tritt. Dem – aus Sicht des Verfassers – happy ending in Bezug auf die Vernichtung der dystopischen, den „weißen Menschen“ entmenschlichenden Gesellschaft (Masse), wird der tragisch erscheinende Tod des Protagonisten (Individuum) gegenübergestellt. Das auf das Opfer Christi verweisende Selbstopfer des Protagonisten ist ein in amerikanischen Romanen und Filmen weitverbreiteter Topos: Der Protagonist erscheint christusgleich; der Roman erlangt hierdurch eine soteriologische Dimension und hat auf den (mitfühlenden, Pierces Wertungen teilenden) Leser eine kathartische Wirkung.
Rezeptions- und Wirkgeschichte
Obwohl Die Turner-Tagebücher aufgrund ihres rassistischen Inhalts weder von einem Mainstream-Verlag verlegt, noch von den großen nationalen Distribuenten ins Sortiment genommen wurde, soll sich der Roman allein in den Vereinigten Staaten über 300.000mal verkauft haben (Stand: 2001). Das Buch wird als maßgeblicher Auslöser für den Bombenanschlag auf das Murrah Federal Building in Oklahoma City angesehen, da im Wagen des der nationalistischen Michigan-Miliz angehörenden Haupttäters Auszüge aus dem Buch gefunden wurden. Die Auszüge beschreiben den Anschlag auf das FBI-Hauptquartier, der vermutlich nachgeahmt wurde.
Mittlerweile existieren Übersetzungen des Werkes in mehrere Sprachen – unter anderem ins Deutsche, Französische und Portugiesische. Welche Verbreitung Die Turner-Tagebücher weltweit haben, kann unmöglich abgeschätzt werden, da das Werk in mehreren Sprachen im Internet gratis verfügbar ist und heruntergeladen werden kann.
Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien setzte das Buch im April 2006 auf den Index.[2]
Quellen
- ↑ Robert S. Griffin. The Fame of a Dead Man's Deeds. An Up-Close Portrait of White Nationalist William Pierce. o. O.: 1st Books, 2001, S. 143 f.
- ↑ Börsenblatt für den deutschen Buchhandel, Online-Ausgabe, 18.05.2006
Literatur
- Andrew MacDonald: The Turner Diaries. A novel. Barricade Books, New York 1996, ISBN 1-56980-086-3.
- Thomas Grumke: Die „Turner-Diaries“ und das „Oklahoma City Bombing“. Rechtsextremismus in den USA. In: Neue Gesellschaft, Frankfurter Hefte. Bd. 45, Heft 7, 1998, S. 583–587.
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