Ulsaß

Ulsaß

Lothar Ulsaß (* 9. September 1940 in Hannover; † 16. Juni 1999 in Wien) war ein deutscher Fußballspieler, der in der Saison 1966/67 mit Eintracht Braunschweig die Deutsche Fußballmeisterschaft gewann.

Inhaltsverzeichnis

Laufbahn

Vereine, 1950 bis 1976

Vor der Bundesliga, bis 1964

Im Alter von 10 Jahren eröffnete der Schüler Lothar Ulsaß in der Jugendabteilung von Sportfreunde Ricklingen seine fußballerische Laufbahn. Seine herausragende Balltechnik in Verbindung mit einer ausgeprägten Abschlussqualität führten ihn nach der Saison 1959/60 - Ricklingen belegte in der Amateur-Oberliga Ost in Niedersachsen den 15. Rang - zum Vizemeister Arminia Hannover. Mit den „Blauen“ feierte er 1960/61 und 1961/62 jeweils die Meisterschaft – in 58 Spielen erzielte er 53 Tore[1] - in der Staffel West und 1962 im zweiten Anlauf den Aufstieg in die Fußball-Oberliga Nord. 1961 scheiterte er mit Arminia im Entscheidungsspiel am Bremer SV 06. Mit der Verbandsauswahl Niedersachsen zog er in der Aufstiegssaison 1961/62 im Länderpokal der Amateure nach Erfolgen gegen Schleswig-Holstein und das Saarland in das Halbfinale gegen Westfalen ein, wo die Mannschaft am 4. März 1962 in Hannover gegen den späteren Pokalsieger mit 2:5 Toren unterlag.

In dieser Runde wurde das Talent vom DFB am 20. September 1961 in die Juniorenelf U 23 und am 7. April 1962 in die Deutsche Fußballnationalmannschaft der Amateure berufen. „Hier wächst ein Sturmtalent, wie es in den letzten Jahren selten war. Ulsaß verbindet eine gute Technik (wie deckt er schon den Ball, wenn er ihn führt!) mit einem gradlinigen Zug zum Tor“, urteilte 1961 der spätere Chefredakteur Karl-Heinz Heimann[2] im „KICKER“ nach einem Testspiel der deutschen Amateure gegen Japan.“

Im letzten Jahr der Fußball-Oberliga Nord, 1962/63, belegte Ulsaß mit Arminia Hannover den zehnten Rang. In 26 Ligaeinsätzen erzielte er 23 Tore. Herausragend für die Offensivhoffnung waren die Spiele gegen die norddeutschen Spitzenmannschaften vom Hamburger SV, Werder Bremen und Eintracht Braunschweig, sowie die Lokal-Derbys gegen Hannover 96. Durch die Einführung der Fußball-Bundesliga ab dem Spieljahr 1963/64 gehörten die zwei Hannoveraner Vereine der Fußball-Regionalliga Nord an. Die Meisterschaft sicherte sich der FC St. Pauli vor Vizemeister Hannover 96 - die „Roten“ setzten sich in der Aufstiegsrunde durch und schafften den Einzug in die Bundesliga - und dem Tabellendritten Arminia Hannover. Ulsaß war der überragende Spieler bei den „Blauen“ vom Bischofsholer Damm und erzielte in 32 Regionalligaspielen 30 Tore. Er war Spielgestalter und Torjäger in einer Person. Die Bundesligaclubs aus Braunschweig und Hamburger warben um Ulsaß, er entschied sich für die Eintracht, nicht zuletzt auch nach dem Urteil von 96-Trainer Helmut Kronsbein, der ihn für „höchstens regionalligareif“ [3] befunden hatte, und wechselte zur Runde 1964/65 in die Fußball-Bundesliga.

Bundesliga, 1964 bis 1971

Unter Anleitung der Trainerpersönlichkeit Helmuth Johannsen vollzog sich die Entwicklung des Mannes aus Ricklingen auch unter den erhöhten Leistungsanforderungen der Bundesliga reibungslos und Ulsaß setzte sein Können auch in der höchsten Klasse des deutschen Fußballs eindrucksvoll um. In seiner ersten Runde, 1964/65, absolvierte er alle 30 Ligaspiele und erzielte zwölf Tore. Im zweiten Jahr, er profitierte dabei auch vom Flügelstürmer Erich Maas der mit elf Treffern Defensivpotential bei den Gegnern band, erhöhte er seine Trefferquote auf 17 Treffer. Trotz seiner Abschlussqualität war er durch seine Ballfertigkeit und Kombinationsgabe weit mehr für die spielerische Linie seiner Mannschaft prägend, wie er als Torjäger von der Vorbereitung seiner Mitspieler abhängig war. Die Mannschaft profitierte von dem herausragenden individuellen Können des Offensivspielers und er dagegen von der Geschlossenheit und dem Zusammenhalt des Teams, das auf der Grundlage einer guten körperlichen Verfassung, Disziplin und einer klaren taktischen Vorgabe Runde für Runde die Experten in Staunen versetzte. Die Krönung der Entwicklung von Eintracht Braunschweig und Lothar Ulsaß fand in der Runde 1966/67 statt, als die Johannsen-Mannschaft mit zwei Punkten Vorsprung und dem Torverhältnis von 49:27 in 34 Spielen vor 1860 München die Deutsche Meisterschaft erringen konnte. Ulsaß absolvierte 32 Spiele und erzielte 15 Tore. Niemand hatte die blau-gelbe Eintracht vor der Runde auf der Rechnung gehabt. Dies traf auch auf Braunschweig zu: „Endlich einmal nicht zittern“, hatte Eintracht Stürmerstar Lothar Ulsaß vor Saisonbeginn als Ziel zu Protokoll gegeben. [4] Rückblickend äußerte sich Braunschweigs Meistertrainer Johannsen über seinen Regisseur[5]:

Lothar Ulsaß war unser Strahlemann, der positiven Einfluß auf die gesamte Mannschaft ausübte und jederzeit zu einem Spaß aufgelegt war. Auch außerhalb des Spielfeldes stellte er eine Persönlichkeit dar, die von jedermann geachtet wurde

Als der BTSV 1967/68 im Europapokal der Meister seinen internationalen Auftritt hatte, schlug sich Ulsaß mit muskulären Problemen herum und konnte in der Liga nur 19 Spiele absolvieren in denen er zehn Tore erzielte. Nach dem Durchsetzen gegen Rapid Wien trafen Ulsaß und seine Mannschaftskollegen im Viertelfinale auf den italienischen Meister Juventus Turin. Ausgerechnet beim fälligen Wiederholungsspiel am 20. März 1968 in Bern verhinderte ein Muskelfaseranriß im Oberschenkel die Mitwirkung des besten Eintracht-Angreifers.

In den letzten zwei Runden von Trainer Johannsen bei der Eintracht, 1968 bis 1970, glänzte er nicht mehr in erster Linie als Torschütze, sondern er zog sich in das Mittelfeld zurück und versuchte aus der Tiefe des Raumes das Spiel zu lenken. Unter dem Johannsen-Nachfolger Otto Knefler ging Ulsaß dagegen wieder auf Torejagd und stellte in seiner siebten Bundesligarunde 1970/71 mit 18 Treffern seinen persönlichen Torrekord auf und zeigte sich mit 30 Jahren auf der Höhe seiner Torjägerkunst. Jaro Deppe mit elf und Dietmar Erler mit sieben Treffern folgten vereinsintern auf den Torschützenrängen zwei und drei.

Durch die Aufdeckung des Bundesliga-Skandals der um den Abstiegskampf in der Saison 1970/71 entstanden war und in den Braunschweig durch das Spiel am 5. Juni 1971 gegen Oberhausen am Rande verwickelt war, war die Bundesligakarriere von Lothar Ulsaß vorzeitig beendet. Da dem BTSV von „dritter Seite eine zusätzliche Siegprämie versprochen und teilweise auch ausbezahlt wurde“, erging durch das DFB-Sportgericht gegen den Eintracht-Verhandlungsführer zur Erlangung der zusätzlichen Siegprämie eine Sperre vom 7. August 1971 bis 1. Januar 1973, die später in eine Freigabe fürs Ausland ab dem 16. August 1972 mit 2.200 DM Geldbuße umgewandelt wurde. Bitter bemerkt dazu[6]:

Eigentlich war er in der ganzen Affäre ein ziemlich kleiner Fisch, doch der DFB legte ihn dennoch auf Eis. Worauf Lothar Ulsaß auch seinen Job als Prokurist einer Elektrofirma verlor. Er wandte dem deutschen Fußball verbittert den Rücken und wechselte zum Wiener SK, wo er noch einige Zeit spielte.

Insgesamt absolvierte Lothar Ulsaß von 1964 bis 1971 in der Fußball-Bundesliga für Einracht Braunschweig 201 Spiele und erzielte dabei 84 Tore. Damit ist er bis heute (2009) erfolgreichster Bundesligatorschütze der Braunschweiger. Er gilt als bekanntester Spieler der Meistermannschaft und war Publikumsliebling der damaligen Eintracht-Anhänger. Im Spielerlexikon[7] ist über ihn notiert:

Nachdem der zumeist auf der rechten Halbstürmerposition Verwendung findende Angreifer in Ricklingen auf sich aufmerksam gemacht hatte, begann er bei Arminia Hannover mit seiner begeisternden Mischung aus Ballästhetik und geradliniger Offensivkraft für Furore zu sorgen und sollte schließlich im Dress von Eintracht Braunschweig zu einem der großen Bundesligastars der 1960er Jahre avancieren.

Nationalmannschaft, 1965 bis 1969

Bundestrainer Helmut Schön wechselte beim Testspiel der Fußball-Nationalmannschaft am 6. Oktober 1964 in Düsseldorf gegen die englische Profimannschaft Sheffield Wednesday erstmals die neue Braunschweiger Offensivhoffnung im Kreis der Besten ein. Danach gehörte Ulsaß in seiner ersten Bundesligarunde auch dem Aufgebot für das WM-Qualifikationsspiel am 4. November in Berlin gegen Schweden an. Am 10. März 1965 testete ihn der Bundestrainer im B-Länderspiel in Hannover gegen Holland. Der deutsche Angriff spielte beim 1:1 Remis in der Besetzung mit Rudolf Nafziger, Ulsaß, Walter Rodekamp, Günter Netzer und Gerhard Zebrowski. Heinz Strehl und Franz Beckenbauer wurden im Spielverlauf für Ulsaß und Netzer eingewechselt. Sechs Wochen später, am 24. April 1965, debütierte Ulsaß beim Länderspiel in Karlsruhe gegen Zypern in der A-Nationalelf. Bei seinem zweiten Länderspieleinsatz am 9. Oktober 1965 in Stuttgart gegen Österreich war er beim 4:1 Erfolg der spielentscheidende Akteur. Er setzte dem Austria-Torhüter Gernot Fraydl in der zweiten Halbzeit drei Treffer in das Netz und verursachte in der 33. Spielminute durch ein Dribbling den Elfmeter, der durch Sieloff zum 1:1 Zwischenstand verwandelt wurde. Trotzdem kam der Braunschweiger in den nächsten fünf Länderspielen in der Weltmeisterschaftssaison 1965/66 gegen Zypern, England, Holland, Irland und Nordirland nicht mehr zum Zuge. Der Bundestrainer brachte die Dortmunder Neulinge Lothar Emmerich und Siegfried Held zum Einsatz und reaktivierte Albert Brülls vom AC Brescia, der seit den Tagen der Weltmeisterschaft 1962 in Chile nicht mehr das Nationaltrikot getragen hatte. Ulsaß gehörte der Ende Mai 1966 vom DFB der FIFA gemeldeten 40er-Liste an und bestritt am 1. Juni in Ludwigshafen gegen Rumänien – am 28. Mai wurde die Bundesligarunde 1965/66 mit dem 34. Spieltag beendet und der Mann aus Ricklingen hatte 17 Treffer der insgesamt 49 Braunschweiger Tore erzielt - sein drittes Länderspiel. Mit der Angriffsbesetzung Grabowski, Ulsaß, Seeler, Overath und Hornig reichte es zu einem 1:0 Erfolg, überzeugen konnte die Mannschaft aber nicht. Im 22er-Kader für die Weltmeisterschaft in England gehörten mit Beckenbauer, Haller, Overath, Brülls, Held, Emmerich, Krämer, Hornig, Seeler und Grabowski zehn Spieler der Offensive an, deswegen verzichtete der Bundestrainer auf Peter Grosser und Lothar Ulsaß sowie auf den Mittelfeldroutinier Horst Szymaniak. Vom 19. November 1966 bis 26. März 1969 absolvierte Ulsaß noch sieben weitere Länderspiele und schoss dabei fünf Tore. Mit dem 1:1 Remis am 26. März 1969 in Frankfurt gegen Wales endete seine internationale Karriere mit insgesamt zehn Einsätzen und acht Toren in der Länderelf.

Neben dem Platz

Der gelernte Großhandelskaufmann arbeitete lange Jahre in seiner neuen Heimat Wien als Generalvertreter einer Sportartikelfirma und verstarb dort 1999 an einem Schlaganfall.

Literatur

  • Lorenz Knieriem/Hardy Grüne, Spielerlexikon 1890-1963, Agon-Verlag, 2006, ISBN 3-89784-148-7
  • Hardy Grüne, Enzyklopädie des deutschen Ligafußballs, Bundesliga & Co, 1963 bis 1997, Agon-Verlag, 1997, ISBN 3-89609-113-1
  • Jürgen Bitter, Deutschlands Fußball-Nationalspieler, Das Lexikon, Sportverlag Berlin, 1997, ISBN 3-328-00749-0

Einzelnachweise

  1. Hardy Grüne, Enzyklopädie des deutschen Ligafußballs-Band 2, Bundesliga & Co, Seite 33
  2. Jürgen Bitter, Deutschlands Fußball Nationalspieler, Das Lexikon, Seite 506
  3. Hardy Grüne, Bundesliga & Co, Seite 33
  4. Hardy Grüne, Bundesliga & Co, Seite 30
  5. Hardy Grüne, Bundesliga & Co, Seite 33
  6. Jürgen Bitter, Deutschlands Fußball Nationalspieler, Das Lexikon, Seite 507
  7. Knieriem/Grüne, Spielerlexikon 1890-1963, Seite 398

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