Untere Pfarrei St. Sebastian

Untere Pfarrei St. Sebastian
Altes Rathaus und St. Sebastian

Die Untere Pfarrei St. Sebastian ist eine der drei Kirchen der Innenstadtpfarrei St. Sebastian und älteste katholische Pfarrkirche von Mannheim.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Heilige Sebastian war bereits der Pfarrpatron einer Kirche im mittelalterlichen Dorf Mannheim, die 1309 erstmals erwähnt wurde, aber sicher schon viel früher bestand. Sie soll an der Stelle der heutigen Kirche gestanden haben. Es sind allerdings weder Dokumente noch bauliche Reste aus der Zeit vor der Umgestaltung von Mannheim zur Festung, Stadt und schließlich zum Regierungssitz der Kurpfalz erhalten.

Da die Festung Mannheim als Bollwerk zum Schutz der protestantischen Kurpfalz errichtet worden war, wurde es erst nach vielen Auseinandersetzungen mit Reformierten und Lutheranern möglich, dass die Katholiken ihren Glauben öffentlich ausüben konnten. 1703 wurde auf Anordnung von Kurfürst Johann Wilhelm gegen den Widerstand der Stadt der Grundstein für den Bau von Rathaus und Kirche gelegt. Die Stadtverwaltung hätte im rechten Flügel lieber ein Waaghaus mit Festsaal und Repräsentationsräumen im Obergeschoss gebaut. Am 12. Dezember 1709 soll das Gotteshaus geweiht worden sein – doch wurde noch bis 1723 daran gebaut. Aus Tradition hatte man den Dorfpatron als Heiligen für die Stadtkirche übernommen – auch wenn die Kirche ursprünglich unter dem besonderen Schutz der Mutter Gottes stehen sollte.

Kirchenportal

Die Kirche bildet zusammen mit dem Alten Rathaus den dominanten Südrand des Marktplatzes. Die Pläne fertigte der Vorarlberger Baumeister Johann Jakob Rüscher (oder Rischer 1662 - 1755), die aber wieder durch die Intervention des Kurfürsten geändert wurden. Er befahl eine Erhöhung aller Gebäudeteile um 10 Fuß, rundbogige Fenster für die Kirche und den Verzicht auf eine Kuppel über der Kirche. Stattdessen erhielten Rathaus und Kirche jeweils ein hohes Walmdach. Erst dadurch folgt das Ensemble dem Mannheimer Bauschema öffentlicher Gebäude mit fast symmetrischen Bauteilen und dem Kirchturm in der Mittel. Die Verbindung der weltlichen Ordnungsmacht mit der Religion wird durch die Inschrift in großen Lettern verdeutlicht, die sich über die Portale der drei Gebäudeteile hinzieht: „Iustitiae et Pietati“ (Gerechtigkeit und Frömmigkeit). Die Fassaden werden durch korrespondierende Frauenfiguren gekrönt, die die beiden Tugenden symbolisieren. Der Glockenturm mündet in einen mehrfach gestuften Helm. Die Symmetrie wird verstärkt durch die Portale zu beiden Gebäuden. Das Portal des Rathauses ist allerdings mit Atlanten, das der Kirche mit Engeln geschmückt. Der Balkon über dem Portal ist an der Kirche nur Zierde und kann nicht betreten werden. Die beiden Krämerläden links und rechts des Hauptportals wurden 1737 angefügt. Bereits 1742 musste die Kirche unter Leitung von Alessandro Galli da Bibiena renoviert werden. Bei einem Bombenangriff im April 1943 wurden das Dach und die Marktplatzfassade beschädigt.

Für die wachsende Katholikenzahl war das Gotteshaus am Marktplatz bald zu klein. So verlor St. Sebastian 1804 den Titel der Stadtpfarrkirche an die Jesuitenkirche. Erst im Dezember 1824 wurde wieder eine eigene Pfarrei errichtet. Seither bürgerten sich die Bezeichnungen Obere (Jesuitenkirche) und Untere Pfarrei (St. Sebastian) ein. Durch die Bevölkerungsexplosion Ende des 19. Jahrhunderts wurden weitere Kirchen neu gebaut und weitere Pfarreien neu gegründet und von den beiden Ur-Pfarreien abgetrennt. Durch die Abwanderung der Bevölkerung aus den Innenstädten und die schwindende Zahl von Gläubigen wurde gegen Ende des vorigen Jahrhunderts eine gegenläufige Entwicklung eingeleitet. Deshalb wurden die drei Innenstadtpfarreien der Oberen und Unteren Pfarrei sowie der Liebfrauenkirche mit dem 1. September 2005 zu einer gemeinsamen Pfarrei und Seelsorgeeinheit zusammengefasst. Sie trägt den Namen des heiligen Sebastian und pflegt damit die ursprüngliche Tradition.

Ausstattung

Die Kirche erhebt sich auf quadratischem Grundriss (33 x 33 m). Der Innenraum wird durch kräftige Säulen mit korinthischen Kapitelen in Seiten- und Mittelschiff gegliedert.

Der frühere Hochaltar durch Paul Egell wurde im 19. Jahrhundert an das Kustgewerbemuseum Berlin verkauft. Reste des Hochaltars, der Alterraum-Absperrung und 4 Figuren sind heute im Bode-Museum ausgestellt. Der heutige Figurenschmuck aus den 50er Jahren füllt die Lücke nur unzureichend. Das Relief an der Chorwand über dem Hauptaltar von Carl Baur (1881 - 1968) zeigt eine Marienkrönung. Die vier Heiligenfiguren darunter kamen 1956 hinzu.

Die Seitenaltäre stammen noch aus dem 18. Jahrhundert. Der linke Seitenaltar, der dem heiligen Theodor geweiht ist, stammt von Peter Anton von Verschaffelt. 1778 hatte Kurfürst Karl Theodor die Reliquien seines Namenspatrons in Rom erworben und den Altar gestiftet. Auf dem Altar wurde Verschaffelts beeindruckende Madonna mit Kind im Stil des Klassizismus angebracht. Sie wurde nach dem Vorbild einer Madonna von Michelangelo geschaffen, die sich in der Liebfrauenkirche in Brügge befindet. Auf dem rechten Seitenaltar im Rokokostil steht eine Statue des heiligen Sebastian. Das Altarblatt zeigt eine Darstellung des Abendmahls. Die Kanzel wurde 1742 ebenfalls nach einem Entwurf von Alessandro Galli da Bibiena geschaffen. Das Relief am Kanzelkorb zeigt die Anbetung des Lamms nach der Offenbarung des Johannes.

Die Grabmäler unter der Orgelempore im klassizistischen Stil stammen von Franz Conrad Linck (1730 - 1793).

Glocken

Im mächtigen Turm hängt zwar ein verhältnismäßig kleines Geläut, jedoch ist es ein vollständig erhaltenes vierstimmiges Barockgeläut aus dem 18. Jahrhundert. Die große Glocke ist wohl um einen Halbton zu hoch geraten; in der Barockzeit waren viele Geläute auf Dreiklängen aufgebaut (hier sollte es vermutlich ein e1–g1–h1–d2 werden). Im Jahre 1956 goss Friedrich Wilhelm Schilling ein 23-stimmiges Glockenspiel (Tonumfang d2–d4), dass in der Turmlaterne untergebracht ist und täglich um 07:45, 11:45 und 17:45 Uhr spielt.

Nr. Gussjahr Gießer, Gussort Durch-
messer
(mm)
Nominal
Schlagton
1 1761 Johann Michael Steiger, Mannheim 1210 f1
2 1720 Heinrich Ludwig Gosman, Landau 1010 g1
3 1709 Johann Adam Roth, Mainz 820 h1
4 1747 Johann Michael Steiger, Mannheim 650 d2

Die Pfarrgemeinde

Der Todestag des Kirchen- und Gemeindepatrons St. Sebastian am 20. Januar ist in der katholischen Kirche bis heute ein Gedenktag – und Namenstag für alle, die diesen Vornamen tragen. In Mannheim hat man in früheren Zeiten an diesem Tag das Sebastianusfest gefeiert. Diese Tradition wird seit dem Jubiläumsjahr 2007 – dem 400. Geburtstag der Stadt – wieder belebt.

Zum Stadtjubiläum wurde auch die Citypastoral ausgebaut. Herzstück dieses neuen pastoralen Impulses ist neben der St. Sebastianskirche das Haus der Kirche in F 2, 6. Es beherbergt nun die City- und Passantenseelsorge, ein Informationszentrum der katholischen Kirche in Mannheim, die Familienbildungsstätte, das Pfarrbüro der Seelsorgeeinheit City, die Beratungseinrichtung "Offene Tür" und das Büro des Mannheimer Evangelisierungsteams MET. Das Haus wurde am 27. April 2007 durch Erzbischof Robert Zollitsch geweiht und ist seit dem 30. April geöffnet. Das Ziel der Citypastoral ist es, kirchenferne Menschen wieder in das Zentrum des Glaubens zu führen und Ungetaufte für das Christentum zu interessieren.

Literatur

Untere Pfarrkirche St. Sebastian Mannheim. Schnell Kunstführer Nr. 1079. 2. neu bearbeitete Auflage 2005. Verlag Schnell & Steiner GmbH, Regensburg. ISBN 3-7954-4805-0.

Weblinks

49.4891666666678.46694444444447Koordinaten: 49° 29′ 21″ N, 8° 28′ 1″ O


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