Ural-Werk

Ural-Werk
Ural Cross Tourist, Baujahr 2010

Die Geschichte der russischen Ural-Werke in Irbit (russisch Ирбитский мотоциклетный завод,Irbitski Motozikletny Savod „Ural“, IMZ Ural) mit ihrer Motorradproduktion geht bis ins Jahr 1939 zurück.

Inhaltsverzeichnis

Firmengeschichte

Bei gemeinsamen Manövern mit der deutschen Wehrmacht zu Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde die Rote Armee auf die deutschen BMW-R-71-Motorradgespanne aufmerksam, welche mit einem Maschinengewehr und dem Behördenbeiwagen TR500 ausgerüstet waren und sich aufgrund ihrer Schnelligkeit und Wendigkeit sehr bewährten. Da das deutsche Gespann mit 750 cm³ und Seitenventilermotor am ehesten den sowjetischen Vorgaben entsprach, kaufte die Militärführung über Schweden fünf R 71, deren Konstruktion analysiert wurde, woraus dann bis 1941 der Motorradtyp M-72 entwickelt wurde.

Ab 1941 lief die Produktion der Seitenwagenmotorräder der Sowjets auf Hochtouren. Da zu der Zeit bereits die Wehrmacht näher rückte, wurden die Fabriken weiter nach Osten nach Irbit ins Ural-Gebirge verlagert. Dies führte schließlich zum Namen "Ural" für das Gespann. In der Stadt Irbit wurden während des Krieges weitere 10.000 Maschinen gefertigt, bis 1950 waren sogar insgesamt 30.000 Motorräder hergestellt worden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg baute man die Maschinen weiterhin hauptsächlich für das Militär und sonstige staatliche Behörden. Im Jahr 1953 entschied man sich, mit steigendem Bekanntheitsgrad die Ural-Motorräder auch zu exportieren. Ab den 1960er Jahren stiegen die Ural-Werke in die Produktion rein ziviler Motorräder ein. Die Fertigung von Fahrzeugen für das Militär wurde eingestellt. Mittlerweile wurde nicht mehr der alte und unverwüstliche Seitenventiler-Motor mit 750 cm³ gebaut, sondern schon eine Eigenentwicklung mit 650 cm³ und OHV-Zylinderkopf mit Ventilbetätigung über Stößelstangen durch eine im Motorgehäuse verbaute Nockenwelle.

1998 kam es zur Privatisierung des Unternehmens, was sich sehr positiv auswirkte. Die Fertigungsqualität stieg rapide und es kam vermehrt zur Entwicklung neuer Modelle. So wurden bis heute in Irbit mehr als drei Millionen Motorräder und Gespanne gebaut.

Technische Entwicklung des Ural-Motorradbaus

1930–1950

Das sowjetische Militär hatte schon vor dem Krieg BMW-Boxer-Motorräder gekauft, analysiert, mit Harley-Davidson verglichen und dann den BMW-Boxer aufgrund der besseren Kühlungseigenschaften als nachzubauendes Fahrzeug ausgewählt. Produktionsstandort wurde das sichere Uralgebiet. Zwar besetzte 1945 die Rote Armee Eisenach in Thüringen, die Produktionsstätte der BMW R 35-Motorräder (Einzylinder) und BMW-Autos. Die Konstruktionspläne für die nur 1938–1941 in München hergestellten R-71-Kräder waren jedoch schon vor 1941 infolge des Hitler-Stalin-Paktes in sowjetischen Händen und führten dort seit 1941 zum weitgehend identischen Nachbau M 72.

1950–1980

Nach dem Krieg wurden diese Zweizylinder-Boxer-Modelle unter den Handelsnamen Ural und Dnjepr weitergebaut. Die Konstruktion wurde dabei weiterentwickelt u.a. im Bereich des Zylinderkopfes, des Rahmens und der Vordergabel, so dass von der ursprünglichen R 71 lediglich die Grundkonzeption erhalten blieb. Insbesondere die Ausstattung späterer Modelle mit auf der R 75 basierenden OHV-Motoren führte zu einer Abkehr vom ursprünglichen R-71-Konzept und verdeutlichte die Eigenständigkeit diese Nachfolgemodelle.

Aus der Sowjetunion wanderte die M 72 auf dem Wege der sozialistischen Bruderhilfe nach China, wo sie unter dem Namen "Changjiang 750 M1" seit 1957 (anfänglich unter Verwendung importierter M72-Teile) in Nanchang nachgebaut wurde. Während in der Sowjetunion die Ural- und Dnjepr-Modelle einem kontinuierlichen Wandel unterlagen, der alle Teile des Krades erfasste, blieb es in China bei einigen wenigen Änderungen.

Chang Jiang M1M

1980er Jahre

Erst Anfang der 1980er Jahre wurde parallel zum 22-PS-SV-Motor ein 32PS OHV-Motor mit Rückwärtsganggetriebe eingeführt (Changjiang 750 M1S), und erst 1985 die R 71-getreue 6V-Elektrik der Seitenventiler entsprechend den OHV-Maschinen auf 12V umgestellt und auch der SV-Motor bei minimaler Leistungsverbesserung auf 24 PS mit einem Rückwärtsgang ausgestattet (Changjiang 750 M1M). Der Rahmen dagegen blieb praktisch unverändert, sodass eine Changjiang 750 M1M noch heute optisch weitgehend mit der BMW R 71 übereinstimmt.

Aktuelle Modelle

Ab Modelljahr 2008 werden die Modelle Ranger (Gear-Up), Sportsman (Patrol), Tourist und Retro gebaut. Bei diesen vier handelt es sich um Gespanne. Die Solo Modelle umfassen Wolf, Ural Solo und Retro Solo. Sämtliche Modelle verwenden den gleichen luftgekühlten Zweizylinder-Viertakt-Boxermotor mit 745 cm³ Hubraum. Die Nennleistung beträgt dabei 29 kW. Seit 2007 werden statt den russischen Vergasern japanische Keihin L22AA 32 mm Vergaser verwendet. Ebenfalls seit 2007 wird das Vorderrad mit einer Brembo-Scheibenbremsanlage gebremst anstatt wie bisher mit einer Trommelbremsanlage. Das Getriebe umfasst vier Vorwärtsgänge und einen Rückwärtsgang, der im Leerlauf über eine extra Getriebewelle geschaltet wird. Der Endantrieb erfolgt über Kardan. Bei den Modellen Ranger und Sportsman lässt sich der Beiwagenradantrieb zuschalten. Allerdings erfolgt die Übersetzung 1:1 ohne Differential. Somit sollte er nur für Fahrten im Gelände benutzt werden, wo man mit dem normalen Hinterradantrieb nicht mehr weiterkommt.

Ab dem Jahr 2008 soll jedes Jahr ein limitiertes Sondermodell auf den Markt kommen. Im Jahr 2009 war dies die Ural „Roter Oktober“, welche an die Oktoberrevolution und den Film „Jagd auf roten Oktober“ erinnern sollte. Das aktuell präsentierte Modell entstand auf der Grundlage der „Tourist“-Version ohne Beiwagenantrieb und dem Beiwagenfahrgestell des „Retro“-Modells. Daraus sollen eine bessere Straßenlage und höhere Kurvengeschwindigkeiten resultieren. Ausgestattet ist die Ural „Roter Oktober“ mit einem Rückwärtsganghebel am Tank, runden Lichtern am Beiwagen, Gepäckträger an Motorrad und Beiwagen, sowie einem Erste-Hilfe-Kasten. Alle Blechteile sind in Grenadierrot lackiert, alle Rahmen- und Motorenteile in Mattschwarz.

Literatur

  • Tom van Endert: Mit Hammer und Schlüssel oder über Sinn und Unsinn ein russisches Motorrad zu fahren. Monsenstein und Vannerdat, Münster 2003, ISBN 3-936600-45-7

Weblinks

 Commons: IMZ-Ural motorcycles – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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