- Urnerloch
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Die Schöllenenschlucht liegt im schweizerischen Kanton Uri zwischen den Gemeinden Göschenen im Norden und Andermatt im Süden. Durch die Schlucht fliesst die Reuss. Über den Fluss führt die bekannte Teufelsbrücke. Auf weitere Brücken mit diesem Namen wird unter weitere Teufelsbrücken verwiesen.
Die wilde Schöllenenschlucht war seit alters her ein nur schwer zu überwindendes Hindernis auf der Route über den Gotthardpass, die den Kanton Uri mit dem Kanton Tessin verbindet. Vermutlich waren es die Menschen im nur über den Bätzberg zu erreichenden, vom Rest des Kantons fast abgetrennten Urserentals, welche die Schlucht begehbar machten.
Inhaltsverzeichnis
Name
Früher bestand vom Bätzberg hinunter in die Schöllenen ein in den Fels gehauener Stufenweg. Die Einmündungsstelle in die Schlucht heisst Steiglen, was mit dem lateinischen Wort scalineae (= Treppe) übereinstimmt. Da sich vom Wort scalineae der Name Schöllenen ableitet, ist anzunehmen, dass bereits die Römer den Bätzbergweg gekannt und benutzt haben.
Geschichte
Twärrenbrücke
Bevor die erste Brücke über die Reuss gebaut werden konnte, musste zuerst die Schöllenen erschlossen werden. Da der harte, fast senkrecht zur Reuss abfallende Fels den Bau eines festen Weges verunmöglichte, kam, gemäss der Überlieferung, um 1220 ein Schmied aus Göschenen oder Andermatt auf die Idee, an der Felswand entlang des Chilchbergs Ketten zu befestigen, an denen aus dem Fels ragende Tragebalken hingen. Über diese Querbalken wurden Bretter gelegt, welche die eigentliche Brücke bildeten. Eine andere Theorie über die Bauweise des Steges besagt, dass in ausgeschlagenen Nischen lagernde Querbalken von Fels zu Fels gespannt waren, auf denen die eigentlichen Bretter des Steges lagen.
Es ist denkbar, dass die Walser bei der Errichtung des Weges durch die Schöllenen eine wichtige Rolle spielten. Man nimmt an, dass sie über grosse technische Fähigkeiten verfügten, die sie beim Bau von Wasserleitungen (Suonen) in unwegsamem Gelände und von Wegen und Brücken in den steilen Walliser Tälern erworben hatten.
Über das genaue Datum des Baus besteht keine Einigkeit. Die erste überlieferte Beschreibung einer Reise über den Gotthard datiert aus dem Jahr 1234.
Die 60 Meter lange Twärrenbrücke bestand bis zum Jahr 1707. Der Name Twärrenbrücke stammt von den quer liegenden Hölzern, über die der Weg führte. Oftmals wird die Twärrenbrücke irrtümlich als ‚stiebender Steg’ bezeichnet. Der stiebende Steg jedoch ist eine andere Bezeichnung für die erste Teufelsbrücke.
Die erste Teufelsbrücke
Die erste hölzerne Brücke über die Reuss wurde 1230 errichtet. 1595 wurde sie durch eine massive Steinbrücke ersetzt, die jedoch am 2. August 1888 von der Reuss in einer stürmischen Nacht zerstört wurde. Auf der linken Flussseite sind ihre Fundamente noch sichtbar.
Der erste Tunnel: das Urnerloch
Da Brücke und Steg jedoch immer wieder durch die Reuss beschädigt wurden - 1707 riss eine grosse Überschwemmung die Twärrrenbrücke weg – wurde nach einer anderen Möglichkeit gesucht, den Verkehr durch die Schlucht zu leiten. Noch ist eine Urkunde erhalten, in welcher es heisst: Nachdem durch ein yberschwänchlich waszerflusz die brig, so von holz war, hinweg genommen, so ist mit Einsatz unsern gnäd. Herren von Ury Erachtet worden, durch den gählingen bärg zuo brächen, damit fürderhin die groszennkösten gedachter Holzinen Erspahrt werde.
Am 20. September 1707 erhielt der aus Cerentino in der Valle Maggia stammende Festungsbaumeister Pietro Morettini, ein Schüler des französischen Festungsbaumeisters und Architekten Vauban, den Auftrag, eine neuwe Strass durch den lebendigen Felssen zu bauen. Mit dem Werk sei innerhalb von zwei Wochen zu beginnen und bis zur Vollendung durchzuführen, damit man spätestens im Frühling 1709 ungehindert und frei passieren könne. Den Vertrag unterzeichneten Morettini und im Namen des Thals Urssern Johannes Russi, der 1700 - 1702 Talammann im Urserental war.
Zur allgemeinen Verwunderung beendete man den 64 Meter langen Tunnel, den ersten Tunnel einer Alpenstrasse, schon nach elf Monaten, um den 15. August 1708. Der Ingenieur hatte groß Verdruss gehabt, den das Wärchkt ist schwär gewässen Die Kosten fielen höher aus als berechnet, nicht durch die Schuld Morettis ohne seine Müehe undt Versaumbnuss. Gemäss Vertrag wären es 1680 französische Taler gewesen, tatsächlich kostete der Bau 3080. Damit Morettini keinen Schaden davontrug, sicherten ihm die Urner 1400 französische Taler als Trichkgelt zu. Urseren bezahlte, durfte dafür die Zölle erhöhen, bis die Auslagen gedeckt waren.
Koalitionskrieg
Während des Zweiten Koalitionskriegs fanden in der Umgebung der Schöllenenschlucht am 25. September 1799 Kampfhandlungen zwischen napoleonischen Truppen unter Claude-Jacques Lecourbe (1758-1815) und von General Suworow befehligten russischen Truppen statt. Die erste Teufelsbrücke wurde dabei schwer beschädigt und unpassierbar. Erst über dreissig Jahre später wurde mit der zweiten Teufelsbrücke Ersatz geschaffen.
In der Nähe der Teufelsbrücke steht das 1899 errichtete Suworow-Denkmal, das an die Schlacht erinnert.
Zweite Teufelsbrücke
Nach dem Ende des Zweiten Koalitionskrieges 1815 herrschte im Kanton Uri wirtschaftliche Not. Brücke und Passweg konnten aufgrund fehlender Mittel vorerst nicht wieder begehbar gemacht werden und der Verkehr nach Süden wurde zunehmend über den Splügenpass abgewickelt. Erst 1820 konnte der Auftrag für die Errichtung der zweiten Teufelsbrücke erteilt werden, die nach zehnjähriger Bauzeit fertig gestellt wurde und auch heute noch besteht.
Dritte Teufelsbrücke
Die zweite Teufelsbrücke war Mitte des 20. Jahrhunderts den Anforderungen des modernen Verkehrs nicht mehr gewachsen. 1958 wurde daher in unmittelbarer Nähe der zweiten Brücke die dritte Teufelsbrücke errichtet, die mit zwei Spuren den zunehmenden Verkehr besser aufnehmen konnte. Über der Brücke prangt an der Felswand ein markantes Teufelsbild des Urner Malers Heinrich Danioth.
Sage zur Teufelsbrücke
Einer Sage zufolge wurde die erste Teufelsbrücke vom Teufel errichtet. Die Urner scheiterten immer wieder an der Errichtung einer Brücke. Schliesslich rief ein Landammann ganz verzweifelt aus: "Do sell der Tyfel e Brigg bue!" (Da soll der Teufel eine Brücke bauen!). Kaum ausgesprochen, stand dieser schon vor der Urner Bevölkerung und schlug ihnen einen Pakt vor. Er würde die Brücke bauen und als Gegenleistung bekomme er die Seele desjenigen, der als erster die Brücke überquere. Nachdem der Teufel die Brücke gebaut hatte, schickten die schlauen Urner einen Geissbock über die Brücke. Der Teufel war über diesen Trick sehr erzürnt und holte einen haushohen Stein, mit dem er die Brücke zerschlagen wollte. Es begegnete ihm aber eine fromme Frau, die ein Kreuz auf den Stein ritzte. Den Teufel verwirrte das Zeichen Gottes so sehr, dass er beim Werfen des Steines die Brücke verfehlte. Der Stein fiel die gesamte Schöllenenschlucht hinab und wird seit daher "Teufelsstein" genannt.
1977 wurde der 220 Tonnen schwere Teufelsstein mit einem Budget von 300 000 Franken um 127 Meter verschoben, um der Gotthardautobahn Platz zu machen. Die Verschiebung des Teufelssteins wird in einer modernen Erweiterung der Volkssage für die unerklärliche Häufung von Verkehrsunfällen auf dem Kilometer 17 des Gotthard-Strassentunnels verantwortlich gemacht.
Galerie
Die erste Teufelsbrücke um 1804, Bild von William Turner
Die alte Teufelsbrücke um 1824 von Peter Birmann
Literatur
- Lüönd: Unser Gotthard, Ringier, Zürich 1980
- Nething: Der Gotthard, Ott Verlag, Thun
- Meyer: 1291, Silva-Verlag, Zürich 1990
- Artur Wyss-Niederer: Sankt Gotthard, Via Helvetica, Edition Ovaphil, Lausanne 1979
- Gisler-Pfrunder Ruedi: Die Teufelsbrücke am St.Gotthard, Altdorf 2005
Weitere Teufelsbrücken
- Im brandenburgischen Eberswalde
- In Schönbuch in Baden-Württemberg am Zusammenfluss von großem und kleinem Goldersbach
- In Ebene Reichenau im österreichischen Kärnten mit weitgehend identischer Sage
- In Egg bei Einsiedeln, am Fuss des Etzelpasses, führt eine Teufelsbrücke über die Sihl
- In Leuk im Kanton Wallis
- In Inzigkofen bei Sigmaringen
- In Görlitz Niederschlesien auf der Eichendorff-Straße
- In Flensburg an der Bismarckstraße
- In Hamburg ehemals über die Flottbek, siehe Teufelsbrück
- In Chemnitz im Zeisigwald (in der Nähe des Weißen Weges)
- In Mannheim-Jungbusch, eine 1874 gebaute Drehbrücke, siehe Teufelsbrücke (Mannheim)
Weblinks
46.64758.59Koordinaten: 46° 38′ 51″ N, 8° 35′ 24″ O; CH1903: (688141 / 166897)
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