Ursprungsmythos

Ursprungsmythos

Die Erschaffung von Herkunftssagen bzw. eine sogenannte Ansippung (Anhängen an eine Sippe) ist das Verhalten sowohl von Einzelpersonen als auch von ganzen Volksstämmen, sich an – nicht selten sagenhafte – berühmte Vorfahren bzw. ganze Völker mit großer Geschichte als deren vermeintliche Nachkommen oder Seitenlinien anzuschließen. Dazu werden Stammbäume entworfen oder adaptiert.

Musterbeispiele sind bereits die Ahnenfolgen in der Antike. Beispiele für Personen sind z. B. Caesars Rückführung seiner Ahnen bis auf die Venus, und für die Römer die Herkunftssage, sie stammten von den Trojanern ab (vgl. die Aeneis des Vergil). Parallelbeispiele finden sich z. B. auch im Alten Testament und bei den antiken griechischen Städten (Poleis wie Athen oder Theben).

Der Nationalismus des 19. Jahrhunderts folge oft vergleichbaren Mustern (Herkunft der Deutschen, der Ungarn, der Griechen u.ä.).

Die damit verbundenen Ideologien vermögen dabei nicht selten auf solide, jedoch partielle historische oder linguistische Erkenntnisse zurück zu greifen. Auffällig ist dann nur deren Verabsolutierung und die Abweisung widersprechender Forschungsergebnisse, klassische Beispiele dessen, was der Philosoph Karl Popper Immunisierung genannt hat.

Inhaltsverzeichnis

Beispiele politisch aktueller Debatten

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  • Auf dem Balkan mit seinen hochvariablen und viel umstrittenen politischen Grenzen gibt es zahlreiche konkurrierende Behauptungen, deren ideologische Sprengkraft nicht unterschätzt werden darf. Im heutigen Griechenland wird z. T. die eigene Rückführung auf die antiken Hellenen mit gegenwärtigen Ansprüchen verbunden (vgl. Fallmerayer). Dies stößt auf dagegen erhobene Ansprüche konkurrierender Herkunftsbehauptungen. In Mazedonien wird z.B. gelegentlich die Legende einer Abstammung von den antiken Makedonen und ihrem legendären Herrscher Alexander gepflegt.
  • Verschiedene germanische Herkunftsgeschichten, siehe Origo gentis.
  • Vergleichbare Konflikte bestehen durch einander ausschließende Abstammungssagen z.B. auch zwischen Türken und Kurden. Die türkischen Seldschuken bzw. Oghusen konstruierten einerseits eine Abstammung des Oghusen-Vaters Oghuz Khan in direkter Linie von Noach (Benoist-Mechin: Der Untergang des Osmanischen Reiches), während andererseits die jungtürkische Bewegung im Panturanismus gemeintürkische Ansprüche (damals) auf Chiwa und die Bucharei erhoben und die Kurden zu „Bergtürken“ erklärten, und noch heute dehnen Nationalisten den türkischen Siedlungsraum bis nach Sinkiang aus (Ergenekon), vereinnahmen aber zumindest verwandte Völker wie Aserbaidschaner oder Usbeken.
  • Die von Arabern islamisierten Berber der Barka (Cyreneica) in Libyen hatten sich arabische Stammbäume zurechtgelegt, um auf Augenhöhe mit den neuen Herrschern zu stehen (Halm: Das Reich des Mahdi).
  • Auch einige afghanische Stämme konstruierten nach der Islamisierung vermeintlich jüdische bzw. arabische Stammbäume, siehe Paschtunische Herkunft.
  • Vor 1990 wurde in Rumänien eine kontinuierliche Abstammung von den Dakern konstruiert (siehe Dako-romanische Kontinuitätstheorie), eine teilweise bis heute aktuelle Debatte, in Bulgarien eine von den Thrakern.
  • Saddam Hussein ließ 1981 seinen Familienstammbaum auf eine Verwandtschaft sowohl mit den Abbasiden-Kalifen als auch von Imam Ali und Sultan Saladin umschreiben. Unter seiner Herrschaft wurde aber auch eine Kontinuität des Irak zum antiken Mesopotamien beschworen.

Literatur

  • K. Matz: Wer regierte wann? (Nachwort zur Einrichtung des Bandes). München 2001.

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Siehe auch


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