Verwaltungsmodernisierung

Verwaltungsmodernisierung

Die Ziele von Verwaltungsreformen können je nach Akteur und Situation erheblich variieren. So wurden in der DDR 1952 aus 5 Provinzen bzw. Ländern und dem demokratischen (sowjetischen) Sektor von Berlin die bis 1990 bestehenden 15 Bezirke gebildet. In der Bundesrepublik dominierten in den 1960er und 1970er Jahren Ansätze der Territorial- (z. B. Gemeindefusionen) und Funktionalreformen (z. B. Aufgabenverlagerung zwischen den administrativen Ebenen Bund, Länder und Gemeinden). Zur gleichen Zeit wurde versucht, die Verwaltung verstärkt an rationalen Planungen auszurichten, was angesichts der ökonomischen Krise Mitte der 1970er Jahre allerdings scheiterte. Auch die Transformation der Verwaltung der Neuen Bundesländer nach der Wiedervereinigung und damit die Ausdehnung des westdeutschen Verwaltungssystems auf Ostdeutschland ist eine Verwaltungsreform.

Die Notwendigkeit von Verwaltungsreformen nimmt im Rahmen der zunehmenden Dynamik sozialer (einschließlich politischer und ökonomischer) Strukturen und Prozesse zu.

Die Verwaltungswissenschaften beschäftigen sich wissenschaftlich mit der Reform der öffentlichen Verwaltungen und erarbeiten praktische Vorschläge zur Veränderung der Verwaltung.

Es kann zwischen Binnenreformen, Funktionalreformen, Strukturreformen und Territorialreformen unterschieden werden. Dabei zielen Binnenreformen auf die Veränderung interner Prozesse ab, bei Funktionalreformen werden Aufgaben zwischen Verwaltungsebenen (bspw. zwischen Ministerien und Mittelinstanzen oder Mittelinstanzen und Kommunen) verlagert, Strukturreformen greifen in den äußeren Aufbau der Verwaltung ein, Territorialreformen verändern den Zuschnitt der territorialen Zuständigkeitsgebiete (Gemeinde-, Kreis- und Regierungsbezirkszuschnitte).

Öffentliche Leistungsprozesse sind im Gegensatz zu privatwirtschaftlichen Leistungsprozessen nicht durch einen Markt mit einem Preis versehen: Im Gegensatz zu dem Preis für ein Brötchen, der leicht zu ermitteln und als Hoch oder Niedrig bewertet werden kann, ist der Preis für die Ausstellung eines Führerscheines ungleich schwieriger zu bewerten. (Stichwort: es handelt sich um unteilbare Güter)

Um öffentliche Leistungsprozesse zu bewerten, und damit die Kennwerte für eine Reform zu erhalten, greift man deshalb vor allem zum Mittel der Leistungskataloge. In einem Leistungskatalog werden möglichst alle durch eine Verwaltung erbrachten Leistungen erfasst und bewertet.

Anschließend kann, auf Basis dieses Kataloges, der Ist-Zustand der Verwaltung mit einem Soll-Zustand abgeglichen werden. In einem Analyseprozess wird anschließend versucht, durch Veränderungen im Ablauf der Verwaltung die Soll-Kennziffern zu erreichen.

Wichtig ist, bei den Zielvorgaben im Hinterkopf zu behalten, dass eine Verwaltung nicht nur an den Ergebnissen gemessen werden kann, sondern auch der Weg, wie die Ergebnisse erreicht werden, in den Zielvorgaben berücksichtigt werden muss. Ein Beispiel dafür ist die Berücksichtigung der Widersprüche in den Zielvorgaben – steigt die Anzahl der Widersprüche (Verwaltungsverfahrensgesetz) an, liegt möglicherweise ein systematischer Fehler im Prozess vor. Anders herum: Es können schnell Entscheidungen herbeigeführt werden, ohne die Situation ausreichend zu prüfen und die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Entscheidung zu erfüllen. Würde man nur die Anzahl der getroffenen Entscheidungen zur Kenngröße machen, wäre der Verwaltung nicht gedient. Man spricht hier von einem Zielkonflikt, bei dem ein Sachziel (schnelle Entscheidung) einem Formalziel (Gesetzestreue) gegenüber steht.

Praktische Ergebnisse einer Verwaltungsreform sind zum Beispiel „Bürgerläden“, in denen man als „Kunde“ der Verwaltung an einer Stelle viele Vorgänge gleichzeitig erledigen kann (zum Beispiel: den Personalausweis verlängern und eine größere Mülltonne beantragen).

Ein anderes Beispiel für Maßnahmen als Ergebnis der Verwaltungsreform ist die Verlagerung von Entscheidungskompetenzen weg von Bund und Ländern hin zu den Kommunen (Kommunalisierung).

Seit den 1980er Jahre steht die deutsche Verwaltungsreformbewegung in Zusammenhang mit einer internationalen Reformbewegung, die unter dem Begriff des New Public Management firmiert. Derzeit wenig diskutiert, aber sehr wohl Teil der internationalen Reformbewegung des New Public Management ist allerdings die Frage der Transparenz Öffentlicher Verwaltung und des Zusammenhangs zwischen Verwaltungsqualität und öffentlicher Teilhabe. Diese Fragestellung zielt in Richtung öffentlicher Partizipation (etwa: Referendum, Wahl von Verwaltungsmitarbeitern) oder auch die Bekämpfung von Korruption (durch Ausweitung der Informationsrechte des Bürgers, vgl. etwa den Freedom of Information Act in den USA).

Seit der Jahrtausendwende hat die große Mehrheit der Regierungen der Flächenländer mehr oder weniger einschneidende Veränderungen in ihren Verwaltungsorganisationen vorgenommen oder plant diese zumindest. Dabei werden umfassende Reformpakete, die sowohl Funktional- als auch Strukturreformelemente enthalten, mit großem politischem Druck durchgesetzt. Diese Reformen übertreffen hinsichtlich Umfang und Auswirkungen in einigen Ländern (insb. Baden-Württemberg, Niedersachsen, Sachen) alle bisherigen Verwaltungsreformen der Nachkriegszeit (vgl. Bogumil/Ebinger 2008). Insb. in den neuen Bundesländern werden zunehmenden auch Territorialreformen durchgeführt, da man sich davon funktionale und wirtschaftliche Vorteile erhofft. Entsprechende Diskussionen kommen mittlerweile auch in einigen westdeutschen Ländern in Gang (z. B. Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz, partiell Niedersachsen). Dabei ist der Erfolg dieser Vorhaben sowohl hinsichtlich der resultierenden Qualität der Verwaltungsleistung als auch bezüglich der damit erzielbaren Einsparen hoch umstritten (vgl. Ebinger/Bogumil 2008).

Eines der Kernprobleme jeder Betrachtung der Leistungsprozesse in der Verwaltung ist das Personalrecht, das eine Incentivierung von Mitarbeitern bei überdurchschnittlicher Leistungserbringung schwierig macht.

Gedankenstoff für die Verwaltungsreform liefert neben dem Ansatz der Katalogisierung auch die Systemtheorie von Niklas Luhmann.

Siehe auch

Literatur

  • Jörg Bogumil, Lars Holtkamp, Leo Kißler, Sabine Kuhlmann, Christoph Reichard, Karsten Schneider, Hellmut Wollmann: Perspektiven kommunaler Verwaltungsmodernisierung. Praxiskonsequenzen aus dem Neuen Steuerungsmodell. Edition Sigma, Berlin 2007, ISBN 978-3-8360-7230-4. 
  • Jörg Bogumil, Stephan Grohs, Sabine Kuhlmann, Anna K. Ohm: Zehn Jahre Neues Steuerungsmodell. Eine Bilanz kommunaler Verwaltungsmodernisierung. Edition Sigma, Berlin 2007, ISBN 978-3-89404-779-5. 
  • Jörg Bogumil, Falk Ebinger: Verwaltungspolitik in den Bundesländern - Vom Stiefkind zum Darling der Politik. In: Achim Hildebrandt, Frieder Wolf (Hrsg.): Die Politik der Bundesländer. Politikfelder und Institutionenpolitik. Wiesbaden 2008, ISBN 978-3531154183, S. 275–288. 
  • Falk Ebinger, Jörg Bogumil: Grenzen der Subsidiarität – Verwaltungsreform und Kommunalisierung in den Ländern. In: Angelika Vetter, Hubert Heinelt (Hrsg.): Lokale Politikforschung heute. Wiesbaden 2008, ISBN 978-3531158037, S. 165–196 (Reihe: „Stadtforschung aktuell“). 

Weblinks


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