- Viehbesatz
-
Viehbesatz ist das Verhältnis der Anzahl von Nutztieren zu einer Fläche, auf der ihr Futter erzeugt wird. Der Viehbesatz kann sich auf Weiden beziehen, aber auch auf Wiesen und Äcker, sofern dort Futter für das Vieh geworben wird oder die Exkremente in Form von Kot und Harn oder Mist (Festmist) bzw. Gülle (Flüssigmist) ausgebracht werden. Der Viehbesatz wird angegeben in Großvieheinheiten je Hektar (GV/ha).
Der Viehbesatz ist der wichtigste Maßstab der Intensität in der Viehhaltung und seiner Nachhaltigkeit. Zu hoher Viehbesatz in Bezug zum Bodenertrag kann z. B. zur Überweidung oder Eutrophierung (Überdüngung) führen; zu niedriger zur Wiederbewaldung (Unterweidung).
Inhaltsverzeichnis
Großvieheinheit
Eine Großvieheinheit (GV oder GVE) dient als Umrechnungsschlüssel zum Vergleich verschiedener Nutztiere auf Basis ihres Lebendgewichtes. Eine Großvieheinheit entspricht dabei 500 Kilogramm (etwa so viel wiegt ein ausgewachsenes Rind). In der freien Natur umfasst sie keine wildlebenden Kleintiere wie Amphibien und Insekten, aber Wild (Forstwirtschaft und Jagd). Sie ist in der Viehhaltung der wichtigste Indikator der Nutzungsintensität der zur Verfügung stehenden Fläche eines landwirtschaftlichen Betriebes und Grundlage vieler Richtlinien der Agrarpolitik. In Forstwirtschaft, Naturschutz und Ökologie benötigt man die Kennzahl GV/ha, um das Maß an Verbiss/Schäden an Forstkulturen und Flora abzuschätzen, die Nährstoffein- und austräge zu quantifizieren und Nutzungsbeschränkungen festzulegen (Landschaftsplanung).
Beispiele sind:
- Kalb, 50–100 kg = 0,1–0,2 GV
- junge Milchkuh 450–650 kg = 0,9–1,3 GV
- Milchkuh = 1 GV
- Pferd = 0,8–1,5 GV
- Eber = 0,3 GV
- Mastschwein = 0,12 GV
- Ferkel = 0,01 GV
- Schaf = 0,1 GV
- 100 Hühner = 0,8–1 GV
- 320 Legehennen = 1 GV
Viehbesatz in der intensiven Landwirtschaft
Die Kennzahl GV wird für die Berechnung von Lagerkapazitäten (Futter, Gülle, Mist) benötigt. Laut EU-Recht müssen landwirtschaftliche Betriebe eine gewisse Fläche und gewisse Lagerkapazitäten vorhalten, um Mist, Jauche und Gülle als Dünger gleichmäßiger zu verteilen und nicht in den Herbst- und Wintermonaten ausbringen zu müssen (Gülleverordnung). Dies soll Überdüngung und die Auswaschung von Nährstoffen (N, P, K) verringern. Die Kennzahl GV kann auf die gesamte landwirtschaftlich genutzte Fläche (LF) umgelegt werden. In der konventionellen Landwirtschaft gilt ein Viehbesatz von 2,0 GV/ha LF bereits als extensiv oder durchschnittlich. Das kann je nach Betriebsstruktur bedeuten, dass der Viehbesatz auf der Anbaufläche für Futter auf 5 bis 10 GV/ha steigen kann.
Industrielle Betriebe, z. B. Schweinemästereien und Hühnerhalter, lagen in der Vergangenheit sogar noch darüber. Dies wurde inzwischen durch politische Instrumente unterbunden, da die Eutrophierung von Böden und Gewässern dramatische Ausmaße angenommen hatte. Dabei besteht die Gefahr, dass der Anbaufläche in Europa mit Gülle mehr Nährstoffe zugeführt, als ihr entzogen wird, denn diese Betriebe verfüttern mit eingekauften „Kraftfutter“ nämlich auch Nährstoffe, die den Böden an anderen Orten, auch in anderen Kontinenten, entzogen werden.
Viehbesatz in der EU (2000)[1] Rang Land GV
(je 100 ha)Rang Land GV
(je 100 ha)1 Niederlande 382 9 Österreich 82 2 Belgien 319 10 Italien 71 3 Dänemark 161 11 Schweden 67 4 Irland 158 12 Griechenland 65 5 Luxemburg 137 13 Portugal 61 6 Deutschland 110 14 Finnland 61 7 Großbritannien 102 15 Spanien 44 8 Frankreich 84 – EU 90 Viehbesatz in der extensiven Landwirtschaft
Legt man Maßstäbe der Ökologie und des Naturschutzes zu Grunde, darf man natürlich nur die Fläche berechnen, von der sich „eine Großvieheinheit“ tatsächlich ernährt, also die tatsächlich genutzte Futterfläche.
In der Almwirtschaft gilt als traditionelle Maßeinheit der Stoß, der Großvieheinheit auf Sömmerungsfläche umrechnet, mit dem Kuhrecht als Maßeinheit der Fläche (im Alpendurchschnitt etwas über 1 Hektar, schwankt extrem nach Höhenlage und Klima), sodass der Besatz im allgemeinen deutlich unter 1 GV/ha liegt. Der Anteil der LF an der Gesamt-Alm/Alpfläche kann regionenweise auch weit unter 10 % liegen.
In der biologisch-dynamischen Landwirtschaft und nach Grundsätzen der Anthroposophie („ganzheitlich“) wirtschaftenden Betrieben geht man dabei von einem maximalen Wert von 1 bis 1,5 (2,0) GV/ha aus, was je nach Betriebsstruktur 0,5 bis 0,8 GV/ha LF bedeuten kann.
Viehbesatz in Forstwirtschaft, Naturschutz, Ökologie
Ein durchschnittlicher Grünlandstandort von 1 ha, mit 30 bis 50 Bodenpunkten (Maß der natürlichen Ertragsfähigkeit; → Reichsbodenschätzung) kann in etwa eine Kuh ein Jahr ernähren, ohne dass der Standort durch Nährstoffabtrag (Auswaschung und Entnahme für menschliche Nutzung) verarmt noch durch Nährstoffeinträge eutrophiert, nicht versauert und seine natürliche Ertragsfähigkeit erhalten bleibt. 1 GV/ha wird als natürlicher Richtwert in Mitteleuropa angenommen. Örtliche Standortfaktoren, zusammengefasst in der Grünlandzahl, wie Mikroklima, Wasserführung, etc., können aber Korrekturen sowohl nach oben (meist bis zu 2 GV/ha) wie nach unten (bis zu 0,5 GV/ha oder weniger auf extremen Standorten) notwendig machen.
Der Viehbesatz von 1 GV/ha bedeutet aber auch, dass der Verbrauch der Herbivoren so stark ist, dass keine Bewaldung mehr möglich ist. In Verbindung mit verschiedenen ökologischen Theorien, z. B. der Megaherbivorentheorie und der Mosaik-Zyklus-Theorie, kann man davon ausgehen, dass ein Besatz ab 0,3 GV/ha an Wildtieren (je nach Artzusammensetzung) eine vollständige dichte Bewaldung verhindert; dies ist zumindest ein „Alarmwert“ der Forstwirtschaft.
Weblinks
Einzelnachweis
Wikimedia Foundation.