Vinzenz Goller

Vinzenz Goller

Vinzenz Goller (* 9. März 1873 in St. Andrä bei Brixen, Südtirol; † 11. September 1953 in St. Michael im Lungau) war Komponist und Kirchenmusiker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Wie viele Musiker entstammt auch Vinzenz Goller einer musikalischen Familie. Sein Vater Josef war Volksschullehrer in St. Andrä und wirkte dort auch als Mesner und Organist.[1] Aber nicht nur dieser Nährboden, sondern auch seine überdurchschnittliche musikalische und pädagogische Begabung war ausschlaggebend für seinen späteren Berufsweg.

Schon früh engagierte sich Goller als Sänger im örtlichen Kirchenchor. Es dauerte nicht lange, bis er Ersatzorganist wurde. Nebenbei beschäftige er sich mit Notenschreiben und Transponieren.

Als Sängerknabe und Student kam Goller mit zwölf Jahren in das Augustiner-Chorherrenstift Neustift.[1] Dort wurde sein Talent durch Choral- und Chorsingen, sowie Violin- und Waldhornspiel weiter gefördert. Goller lernte im Stift auch den gleichaltrigen Josef Gasser und Ignaz Mitterer kennen.

Goller begann 1888 mit dem Studium am Lehrerseminar und später an der Städtischen Musikschule (bei Josef Pembaur) in Innsbruck, sowie an der Kirchenmusikschule Regensburg (bei Franz Xaver Haberl und Michael Haller). 1899 heiratete er Maria Josefa Pfeifhofer aus Sexten. Aus dieser Ehe gingen sieben Kinder hervor. Er wurde nach mehrjährigem Schuldienst 1903 Kirchenmusiker in Deggendorf. Nach Abschluss seines Studiums an der Wiener Musikakademie wurde er 1910 mit der Einrichtung der Abteilung für Katholische Kirchenmusik in Wien-Klosterneuburg beauftragt, die er bis 1933 selbst leitete und an der er noch bis 1937 Kontrapunkt und Kirchenkomposition lehrte.

Als Italien im Mai 1915 zu den Alliierten übertrat, meldete sich Goller freiwillig[2] zu den Standschützen und kämpfte an der Dolomitenfront. Als Hauptmann des Sillianer Bataillons gelang ihm am 6. September 1916[3] die Rückeroberung des Forame-Gipfels in der Cristallogruppe. Dieser Erfolg war der österreichischen Armeeführung so wichtig[4], dass das Bataillon Sillian, als einziges, ein Marmordenkmal zur Erinnerung an diese Kämpfe erhielt. Dieses befindet sich heute auf dem Marktplatz der Gemeinde.

Nachdem im Frühjahr 1918 die Bataillone Welsberg, Lienz und Sillian zum Standschützenbataillon Pustertal zusammengefasst wurden, ernannte man Goller zum Bataillonskommandanten und im Juni zum Major.[3] Er teilte dasselbe Schicksal wie viele andere Soldaten und geriet im September 1918[5] in Kriegsgefangenschaft. Goller gelang allerdings die Flucht aus dem Lager in der Nähe von Mantua und setzte sich über wenig begangene Bergpfade in die Schweiz ab. 1919 kehrte er schließlich nach Wien zurück und ging seiner Lehrtätigkeit wieder nach.

Auf Wunsch von Erzherzog Eugen, dem Kommandanten der Südwestfront, komponierte Goller, zur Erinnerung an die Erstürmung des Forame-Gipfels, eine deutsche Singmesse. Diese sollte bei Feldgottesdiensten aufgeführt werden.

Gedenktafel in Klosterneuburg

Goller engagierte sich auch politisch. 1933 wurde er in den Gemeinderat und drei Jahre später zum Bürgermeister von Klosterneuburg gewählt. Als Österreich im Jahr 1938 von den Nationalsozialisten besetzt wurde, enthoben diese Goller seines Amtes. Zwei seiner Kinder schlossen sich dem Widerstand an.[5] 1941 übersiedelte Goller mit seiner Familie nach St. Michael im Lungau. Fünf Jahr später starb seine Frau Maria, worauf er zu seinen Geschwistern nach Südtirol zog. Erst 1950 kehrte er wieder nach Klosterneuburg zurück.

1953[5] wurde Goller zum Ehrenmitglied der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien ernannt. Diese Auszeichnung konnte er aber nicht mehr entgegennehmen, da er noch vor der Verleihung an Lungenentzündung starb.

Werk

Vinzenz Goller schuf zahlreiche liturgische Kompositionen (Messen, Offertorien u. a.), die in erster Linie für einfachere Verhältnisse (z. B. für Landkirchenchöre) gedacht waren und weite Verbreitung fanden. Die bekanntesten seiner Orgelmessen sind die Loreto-Messe und die Clemens Hofbauer-Messe. Als reifste und künstlerisch wertvollste Werke sind das Oster-Tedeum und die große a capella-Messe „Orbis factor“ zu würdigen. Nach dem Ersten Weltkrieg kam er durch die völlig veränderte kirchenmusikalische Situation zu einem neuen Meßtyp, der „Kantormesse“, in der ein Vorsänger unter möglichster Heranziehung aller in der Kirche Versammelten zur aktiven Teilnahme dem Chor gegenübertritt. Mit Kompositionen auf deutsche Texte unter aktiver Beteiligung der Gemeinde schuf er die Grundlagen für die Neuorientierung der katholischen Kirchenmusik im 20. Jahrhundert. Seine Auffassung von der Wichtigkeit des Gemeindegesangs veranlasste ihn zu dem sehr bedeutsamen Ausspruch: für die aktive Teilnahme der Gemeinde gäbe er alle seine Kompositionen dahin.

Quellen

  1. a b Portrait von Vinzenz Goller auf clubosttirol.at
  2. Kurzbiografie von Vinzenz Goller auf domchorbrixen.it
  3. a b Ludwig Wiedemayr: Weltkriegschauplatz Osttirol - Die Gemeinden an der Karnischen Front im östlichen Pustertal, Lienz 2007
  4. Standschützendenkmal in Sillian
  5. a b c Adelheid Hlawacek: Vinzenz Goller

Weblinks


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