Vladimír Mečiar

Vladimír Mečiar
Vladimír Mečiar 2004

Vladimír Mečiar (* 26. Juli 1942 in Zvolen) ist ein slowakischer Politiker, Staatsmann sowie Gründer und Vorsitzender der ĽS-HZDS. Gemeinsam mit Václav Klaus verdiente er sich um die friedliche Trennung der Tschechoslowakei und führte die Slowakei 1993 in die staatliche Unabhängigkeit.

Von 1990 bis 1991, 1992 bis 1994 und 1994 bis 1998 war er slowakischer Ministerpräsident, von 2006 bis 2010 beteiligte er sich mit seiner Partei an der Regierung Fico. 1999 und 2004 war er einer der führenden Präsidentschaftskandidaten, konnte sich jedoch bei den Stichwahlen nicht durchsetzen. In den 1990er Jahren wurde er von der slowakischen Opposition und westlichen Welt für seinen autokratischen Regierungsstil kritisiert.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Politik bis 1992

Seine politische Laufbahn begann Mečiar im Kommunistischen Jugendverband, ab 1962 war er Mitglied der Kommunistischen Partei. Nach dem Prager Frühling wurde er 1970 wegen seiner ablehnenden Haltung gegenüber dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes aus der Partei ausgeschlossen, konnte aber per Fernstudium Jura studieren und war dann bis 1990 Wirtschaftsjurist.

An der Samtenen Revolution beteiligte er sich von Anfang an aktiv auf Seiten der Bewegung „Öffentlichkeit gegen Gewalt“ (VPN). Ab Januar 1990 war er Innenminister der Slowakischen Teilrepublik. Im Juni 1990 gewann die VPN mit 29,3 % der Stimmen die ersten freien Parlamentswahlen in der Slowakei nach dem Sturz der kommunistischen Diktatur und Mečiar wurde der erste frei gewählte Ministerpräsident des slowakischen Teilstaates. Nach Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Regierungsparteien wurde er am 23. April 1991 gestürzt und von Ján Čarnogurský abgelöst. Mečiar verließ daraufhin die Bewegung „Öffentlichkeit gegen Gewalt“ und gründete die „Bewegung für eine demokratische Slowakei“ (HZDS), deren Vorsitzender er seit Juni 1991 ist.

Zweite Amtszeit 1992 bis 1994

Mit Parolen und Versprechen, die gleichermaßen an den Nationalstolz wie an das soziale Schutzbedürfnis der Wähler appellierten,[1] gewann die HZDS im Juni 1992 die Parlamentswahlen mit 37,3 % der Wählerstimmen und Mečiar wurde erneut slowakischer Ministerpräsident.[2] Die Verhandlungen mit Václav Klaus, der die Wahlen im tschechischen Landesteil gewonnen hatte, führten zur Teilung der Tschechoslowakei in zwei unabhängige Staaten – Tschechien und die Slowakei – zum 1. Januar 1993. Ab 24. Juni 1993 koallierte Mečiars HZDS mit der Slowakischen Nationalpartei. Im März 1994 wurde Mečiar erneut gestürzt, sein Nachfolger wurde Jozef Moravčík, der allerdings nur 9 Monate im Amt war und die Slowakei vor allem auf die Neuwahlen vorbereiten sollte. Die Parlamentswahlen vom November 1994 gewann mit Mečiars HZDS mit 35 % der Stimmen und bildete eine Koalitionsregierung mit der ZRS und der SNS.

Dritte Amtszeit 1994 bis 1998

Während seiner Regierung 1994 bis 1998 verfolgte er eine umstrittene, oft als autokratisch bezeichnete Politik, die die Slowakei innerhalb Europas isolierte und unter anderem dazu führte, dass das Land – anders als die Tschechische Republik – nicht im März 1999 (sondern erst 2004) in die NATO aufgenommen wurde. In der Nacht vom 3. auf den 4. November 1994 wurden von der Mečiar-Regierung sämtliche oppositionelle Politiker, die parlamentarische Posten, Funktionen und Ämter innehatten, durch eigene Parteigänger ersetzt. Diese Säuberungsaktion wurde von den oppositionellen Medien später als „Nacht der langen Messer“ (slowakisch: Noc dlhých nožov) bezeichnet.[3] Auch begann die neue Regierungskoalition die Medien mit eigenen Leuten zu besetzten.[4] Mečiar wurde auch vorgeworfen, an der Entführung des Sohns von Staatspräsident Michal Kováč vom August 1995 beteiligt gewesen zu sein (was ihm später jedoch nicht nachgewiesen werden konnte). Seiner Partei nahestehende Personen sollen sich bei der Privatisierung bereichert haben.

Ein Beitritt der Slowakei zur Europäischen Union und zur NATO erschien in dieser Zeit undenkbar, obwohl sich Mečiar selbst immer bemühte, dies zu erreichen. Außenpolitisch suchte er ein möglichst gutes Verhältnis zu Russland und dessen Präsidenten Boris Jelzin. Im Jahr 1995 wurde ihm wegen „seines herausragenden Beitrags zur Weiterentwicklung der slowakisch-russischen Beziehungen“ der Ehrendoktortitel der Lomonossow-Universität Moskau verliehen.[5] Am 30. Oktober 1995 äußerte sich Mečiar in Moskau sehr positiv über die russische Politik gegenüber der Slowakei, als er konstatierte, dass „Russland der Slowakei nichts verbietet und nichts befiehlt.“[6] Am 10. November 1995 kritisierte er wiederum in Berlin während eines Europaforums, dass „die EU sich gegenüber der Slowakei in die Rolle eines Demokratielehrers stilisiert, der das Recht hat Verhaltensnoten zu vergeben.“[7] Der US-amerikanische Investor George Soros bezeichnete Mečiar gemeinsam mit Slobodan Milošević und Leonid Krawtschuk als einen der gefährlichen Nationalisten der Region.[8] Die französische Wochenzeitung „L`Evenement du jeudi“ zählte Mečiar zu einer Gruppe von 18 „demokratischen Diktatoren“, zu der neben ihm auch z.B. Slobodan Milošević, Franjo Tudjman, Alija Izetbegović und Aljaksandr Lukaschenka gezählt wurden.[9]

Auch kam es seit Mečiars Wiederwahl 1994 immer wieder zu Konflikten mit der ungarischen Minderheit. Die Vertreter der slowakischen Ungarn kritisierten die Tatsache, das die neue Regierung die Föderungsgelder für Minderheiten im Kultur- und Schulberreich verringerte. Auch die Tatsache, dass die nationalistische Slowakische Nationalpartei von Ján Slota Teil der Regierungskoalition war, löste bei den Ungarn Unbehagen aus. In zweischprachigen Schulen der ungarischen Minderheit musste laut einer Regierungsverordnung die Jahreszeugnisse der Schüler in rein slowakischer Fassung vergeben werden.[10]

Im Jahr 1998 kam es erneut zu einer größeren personellen Säuberungsaktion, nachdem die Amtsperiode des Staatspräsidenten Kováč ausgelaufen war, und sich die Parlamentsabgeordneten nicht auf einen neuen Präsidenten einigen konnten. So wurde Mečiar vorläufig ebenfalls mit den Vollmachten des Präsidenten ausgestattet und wechselte sofort die Hälfte aller slowakischen Botschafter im Ausland gegen eigene Kandidaten aus.[11] Obwohl seine Partei sowohl die Wahl von Oktober 1998 als auch jene von 2002 gewann, gelang es ihm aufgrund seines schlechten Rufs im Ausland nicht, einen Koalitionspartner zu finden, so dass nach beiden Wahlen die ehemalige Opposition unter Mikuláš Dzurinda an die Macht kam.

Situation seit 1998

Als Oppositionspolitiker kandidierte Mečiar im Mai 1999 für das Amt des Staatspräsidenten und erreichte im ersten Wahlgang 27,81% kam damit vorerst auf Platz eins, jedoch unterlag er in der Stichwahl mit 42,81% gegen Rudolf Schuster. Für die Präsidentschaftswahlen 2004 ließ er sich erneut aufstellen und betonte im Wahlkampf immer wieder, er habe sein Verhalten geändert. Im ersten Wahlgang erzielte er am 3. April 2004 entsprechend den Meinungsumfragen ein sehr gutes Ergebnis und landete mit 32,73% auf dem ersten Platz. In der Stichwahl am 17. April verlor er jedoch mit 40% gegen 60% der Stimmen gegen seinen früheren Mitstreiter Ivan Gašparovič.

Am 24. April 2000 wurde Mečiar während einer Razzia in seiner Villa in Turčianské Teplice von der Polizei festgenommen. Vorgeworfen wurde ihm, er hätte während seiner Amtszeit 1994 bis 1998 Ministern zu Unrecht hohe Bonuszahlungen gewährt. Nach einem kurzen Verhör auf der Polizeiwache wurde Mečiar aber wieder freigelassen sofort von Anhängern bejubelt.[12]

Nach den Parlamentswahlen im Jahr 2006 ging Mečiar eine Koalition mit der SMER-Partei und der Slowakischen Nationalpartei ein und ermöglichte so die Bildung einer Regierung unter Robert Fico. In dieser hatte Mečiars ĽS-HZDS zwei Ministerposten inne. Mečiar selbst erhielt keinen Ministerposten, sondern war Teil eines sogenannten „Koalitionsrates“, dem die Parteivorsitzenden der drei Parteien angehörten.[13]

Bei den Parlamentswahlen im Jahr 2010 konnte seine Partei nur 4,32% der Stimmen auf sich vereinigen und verpasste damit einen Wiedereinzug ins Parlament. Slowakische Zeitungen kommentierten den verfehlten Wiedereinzug der ĽS-HZDS ins Parlament als Ende der Ära Mečiar[14] und Ende des Mečiarismus.[15] Mečiar erklärte jedoch, dass er auch nach der Wahlniederlage in der Politik bleiben werde und sagte für die Parlamentswahlen 2014 einen Sieg seiner Partei voraus. Weiter führte Mečiar an, dass er sich dann eine Koalition mit der SMER-Partei von Robert Fico wünsche.[16] Nach dem Sturz der Regierung Radičová im Oktober 2011 gab Mečiar bekannt, dass er bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im März 2012 nicht länger als Spitzenkandidat seiner Partei fungieren werde, jedoch weiterhin Parteivorsitzender bleibe.[17]

Auszeichnungen

Literatur

  • Dušan Kováč: Dejiny Slovenska. [Geschichte der Slowakei.] Nakladatelství Lidové noviny, Prag 2000
  • Michael Holländer: Konfliktlinien und Konfiguration der Parteiensysteme in Ostmitteleuropa 1988-2002. Books on Demand 2003
  • Christoph Thanei: Vladimír Mečiar: Ein Mythos polarisiert (Slowakei). In: Micheal Jungwirth: Haider, Le Pen & Co: Europas Rechtspopulisten. Steyer 2002
  • Vladimír Mečiar: Slovensko, dôveruj si! [Slowakei, glaub an dich!] R-Press Verlag, Bratislava 1998, ISBN 80-968022-7-5

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Slowakische Tugenden, abgerufen am 17. Oktober 2011 19:18
  2. Dušan Kováč: Dejiny Slovenska. NLN Verlag, Prag 2000, S. 321
  3. Milan S. Ďurica: Dejiny Slovenska a Slovákov v časovej následnosti faktov dvoch tisícročí. Lúč Verlag, Bratislava 2007, S. 736
  4. Solveig Richter, Markus Soldner: Die politischen Systeme Osteuropas. S. 328
  5. Milan S. Ďurica: Dejiny Slovenska a Slovákov v časovej následnosti faktov dvoch tisícročí. Lúč Verlag, Bratislava 2007, S. 745
  6. Milan S. Ďurica: Dejiny Slovenska a Slovákov v časovej následnosti faktov dvoch tisícročí. Lúč Verlag, Bratislava 2007, S. 744
  7. Milan S. Ďurica: Dejiny Slovenska a Slovákov v časovej následnosti faktov dvoch tisícročí. Lúč Verlag, Bratislava 2007, S. 744
  8. Vladimír Mečiar: Slovensko, dôveruj si! R-Press Verlag, Bratislava 1998, S. 33, ISBN 80-968022-7-5
  9. Čarnogurský s označením Mečiara za "demokratického" diktátora súhlasí. Abgerufen am 14. November 2011 19:19 Uhr
  10. Dušan Kováč: Dejiny Slovenska. NLN Verlag, Prag 2000, S. 330-331
  11. Milan S. Ďurica: Dejiny Slovenska a Slovákov v časovej následnosti faktov dvoch tisícročí. Lúč Verlag, Bratislava 2007, S. 762 und 763
  12. Ex-Regierungschef Meciar festgenommen. Abgerufen am 01. November 2011 16:18
  13. http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,424711,00.html Koalition der Extreme soll Slowakei regieren. Auf: www.spiegel.de, vom 2. Juni 2006]
  14. Mečiarova éra v slovenskej politike sa skončila, auf www.sme.sk, vom 6. Juni 2010, abgerufen am 9. Juli 2011 (slowakisch)
  15. Koniec mečiarizmu na Slovensku: Zbohom, Vlado! - vom 13. Juni 2010, abgerufen am 9. Juli 2011 (slowakisch)
  16. Vladimír Mečiar: V politike som klamal len raz, www.spravy.pravda.sk vom 9. Juni 2010
  17. Mečiar plánuje návrat do parlamentu. www.sme.sk, Abgerufen 24. Oktober 2011 10:48

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