Volturno (1906)

Volturno (1906)
Volturno
Die brennende Volturno

Die brennende Volturno

p1
Schiffsdaten
Flagge Vereinigtes KonigreichVereinigtes Königreich (Handelsflagge) Vereinigtes Königreich
Schiffstyp Passagierschiff
Heimathafen Glasgow
Reederei Uranium Steamship Company
Bauwerft Fairfield Shipbuilding & Engineering (Glasgow)
Baunummer 448
Stapellauf 5. September 1906
Verbleib 9. Oktober 1913 ausgebrannt und aufgegeben
Schiffsmaße und Besatzung
Länge
103,36 m (Lüa)
Breite 13,11 m
Vermessung 3602 BRT / 2284 NRT
 
Besatzung 93
Maschine
Maschine Zwei dreizylindrige Dreifachexpansions-Dampfmaschinen
Maschinen-
leistung
2.750 PS (2.023 kW)
Geschwindigkeit max. 14 kn (26 km/h)
Propeller 1
Transportkapazitäten
Zugelassene Passagierzahl I. Klasse: 24
III. Klasse: 1000
Sonstiges
Registrier-
nummern

Registernummer: 123737

Die Volturno war ein 1906 in Dienst gestelltes Passagierschiff der britischen Reederei Uranium Steamship Company, das für den Transatlantikverkehr gebaut wurde und Passagiere, Fracht und Post von Rotterdam über Halifax nach New York brachte. Am 9. Oktober 1913 zerstörte mitten auf dem Nordatlantik ein Feuer das Schiff, wobei 136 Passagiere und Besatzungsmitglieder ums Leben kamen. Es war das verheerendste und meistpublizierte Schiffsunglück seit dem Untergang der Titanic 18 Monate zuvor. Der Brand auf der Volturno zählt zudem zu den größten durch Feuer verursachten Schiffstragödien.

Inhaltsverzeichnis

Das Schiff

Die Volturno hatte eine wechselvolle Geschichte. Sie wurde von der schottischen Schiffswerft Fairfield Shipbuilding & Engineering Company in Glasgow am Fluss Clyde für die italienische Schifffahrtsgesellschaft Navigazione Italo-Americano mit der Baunummer 448 gebaut. Sie lief an 5. September 1906 vom Stapel und wurde im darauf folgenden Oktober fertig gestellt. Der Bau kostete 80.000 britische Pfund (nach damaligem Geldwert). Sie wurde ursprünglich als reines Frachtschiff geplant. Die italienische Reederei benannte das Schiff nach dem gleichnamigen italienischen Fluss, der bei Gaeta in das Tyrrhenische Meer mündet.

Am 11. November 1906 wurde das Schiff jedoch von der Volturno Steamship Company, einer Unterabteilung des britischen Handelskonzerns D. G. Pinkney & Company mit Sitz in Sunderland, gekauft. Sie behielt den Namen des Schiffs bei. Im März 1908 wurde die Volturno von der im Jahr zuvor gegründeten New York & Continental Line für zwei Überfahrten gechartert. Im Februar 1909 wurde sie von der Northwest Transport Line für Passagierverkehr von New York nach Rotterdam gechartert.

Am 30. März 1909 kaufte die in Toronto ansässige Schifffahrtsgesellschaft Canadian Northern Steamship Company das Schiff, die sie am 4. April desselben Jahres in den Dienst ihrer neu gegründeten Tochtergesellschaft Uranium Steamship Company (kurz Uranium Line genannt) übergab. Für dieses Unternehmen bediente der Dampfer weiterhin die Route Rotterdam–Halifax–New York. Die Volturno blieb bis zu ihrem Ende im Dienst der Uranium Line.

Die letzte Fahrt

Das Feuer

Am Donnerstag, dem 2. Oktober 1913 lief die Volturno in Rotterdam zu einer weiteren Überfahrt nach New York aus. Das Schiff befand sich unter dem Kommando des 36-jährigen Kapitäns Francis J. D. Inch. An Bord befanden sich 564 Passagiere (24 Erste Klasse, 540 Dritte Klasse) und 93 Besatzungsmitglieder; insgesamt 657 Personen. Unter den Passagieren befanden sich viele osteuropäische Juden, die nach Amerika auswandern wollten, aber auch britische, deutsche und französische Geschäftsleute, Hochzeitsreisende und Urlauber. Die Passagierliste dieser Fahrt verzeichnete eine große Anzahl von Kindern. Zur Ladung gehörten viele leicht entflammbare Güter wie Chemikalien, Öl, Torf, Teppiche, Stroh sowie große Mengen Wein und Spirituosen. Am dritten Tag der Reise, am Sonnabend, dem 4. Oktober, fanden an Bord Feuer- und Bootsübungen statt. Die Volturno war mit 19 Rettungsbooten, 1511 Schwimmwesten und 23 Rettungsbojen ausgestattet und galt somit als sicheres Schiff.

Eine Woche nach dem Auslaufen, am Donnerstagmorgen, dem 9. Oktober 1913 befand sich der westwärts dampfende Ozeandampfer mitten in einem atlantischen Sturm. Es regnete heftig und hohe Wellen schlugen gegen den Schiffsrumpf. In den Speisesälen hatten trotzdem die Vorbereitungen für das Frühstück begonnen. Um 05.50 Uhr brach auf dem Schiff ein Feuer aus, dessen Ursache unklar ist. Vermutlich wurde es durch die weggeworfene Zigarette eines Zwischendeckpassagiers ausgelöst. Als sich ein Steward näherte, soll der Mann die Zigarette durch einen Schlitz im Boden geworfen haben, um keine Strafgebühr zahlen zu müssen. Die Zigarette sei dadurch in einem Lagerraum gelandet und setzte das dort lagernde Gepäck in Flammen. Dies wurde nie eindeutig bewiesen, aber oft als Ursache angeführt.

Das Feuer breitete sich mit rasender Geschwindigkeit in den Laderäumen aus und hatte schnell die Kesselräume erreicht. Als die Flammen dort einbrachen, erschütterte eine massive Explosion das Schiff, als die Kessel in die Luft flogen. Vier Besatzungsmitglieder wurden dadurch getötet. Anschließend breiteten sie sich über die oberen Passagierdecks aus. Um 06.00 Uhr wurde der Feueralarm ausgelöst. Die Explosion hatte die Passagiere geweckt, die nun in Panik ausbrachen und umher zu laufen und nach Schwimmwesten zu suchen begannen. Dutzende sprangen in Panik von Bord, da sie das Ertrinken dem Feuertod vorzogen.

Kapitän Inch ordnete sofort Feuerbekämpfungsmaßnahmen an. Nachdem festgestellt werden musste, dass das Feuer nicht mehr unter Kontrolle zu bringen war, ließ Inch ab etwa 08.00 Uhr Notrufe funken und befahl das Fieren der Rettungsboote. Dies erwies sich wegen der schweren See als sehr riskant und schwierig. Die ersten beiden Boote, die mit Frauen und Kindern besetzt zu Wasser gelassen wurden, wurden von den Wellen gegen den Schiffsrumpf geschleudert, warfen ihre Insassen in die See und gingen unter. Eines wurde vom herab sinkenden Heck der Volturno zerquetscht. Keiner der Insassen überlebte. Inch ließ daraufhin das Ausbooten einstellen. Zwei weitere schwere Explosionen ließen das Schiff erbeben, zerstörten die Maschinen und den Kompass und ließen die Lichter ausgehen. Die Volturno driftete nun manövrierunfähig im Sturm.

Rettung und Untergang

Auf den Hilferuf der Volturno reagierten insgesamt elf in der Nähe befindliche Schiffe, die sich auf den Weg zum Unglücksort machten und die in den folgenden 24 Stunden nacheinander eintrafen. Das erste Schiff war der Passagierdampfer RMS Carmania der Cunard Line unter Kapitän James Clayton Barr, der gegen Mittag eintraf. Barr übernahm die Leitung der Rettungsaktion und dirigierte die anderen Schiffe, die nach und nach einen Kreis um die brennende Volturno bildeten und Schwimmer aus dem Wasser zogen.

Weitere Rettungsschiffe waren unter Anderem die Czar der Russian American Line (rettete 102 Menschen), die Devonian der Leyland Line (rettete 59 Menschen), die La Touraine der Compagnie Générale Transatlantique (rettete 40 Menschen), die Kroonland der Red Star Line (rettete 90 Menschen) sowie die beiden NDL-Dampfer Grosser Kurfürst (rettete 105 Menschen) und Seydlitz (rettete 46 Menschen). Einige Schiffe ließen ihre eigenen Rettungsboote zu Wasser, aber der starke Wind und der Wellengang machten diese Rettungsversuche zunichte.

„Der erste Funker an Bord des größten Schiffs, des "Großen Kurfürst", hatte sofort die Leitung in die Hand genommen, und er wußte bis zur Beendigung der Rettungshandlung seine Befehlsgewalt vortrefflich zu nutzen.“

Quelle: IM BANNKREIS VON NAUEN- Die Eroberung der Erde durch die drahtlose Telegraphie von ARTUR FÜRST Seite 269- Deutsche Verlags-Anstalt 1924

Die Evakuierungsaktion zog sich bis in die Morgenstunden des 11. Oktober hin. Der Tanker Narrangansett der Standard Shipping Company aus New York verteilte Öl an der Unglücksstelle, um die immer noch raue See zu beruhigen. Auf diese Weise war es leichter, mit den Rettungsbooten zur Volturno zu gelangen. Kapitän Inch war der letzte, der das Schiff verließ. Gegen 09.00 Uhr war die Volturno evakuiert und alle Boote waren aufgenommen worden. Insgesamt wurden 521 Überlebende geborgen. 136 Menschen waren bei dem Desaster ums Leben gekommen, viele davon durch die verunglückten Rettungsboote.

„Das so viele Menschenleben bewahrt werden konnten, ist in der Hauptsache den fast übermenschlichen Leistungen der Funktelegraphisten auf allen Schiffen zu verdanken die 50 Stunden lang ununterbrochen ihre Apparate bedienten. Dem Bordtelegraphisten (der Volturno d.V.) aber wurde für seine Besonnenheit und Tüchtigkeit vom Seemannsamt eine besondere Anerkennung ausgesprochen.“

Quelle: IM BANNKREIS VON NAUEN- Die Eroberung der Erde durch die drahtlose Telegraphie von ARTUR FÜRST Seite 269- Deutsche Verlags-Anstalt 1924

Die elf Rettungsschiffe nahmen darauf hin wieder ihre ursprünglichen Kurse auf und brachten die Überlebenden an Land. Das Wrack der ausgebrannten und verlassenen Volturno wurde treiben gelassen. Am Abend des 17. Oktober entdeckte der niederländische Tanker Charlois das noch immer rauchende unbemannte Wrack. Kapitän Schmidt wusste nicht, was passiert war und ließ ein Boot zur Volturno übersetzen, um zu überprüfen, ob jemand an Bord war und Hilfe brauchte. Da er keine Überlebenden antraf und sich bewusst war, dass das driftende Wrack eine Gefahr für andere Schiffe darstellte, ließ er es am Morgen des 18. Oktober versenken.

Untersuchung

Der Vorfall wurde von einem Untersuchungsausschuss des britischen Board of Trade unter Vorsitz des britischen Wreck Commissioners Hamilton Cuffe, 5. Earl of Desart, untersucht. Der Ausschuss legte seinen Abschlussbericht am 17. Januar 1914 vor. Die Ergebnisse fielen überraschend positiv aus, die Mannschaft der Volturno und besonders der Kapitän wurden für ihr Verhalten gelobt. Man hatte alles versucht, um das Feuer einzudämmen, Hilfe zu holen und die Passagiere zu retten. Jeder habe das Erdenklichste getan, was in seiner Macht stand und damit seine Pflicht erfüllt. Verurteilt oder kritisiert wurde niemand. Der Board of Trade zeichnete zudem zahlreiche Besatzungsmitglieder der Rettungsschiffe für ihren Einsatz mit der Ehrenmedaille Board of Trade Medal for Saving Life at Sea (meistens verkürzt Sea Gallantry Medal genannt) aus.

Literatur

  • Sir Arthur Spurgeon. The Burning of the Volturno. Cassell and Co. (London), 1913
  • R. L. Hadfield. Sea-Toll of Our Time: A Chronicle of Maritime Disaster. H. F. & G. Witherby, 1930
  • Adolph A. Hoehling. They Sailed Into Oblivion. Yseloff (New York), 1959
  • Warren Armstrong. Fire Down Below. True Stories of the Most Disastrous Fires Aboard Ship. John Day, 1968
  • Hal Butler. Abandon Ship!. Henry Regnery Company, 1974

Siehe auch

  • Georges Philippar -- am 16. Mai 1932 im Golf von Aden ausgebrannt, 56 Tote
  • Morro Castle -- am 8. September 1934 vor New Jersey abgebrannt, 137 Tote
  • Noronic -- am 14. September 1949 im Hafen von Toronto ausgebrannt, 122 Tote
  • Yarmouth Castle -- am 12. November 1965 vor Bermuda ausgebrannt, 90 Tote
  • Lakonia -- am 20. Dezember 1963 bei Madeira ausgebrannt, 128 Tote

Weblinks


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