Votivkirche (Wien)

Votivkirche (Wien)
Votivkirche um 1900

Die Wiener Votivkirche, eine römisch-katholische Kirche an der Wiener Ringstraße im Wiener Bezirk Alsergrund in unmittelbarer Nachbarschaft zum Hauptgebäude der Universität Wien gelegen, ist eines der bedeutendsten neugotischen Sakralbauwerke der Welt. Die Entstehung des Ringstraßendoms, errichtet durch den Architekten Heinrich Ferstel, geht auf das Attentat auf den jungen Kaiser Franz Joseph I. am 18. Februar 1853 durch den Schneidergesellen Janos Libényi zurück. Mit einer Höhe von 99 Metern ist die Votivkirche die zweithöchste Kirche Wiens.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Vorgeschichte

Votivkirche bei Nacht
Votivkirche im Jahr 2010
Maximilianplatz mit Votivkirche
Votivkirche vor 1879, mit Grundriss
Stand der Bauarbeiten an der Votivkirche um 1866

Franz Josephs Bruder, Erzherzog Ferdinand Maximilian, der spätere Kaiser von Mexiko, rief nach dem Attentat „zum Dank für die Errettung Seiner Majestät“ zu Spenden auf, um in Wien eine neue Kirche zu bauen. Die Kirche sollte als Votivgabe (Dankgeschenk) der Völker der Monarchie für die Errettung Franz Josephs errichtet werden. 300.000 Bürger folgten dem Spendenaufruf. Im neuen Dom sollten alle Nationen der Donaumonarchie ihre geistige und politische Heimat finden.

Der Kirchenbau wurde in einem Architektenwettbewerb im April 1854 ausgeschrieben, 75 Projekte von Architekten aus der Donaumonarchie, Deutschland, England und Frankreich wurden eingereicht. Die Jury entschied sich für das Projekt des damals erst 26-jährigen Architekten Heinrich Ferstel. Ursprünglich war für die Kirche ein Bauplatz in der Nähe des Schlosses Belvedere geplant gewesen. Diese Idee wurde jedoch auf Grund der Entlegenheit aufgegeben. Schließlich wurde als Baugrund ein Grundstück im Gebiet des abgerissenen Glacis in der Alservorstadt ausgewählt. Die Grundsteinlegung erfolgte am 24. April 1856 durch Kaiser Franz Joseph und Kardinal Rauscher in Anwesenheit von 80 Erzbischöfen und Bischöfen.

Baugeschichte

Der Bau der Kirche nahm schließlich über 20 Jahre in Anspruch. Zunächst wurden die Fundamente des Chors gelegt und der Chor errichtet, der 1857 bis in die Höhe der Absidialkapellen reichte und gemeinsam mit dem Kreuzschiff bis 1859 auf die Höhe der Seitenschiffe erhöht wurde. 1860 wurden die Fundamente der Türme geschaffen und der Langbau bis in die Höhe der Seitenschiffe gebracht. 1861 erreichte schließlich bereits die gesamte Kirche die Höhe der Seitenschiffe. 1862 bis 1863 erfolgte die Erhöhung der Türme und des Langhauses bis zur Höhe des Hauptschiffes, 1864 wurde mit dem Kreuzschiff begonnen und die Türme bis zum mittleren Dachgiebel erhöht. Besondere Energie steckte Ferstel in den Bau der Türme, da oftmals bei großen Kirchen die Türme unvollendet blieben. Durch eine Subvention von 150.000 Gulden des Wiener Gemeinderates konnte er schließlich die Türme im zehnten Baujahr vollenden und erreichte am 18. August 1868 eine Höhe von 99 m. 1872 wurde das Kirchenschiff schließlich eingewölbt und ein Jahr später wurden die eisernen Dachstühle aufgesetzt. Innenausstattung und die Vollendung der Bauarbeiten dauerten weitere sechs Jahre an. Nach 23 Jahren Bauzeit konnte die Kirche schließlich am 24. April 1879, anlässlich der Silberhochzeit des Kaiserpaares, geweiht werden. Der Platz vor der Votivkirche war der Maximilianplatz.

Zwischen 1862 und 1918 war die Votivkirche auf Anordnung von Kaiser Franz Joseph I. die katholische Garnisonskirche Wiens.

Die Wiener Votivkirche ist ein wesentliches Vorbild der Speyrer Gedächtniskirche.

Baubeschreibung

Grundriss

Die Votivkirche ist eine 3-schiffige Basilika mit einem Chorumgang und einem Kapellenkranz; der Chor befindet sich im Westen. Das Hauptschiff ist 9 Joch lang, das Querschiff hat eine Länge von 7 Joch. Der Punkt an dem sich Lang- und Querhaus schneiden, bildet die Vierung. Anstelle des Vierungsturmes befindet sich hier ein einfacher Dachreiter. Die östliche Hauptfassade wird von zwei kolossalen Türmen bestimmt. Außer der Vierung welche durch ein Sterngewölbe hervorgehoben wird, zeichnet sich die Votivkirche durch ein Kreuzgewölbe aus. Das Giebeldach des Langhauses und des Querhauses wird gekrönt von einer Firstzier. Die Seitenschiffe haben die halbe Breite und fast die halbe Höhe des Mittelschiffes. Sie sind durch Bündelpfeiler in Arkadenstellung vom Hauptschiff getrennt. Die Seitenschiffe werden durch einzelne Kapellen erweitert, eingezogene Pfeiler trennen sie voneinander. Dieser Aufbau suggeriert eine rudimentäre 5-Schiffigkeit. Die Kapellen die das Querhaus flankieren stoßen bis in die Höhe der Vorhallen desselbigen vor, sodass der Eindruck eines dreischiffigen Querhauses entsteht. Zusätzlich verschleifen sie den Übergang vom Querhausvorsprung zum Chor. Zwischen dem Chorhaus und dem Querhaus sitzt nur 1 Joch, sodass das Chorhaupt beinahe unmittelbar auf dem Querhaus aufsitzt. Dadurch entsteht ein zentralisierender Eindruck.

Die Votivkirche – Entsprechungen als Konzept

Wichtiges Moment der Votivkirche ist die allseitige Durchbrechung und gegenseitige Entsprechung des Baus. Die Vertikalteilung der äußeren Fassaden entspricht der Gestaltung des Innenraumes und entwickelt sich aus dieser. Die Triforienzone im Schiff wird weggelassen, stattdessen wird im Chor die Empore eingefügt. Dies hat eine vertikale Dreiteilung des Chorinnenraums zur Folge: Kapellenkranz, fensterlose Empore und Lichtgaden.

Die Vertikalteilung des Chores schreibt die gesamte äußere Fassadenteilung der Kirche vor. Jede Höhe dieser drei Teile hat Entsprechungen an den übrigen Fassaden, durch Gesimse und Brüstungen werden diese Verbindungen hergestellt. Die unterste Zone des Chores schließt außen mit dem Gesims des Kapellenkranzes ab. Dieses Element der Teilung setzt sich in Brüstungen über den Querhausvorhallen, in Wasserschlägen über den Kapellen des Seitenschiffs fort und bildet schließlich an der Ostfassade das Gesims unter der Skulpturgalerie. Die Chorempore entspricht in Höhe und Lage genau der Statuengalerie an der Hauptfassade. Der obere Abschluss dieser Empore läuft in Form einer Maßwerkbalustrade am Langhaus entlang und äußert sich als Bekrönung der Seitenschiffe. Der Chorabschluss wird mit der Hochschiff krönenden Maßwerkbrüstung fortgeführt und bildet so den dritten Ring.

Auch die rudimentäre 5- Schiffigkeit wird nach Außen entsprechend fortgeführt und sichtbar gemacht indem die eingezogenen Strebepfeiler, welche die Kapellen bilden, nach Außen nicht in einer sondern in zwei Filialen auslaufen.

Ein zweites wichtiges Moment ist das Gegeneinanderführen und Kreuzen von horizontalen und vertikalen Tendenzen. So werden die Balustradengürtel sowie die Gesimse immer wieder von Wimpergen mit Blendmaßwerk durchstoßen. Wenn ein Gesims durch diese Wimperge gefädelt wird findet eine weitere Durchdringung statt.

Baumaterial

Der harte Sandstein, aus dem der Kirchenbau hauptsächlich besteht, stammt aus den Steinbrüchen bei Wöllersdorf sowie aus Brunn am Steinfeld.[1]

Orgel

Die Orgel wurde 1878 von der Orgelbauanstalt E.F. Walcker (Ludwigsburg) erbaut. Bereits 1915 wurde eine elektrische Windanlage installiert. In den Jahren 1995 bis 1996 wurde das Instrument durch die Orgelbaufirma Klais (Bonn) grundlegend restauriert, wobei die Orgel und insbesondere die Disposition weitgehend unverändert blieben.

Das Instrument hat 61 Register (3762 Pfeifen) auf drei Manualen und Pedal. Die Spiel- und Registertrakturen sind mechanisch, das Instrument hat Kegelladen und im ersten Manual eine Barker-Maschine.

I Hauptwerk C–f3
1. Principal 16’
2. Flauto major 16’
3. Principal 8’
4. Floetenprincipal 8’
5. Hohlfloete 8’
6. Viola di Gamba 8’
7. Gemshorn 8’
8. Bourdon 8’
9. Quintatön 8’
10. Octav 4’
11. Rohrfloete 4’
12. Floete 4’
13. Quinte 51/3
14. Nasard 22/3
15. Octav 2’
16. Terz 31/5
17. Mixtur VI 22/3
18. Cornett V 8’
19. Scharff III 1’
20. Fagott 16’
21. Posaune 8’
22. Clairon 4’
23. Cornettino 2’
II. Manual C–f3
24. Bourdon 16’
25. Salicional 16’
26. Principal 8’
27. Gedeckt 8’
28. Salicional 8’
29. Aeoline 8’
30. Octav 4’
31. Hohlfloete 4’
32. Spitzfloete 4’
33. Superoctav 2’
34. Mixtur V 22/3
35. Fagott & Oboe 8’
36. Trompete 8’
37. Corno 4’
III Schwellwerk C–f3
38. Geigenprincipal 8’
39. Spitzfloete 8’
40. Lieblichgedeckt 8’
41. Concertfloete 8’
42. Dolce 8’
43. Fugara 4’
44. Gemshorn 4’
45. Traversfloete 4’
46. Piccolo 2’
47. Clarinette 8’
Pedal C–d1
48. Grand Bourdon 32’
49. Principalbass 16’
50. Violonbass 16’
51. Subbass 16’
52. Quintbass 102/3
53. Bourdon 8’
54. Violoncello 8’
55. Octavbass 8’
56. Floetenbass 8’
57. Terzbass 62/5
58. Octavbass 4’
59. Bombardon 16’
60. Trompete 8’
61. Clarino 4’
  • Koppeln: III/I, II/I, III/II, I/P, II/P, III/P

Antwerpener Altar

Die Votivkirche besitzt einen der berühmten Antwerpener Altäre (Retabeln), der in einer als Museum eingerichteten Nebenkapelle ausgestellt ist und besichtigt werden kann.

Literatur

  • Kassal-Mikula, Renata/ Erben, Tino, Heinrich von Ferstel : (1828 - 1883). Bauten und Projekte für Wien, Wien 1983.
  • Pfarrgemeinderat der Votivkirche, Ein Jahrhundert Votivkirche : 1879-1979. Wien 1979.
  • Pichler, Anton Maria: Die Votivkirche in Wien „Zum Göttlichen Heiland“. Beschreibung der Geschichte, Bedeutung und Kunstwerke, Wien o.J.
  • Seidl, Waltraud: Das ganze Reich ein Dom. Die Votivkirche in Wien, Diplomarbeit, Universität Salzburg 1996.
  • Thausing, Moritz: Die Votivkirche in Wien. Denkschrift des Baucomités veröffentlicht zur Feier der Einweihung am 24. April 1879, Wien 1879. (Internet Archive)
  • Wibiral, Norbert/ Kassal-Mikula, Renata, Heinrich von Ferstel, Wiesbaden 1974.
  • Wibiral, Norbert: Heinrich von Ferstel und der Historismus in der Baukunst des 19. Jahrhunderts, Wien 1952.
  • Wolf, Alfred: Alsergrund. Bezirk der Dichter und Denker. Wien 1993
  • Wolf, Alfred: Alsergrund-Chronik. Von der Römerzeit bis zum Ende der Monarchie. Wien 1981

Einzelnachweise

  1. Project zur Votivkirche in Wien abgerufen am 14. Februar 2010

Weblinks

 Commons: Votivkirche – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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