Walther Poppelreuter

Walther Poppelreuter

Walther Poppelreuter (In der Literatur auch inkorrekt mit Walther Poppelreuther oder Walter Poppelreuter angegeben) (* 8. Oktober 1886 in Saarbrücken; † 11. Juni 1939 in Bonn) war ein deutscher Nervenarzt und Psychiater.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Während des Ersten Weltkriegs von 1914 bis 1918 führte er Untersuchungen an hirnverwundeten Soldaten[1] durch und dokumentierte die Ergebnisse des Verlustes und der Beeinträchtigung der Hirnfunktionen.

An der Universität Bonn war er leitender Arzt des Instituts für klinische Psychologie. Dort erhielt er im Jahre 1922 als a.o. Professor einen Lehrauftrag für klinische Psychologie. Von 1925 an wirkte er im Institut für Arbeits-Psychologie in Bonn.

Im Jahre 1928 richtete er am von Adolf Wallichs geführten Lehrstuhl für Betriebslehre ein Laboratorium für industrielle Psychotechnik an der RWTH Aachen ein. Hier setzte er neue Maßstäbe für die Arbeitswissenschaften, indem er die Erfahrungen, die er bei der Eingliederung von Kriegsbeschädigten gewonnen hatte, interdisziplinär auf die Rationalisierung von Arbeitsprozessen anwandte.[2]

Im Jahre 1931 wurde er Mitglied der NSDAP und bekleidete die Funktion eines Obmanns im NS-Lehrerbund. Im Wintersemester 1932 hielt er eine Vorlesung mit dem Titel Politische Psychologie als angewandte Psychologie. Darin stützte er sich auf Hitlers Schrift „Mein Kampf“. Hitler hatte ihm um Juli 1932 schriftlich sein Einverständnis mitgeteilt, in der er seine Freude ausdrückte, dass erstmals sein Buch Thema einer Vorlesung an einer Hochschule werde.[3]

Am 4. März 1933 veröffentlichte er einen Aufruf für Adolf Hitler im Bonner Generalanzeiger. Er galt als Kontrahent des leitenden Direktors der Rheinischen Provinzial-Kinder-Heilanstalt für seelische Abnorme, Professor Otto Löwenstein[4], und so übernahm Poppelreuter nach dessen Flucht vor der Gestapo in die Schweiz kommissarisch die Nachfolge.[5] Löwenstein berichtet in seinem Tagebuch[6], dass am 10. März 1933 etwa 100 SS-Leute in die Klinik eindrangen, wobei Poppelreuter der Anstifter gewesen sein soll.

Im Jahre 1934 veröffentlichte er die Schrift Hitler, der wissenschaftliche Psychologe. In dieser Darstellung unterschiebt er Hitler den Status eines „biologisch eingestellten Psychologen“, der wissenschaftlich eine Massenspychologie besessen habe, um den Charakter der Massen nach bestimmten Kriterien zu bewerten. In der NS-Zeit betätigte sich Poppelreuter als Berater des Deutschen Instituts für Nationalsozialistische Technische Arbeitsforschung und -schulung (DINTA) in Düsseldorf.

In Bonn hatte er bei der Deutschen Gesellschaft für Psychologie den stellvertreten Vorsitz inne.

Quellen

  1. Artikel im Journal of Neuro-Ophthalmology
  2. (50 Jahre Forschung am FIR+IAW Verbund - Seit 1953 entwickelt RR+IAW Grundlagen der betrieblichen Innovation)
  3. Othmar Plöckinger: Geschichte eines Buches: Adolf Hitlers 'Mein Kampf' , München 2006 (Im Buch ist auf Seite 416 eine Fotokopie des Schreibens von Hitler an Poppelreuter vom 14. Juli 1932 abgedruckt)
  4. LVR Abschnitt 1926/1933. Erste deutsche psychiatrisch-neurologische Kinderklinik unter Otto Löwenstein[1]
  5. Ernst Klee, Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Frankfurt am Rhein 2003
  6. Hinweis auf den Eintrag im Tagebuch Löwensteins über die Ereignisse vom 10. März 1933

Schriften

  • Über die scheinbare Gestalt und ihre Beeinflussung durch Nebenreize, Berlin 1909
  • Erfahrungen und Anregungen zu einer Kopfschuß-Invalidenfürsorge, Neuwied 1915
  • Über den Versuch einer Revision der psychophysiologischen Lehre von der elementaren Assoziation und Reproduktion, Berlin 1915
  • Die psychischen Schädigungen durch Kopfschuß im Kriege 1914/17: mit besonderer Berücksichtigung der pathopsychologischen, pädagogischen, gewerblichen und sozialen Beziehungen, Band 1: Die Störungen der niederen und höheren Sehleistungen durch Verletzungen des Okzipitalhirns, Leipzig 1917
  • Die psychischen Schädigungen durch Kopfschuß im Kriege 1914/17: mit besonderer Berücksichtigung der pathopsychologischen, pädagogischen, gewerblichen und sozialen Beziehungen, Band 2: Die Herabsetzung der körperlichen Leistungsfähigkeit und des Arbeitswillens durch Hirnverletzung im Vergleich zu Normalen und Psychogenen, Leipzig 1918
  • Die Arbeitsschauuhr: ein Beitrag zur praktischen Psychologie, Langensalza 1918
  • Allgemeine methodische Richtlinien der praktisch-psychologischen Begutachtung, Leipzig 1923
  • Wissenschaftliche Begutachtung von Arbeitern und Angestellten in Großbetrieben, in: Die menschliche Arbeitskraft im Produktionsvorgang: drei Vorträge, gehalten auf der Gemeinschaftssitzung der Fachausschüsse des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute, dem heutigen Stahlinstitut VDEh, in Bonn am 24. Mai 1925, Düsseldorf 1925
  • Psychologische Begutachtung der Erwerbsbeschränkten, Berlin 1928
  • Zeitstudie und Betriebsüberwachung im Arbeitschaubild, München 1929
  • Arbeitspsychologische Leitsätze für den Zeitnehmer, aus: Institut für Arbeitspsychologie in Bonn, München 1929
  • Psychokritische Pädagogik: zur Überwindung von Scheinwissen, Scheinkönnen, Scheindenken usw., München 1933
  • Hitler, der politische Psychologe, in: Friedrich Mann's pädagogisches Magazin, Langensalza 1934
  • 'Robinson erzieht!': DINTA-Robinson-Kurse zur Einfachstschulung der handwerklichen Fähigkeit mit Joseph Mathieu, Gesellschaft für Arbeitspädagogik, in: Schriftenreihe des Deutschen Instituts für Nationalsozialistische Technische Arbeitsforschung und -schulung (DINTA), Düsseldorf 1935
  • Disturbances of lower and higher visual capacities caused by occipital damage: with special reference to the psychopathological, pedagogical, industrial, and social implications, Oxford 1990

Weblinks


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