Weltreligionen

Weltreligionen
Die Welt: vorherrschende Religionen nach Staaten

Bei der Bezeichnung Weltreligion handelt es sich um einen Begriff, der ein grobes Raster über vielfältige Religionen stülpt, die sich beispielsweise durch die hohe Anzahl ihrer Anhänger, die überregionale Verbreitung und/oder ihren universalen Anspruch auszeichnen.

Eine klare Definition ist schwer zu leisten. Daher sind Auflistungen der Weltreligionen stets einer gewissen Willkür unterworfen.

In der Religionswissenschaft wird die Anwendung des Begriffes vermieden, um Definitionsproblemen zu entgehen.

Inhaltsverzeichnis

Weltreligionen

Die folgenden fünf existierenden Religionen werden im Allgemeinen als Weltreligion bezeichnet (Anhänger nach Encyclopædia Britannica 2005):

Trotz seines universellen Selbstverständnisses fällt das Judentum zahlenmäßig stark von den anderen hier genannten Weltreligionen ab. Während Christentum und Islam aktive Missionierung betreiben, findet dies im Judentum aus verschiedenen religions- und kulturgeschichtlichen Gründen nicht statt. Zugleich hat der jüdische Glaube aber eine große kulturprägende Bedeutung, da auch Christentum und Islam auf den abrahamitischen Monotheismus aufbauen. Eine Konversion zur jüdischen Religion (Gijur) ist jedoch prinzipiell möglich. Auch im Buddhismus und Hinduismus gibt es keine aktive Missionierung. Im Hinduismus ist die Religion an eine enge Sozialstruktur gebunden (Kaste). Daher ist der Hinduismus trotz der hohen Anzahl der Gläubigen regional stark gebunden. Die religiöse Institutionalisierung ist im Hinduismus relativ wenig ausgeprägt.

Aufgrund des universellen Geltungsanspruchs kann jeder Interessierte einer Weltreligion beitreten. Da keine Verbindung mit Verwandtschaftsstrukturen vorliegt, ist nicht die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stamm, Klan oder Volk erforderlich. Die wesentlichen Inhalte der Religion sind kanonisiert und liegen als Heilige Schrift vor. Theologische Reflexion und metaphysische Spekulation gehören zum Wesen einer Weltreligion. Bei den meisten Weltreligionen haben sich im Laufe der Zeit religiöse Institutionen herausgebildet. Zu der Frage, wieviele Anhänger eine Religion haben muss, um als Weltreligion zu gelten, gibt es keinen Konsens. Verschiedentlich wird auch das Alter einer Religion als Kriterium genannt. Demnach werden im 20./21. Jahrhundert entstandene Religionen als „Neue religiöse Bewegungen“ bezeichnet.

Eine ganz enge Auffassung des Begriffes Weltreligion würde nur den Buddhismus, das Christentum und den Islam umfassen: der universelle Geltungsanspruch war bereits bei Gründung der Religion präsent, eine weltweite Verbreitung liegt vor, die Anzahl der Anhänger ist sehr hoch und die Religion ist bereits sehr alt.

Erweitertes Schema:

  • Daoismus (Zahl der Anhänger in fünf Staaten schwer zu erfassen, da meist vermischt mit anderen Religionen, etwa 8 Mio. Anhänger auf Taiwan, je nach Schätzung bis zu 60 Mio. Anhänger in der VR China; die Encyclopædia Britannica gibt nur knapp 3 Mio. an)
  • Bahai (etwa 7 Mio. Anhänger, weltweite Verbreitung)
  • Konfuzianismus (etwa 6 Mio. Anhänger)

Viele Wissenschaftler zählen aufgrund seiner großen Bedeutung in China und Korea auch den Daoismus dazu. Die Einordnung des Konfuzianismus ist insofern umstritten, als der religiöse Konfuzianismus nicht sehr viele Anhänger aufweist. Es wird auch darauf hingewiesen, dass das westliche Verständnis von Religion beim Konfuzianismus (der primär eine Sittenlehre ist) ohnehin nicht greift. Vereinzelt werden die Bahai aufgeführt, jedoch nur von Autoren, die nicht alle Religionen, die nach dem Sikhismus entstanden sind, grundsätzlich als „Neue religiöse Bewegungen“ klassifizieren. Ohne Zweifel handelt es sich bei den Bahai um eine Religion mit universellem Anspruch, religiösen Institutionen, Heiliger Schrift etc. Lediglich die geringe Anhängerschaft spricht gegen ein Hinzurechnen zu den Weltreligionen. Beim Sikhismus wird der universelle Anspruch in Zweifel gezogen.

Dies zeigt, dass der Begriff „Weltreligion“ nicht sehr trennscharf ist und unterschiedlich angewandt wird. In der Religionswissenschaft wird der Begriff Weltreligion aus diesem Grunde immer mehr ersetzt durch Religionen der Welt. Dieser orientiert sich primär an der Anzahl der Anhänger und schließt schriftlose Religionen nicht aus.

Religionskarte von 1881. Aus: Andrees Handatlas

Forschungsgeschichte

Der Soziologe Max Weber definiert 1915 fünf Weltreligionen: die konfuzianische, hinduistische, buddhistische, christliche und islamische Ethik. Als sechste Religion komme das Judentum mit hinzu, weil es für das Verständnis der beiden letzten Religionen wichtig sei. Auf den Daoismus geht er ein, jedoch bezeichnet er ihn als Heterodoxie (Andersglaube, Häresie) zum Konfuzianismus.

Einen sehr wesentlichen Beitrag lieferte der Religionswissenschaftler Gustav Mensching (1901-1978), der 1938 betont, dass in der Frühgeschichte des Menschen die Volksreligionen, die sich auf Familie, Sippe, Stamm oder Volk begrenzen, vorherrschend waren. Erst wenn sie den „Menschen schlechthin und nicht den bestimmten Volksgenossen“ ansprechen, werden sie zur Universal- oder Weltreligion. Universalreligionen gehen davon aus, dass sich der Einzelne in einer „generellen und existentiellen Unheilssituation“ befindet, aus der er befreit bzw. erlöst werden möchte. Im Gegensatz zu den kollektiv orientierten Frühzeitreligionen sind die Weltreligionen stärker auf das Individuum ausgerichtet. Für Mensching haben fünf Religionen diesen Status erreicht: Judentum, Christentum, Islam, Hinduismus und Buddhismus.

Der Indologe Helmuth von Glasenapp geht 1963 von acht „ethischen Hochreligionen“ (Hinduismus, Jainismus, Buddhismus, chinesischer Universismus, Parsismus, Judentum, Christentum und Islam) aus, von denen er fünf als Weltreligion beschreibt (Hinduismus, Buddhismus, den chinesischen Universismus, Christentum und Islam), da sie „zusammen neun Zehntel der religiösen Menschheit ausmachen“. Den Sikhismus betrachtet er als hinduistische Reformsekte. Unter dem Begriff „chinesischer Universismus“ fasst er Konfuzianismus und Daoismus (sowie andere relevante Aspekte der chinesischen Religiosität) zusammen.

Der Theologe Gerhard Wehr geht 2002 von sieben Weltreligionen aus (Christentum, Judentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus, Daoismus und Konfuzianismus). Er sieht Weltreligionen als Kontrapunkt zu Natur- und Stammesreligionen, die keine Trennung zwischen Gott und Welt und keine Häresie (Ketzerei) kennen. Eine genaue Begründung zur Auswahl der Religionen bringt Wehr nicht.

Der Religionswissenschaftler Manfred Hutter beschreibt 2005 ebenfalls sieben Weltreligionen (Buddhismus, Judentum, Christentum, Daoismus, Islam, Bahai und Hinduismus). Den Konfuzianismus schließt er aus, da die Anhängerzahl des religiösen Konfuzianismus zu gering sei. Den Sikhismus führt er nicht auf, da er den universellen Geltungsanspruch vermisst. Hutter weist darauf hin, dass der Begriff Weltreligion kein religionswissenschaftlicher, sondern ein (weitgehend verständlicher) Begriff des alltäglichen Sprachgebrauchs ist.

Siehe auch

Literatur

  • Gerhard J. Bellinger: Knaurs Großer Religionsführer. Droemer Knaur, München 1992, ISBN 3-426-26221-5
  • Helmuth von Glasenapp: Die fünf Weltreligionen. Diederichs Verlag, Düsseldorf 1963
  • Manfred Hutter: Die Weltreligionen. Beck Verlag, München 2005, ISBN 978-3-406-50865-3
  • Gustav Mensching: Volksreligion und Weltreligion. Leipzig 1938
  • Monika und Udo Tworuschka: Religionen der Welt. Grundlagen, Entwicklung und Bedeutung in der Gegenwart. München 1996, ISBN 3-572-00805-0
  • Monika und Udo Tworuschka: Die Welt der Religionen. Gütersloh/München 2006
  • Max Weber: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie. Tübingen 1920-1921
    • Band 1: Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus, Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus sowie Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen (Teil 1: Konfuzianismus und Taoismus) ISBN 3-8252-1488-5
    • Band 2: (Teil 2: Hinduismus und Buddhismus) ISBN 3-8252-1489-3
    • Band 3: (Teil 3: Das antike Judentum) ISBN 3-8252-1490-7
  • Gerhard Wehr: Die sieben Weltreligionen. Hugendubel Verlag, München 2002
  • Peter Koslowski: Natur und Technik in den Weltreligionen. Fink, München 2001, ISBN 3-7705-3536-7

Weblinks

Portal
 Portal: Religion – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Religion

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Weltreligionen — Weltreligionen,   Bezeichnung für jene Religionen, die im Sinne von Universalreligionen mit ihrer Botschaft universelle Geltung beanspruchen, überregionale (weltweite) Mission betreiben und/oder sich über einen größeren Teil der Erde erstrecken… …   Universal-Lexikon

  • Parlament der Weltreligionen — Parlamẹnt der Weltreligionen,   von Vertretern aller Weltreligionen u. a. Religionsgemeinschaften getragene Tagung. Das Parlament der Weltreligionen versteht sich als Forum der Begegung zwischen den Religionsgemeinschaften, das Lösungen zu… …   Universal-Lexikon

  • Institut für Weltreligionen — Das Institut für Weltreligionen (IWR) der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften (CASS) (chinesisch 中國社會科學院世界宗教研究所 / 中国社会科学院世界宗教研究所 Zhongguo shehui kexueyuan Shijie zongjiao yanjiusuo, engl. Institute of World… …   Deutsch Wikipedia

  • Yrsa von Leistner — Weltreligionen Plastik im Skulpturenpark von St. Virgil Yrsa von Leistner (* 18. Juli 1917 in München; † 12. April 2008 in Siegburg) war eine deutsche Bildhauerin und Malerin. Bekannt wurde sie vor allem durch ihre Bronzearbeiten …   Deutsch Wikipedia

  • Universalreligion — Die Welt: vorherrschende Religionen nach Staaten Bei der Bezeichnung Weltreligion handelt es sich um einen Begriff, der ein grobes Raster über vielfältige Religionen stülpt, die sich beispielsweise durch die hohe Anzahl ihrer Anhänger, die… …   Deutsch Wikipedia

  • Weltreligion — Die Welt: vorherrschende Religionen nach Staaten Bei der Bezeichnung Weltreligion handelt es sich um einen Begriff, der ein grobes Raster über vielfältige Religionen stülpt, die sich beispielsweise durch die hohe Anzahl ihrer Anhänger, die… …   Deutsch Wikipedia

  • Bahai — Das Haus der Andacht in Neu Delhi, Indien, ist der meistbesuchte Sakralbau der Bahai …   Deutsch Wikipedia

  • Hans Küng — (2009) Hans Küng (* 19. März 1928 in Sursee, Kanton Luzern) ist ein Schweizer Theologe, römisch katholischer Priester und Autor. Er ist emeritierter Professor für Ökumenische Theologie an der Eberh …   Deutsch Wikipedia

  • Religion — Christentum, Judentum, Hinduismus, Islam, Buddhismus, Shinto, Sikhismus, Bahai, Jainismus Als Religion (lat: religio, wörtlich: ‚die Rückbindung‘. Auch zurückgeführt auf religere, ‚immer wieder lesen‘, oder religare …   Deutsch Wikipedia

  • Religionen — Als Religion bezeichnet man eine Vielzahl unterschiedlicher kultureller Phänomene, die menschliches Verhalten, Handeln und Denken prägen und Wertvorstellungen normativ beeinflussen. Es gibt keine wissenschaftlich allgemein anerkannte Definition… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”