- Wilhelm Pelizaeus
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Wilhelm Pelizaeus (* 6. September 1851 in Hildesheim; † 14. Oktober 1930 ebenda) setzte sich als erfolgreicher Kaufmann, Bankier und spanischer Konsul in Ägypten für ein Altenheim in Alexandria ein und schenkte eine bedeutende Sammlung altägyptischer Kunstdenkmäler seiner Vaterstadt Hildesheim.
Leben
Die in Hildesheim ansässigen Eheleute Dr. jur. Clemens Pelizaeus und Emilie, geborene Schwarz, nannten ihr drittes Kind Wilhelm. Von 1860 bis zur Untersekunda im Jahre 1866 besuchte Wilhelm Pelizaeus das Gymnasium Josephinum in Hildesheim. Im Anschluss absolvierte er eine dreijährige Kaufmannslehre in Braunschweig. Um in der Firma seines Onkels Louis Menshausen in Alexandria Erfahrungen zu sammeln, verlässt der junge Kaufmann am 23. April 1869 Deutschland.
Einer Verpflichtung zum Militärjahr folgend, stellt er sich im Oktober 1873 in Hildesheim der Musterung. In Alexandria zurück, dessen günstiges Klima seine labile gesundheitliche Konstitution stärken soll, tritt er 1874 in ein Handels- und Bankhaus ein. Am 1. März 1878 übernimmt er in Kairo die Zweigstelle einer englischen Firma. Sie versorgt den arabischen Markt in erster Linie mit Kohle, Eisen, Glas und Textilien. Pelizaeus handelt dabei weitgehend selbstständig, schließlich auch unter eigenem Namen und kann sein Geschäft erfolgreich ausweiten. Ehrenamtliche Funktionen in der deutschen Gemeinde Kairo und ein reger barmherziger (karitativer) Einsatz sind ihm Bedürfnis und fördern sein Ansehen.
Seit etwa 1885 profitiert Pelizaeus zunehmend von guten Beziehungen zu Personen der ägyptischen Hochfinanz, von Verbindungen zu diplomatischen Kreisen und zu wirtschaftlichen Kräften in Deutschland. Ein Konsortium, dem auch Pelizaeus angehört, erhält 1889 den Zuschlag für die Erweiterung der Eisenbahnstrecke in Mittelägypten. Als Vertreter des Unternehmens Krupp organisiert er von Alexandria und Kairo aus den Transport einzuführender Güter. Nach der Realisierung des Streckenabschnitts von Girgeh bis Assiut geht auch die Konzession für den Eisenbahnbau Kenah–Assuan an einen Zusammenschluss von Unternehmen, die Pelizaeus zum Teil finanziert. Pelizaeus profitiert von weiteren Staatsaufträgen (Errichtung von Wasser- und Elektrizitätswerken, Zuckerfabrik in Kom Ombo und Förderung des Zuckerrohranbaus in großen Umfang). Er unterstützt 1898 die Gründung der National Bank of Egypt, übernimmt die Direktion und wird in den Aufsichtsrat der Hypothekenbank Crédit Foncier Egyptien gewählt. Pelizaeus übernimmt das Amt des spanischen Konsuls, das er rund zwanzig Jahre innehält.
Erste Kontakte zwischen Pelizaeus und der Orient-Mission der Borromäerinnen (Barmherzige Schwestern) in Ägypten finden wohl 1892 statt. Der Bankier ermöglicht der karitativen Kongregation den Erwerb eines Grundstücks und finanziert den Bau ihres Altenheims in Alexandria. Es wird am 22. Januar 1899 eingeweiht und existiert bis heute unter dem Namen seines Förderers. Auch in seiner Heimatstadt unterstützt Pelizaeus freigiebig Wohlfahrtseinrichtungen. Der Hildesheimer Kongregation der Barmherzigen Schwestern (Vinzentinerinnen) schenkte er 1905 für einen Erweiterungsbau des Erziehungsheims in Himmelsthür 90.000 Mark und in den folgenden Jahren zu Weihnachten jeweils 20.000.
Mit wachsendem wirtschaftlichem Erfolg boten sich dem einflussreichen Geschäftsmann zunehmend Gelegenheiten, antike Objekte zu erwerben und zu sammeln. Sein Interesse an antiker Kunst und der Geschichte Altägyptens sowie seine gesellschaftliche Stellung führten zu Bekanntschaften mit namhaften Gelehrten. Zu ihnen zählt auch ein Mitglied des Norddeutschen Bundes / Deutschen Reichstags, der Hildesheimer Senator und Naturwissenschaftler Hermann Roemer (1816–1894).
Dessen Vorhaben, ein Ägyptisches Zimmer aus dem Bestand des von ihm mitgegründetem Museum einzurichten, unterstützt Pelizaeus 1885 durch Schenkung einer bemalten Mumie. Bereits Jahre zuvor hatte er dem Museum bei gelegentlichen Besuchen seiner Heimatstadt Skarabäen und andere Schmuckstücke aus Ägypten mitgebracht. In Roemers Auftrag erwirbt Pelizaeus 1886 eine Mumie mit bemalter Kartonagenhülle samt den beiden dazugehörenden farbigen Holzsärgen.
Die von der Universität Leipzig unter Georg Steindorff (1861–1951) in den Wintermonaten der Jahre 1903 bis 1907 auf dem Pyramidenfriedhof bei Gizeh durchgeführten Grabungen werden von Pelizaeus zu einem erheblichen Teil mitfinanziert und die damit einhergehende offizielle Fundteilung bereichert seine Sammlung bedeutend. Außerdem erweitert er sie durch Ankäufe.
Pelizaeus beschließt, seine Kollektion in Deutschland öffentlich zugänglich zu machen und bietet sie seiner Vaterstadt unter bestimmten Voraussetzungen als Schenkung an. Seine Forderungen betreffen die Ausstellung der Sammlung Pelizaeus als Einheit, die Verpflichtung, für ihren Erhalt stets Sorge zu tragen und sie nicht zu veräußern. Ausdrücklich stellt er zur Bedingung, dass die Sammlung möglichst dreimal, mindestens aber zweimal wöchentlich Besuchern unentgeltlich zugänglich sein soll. Letzteres versteht er als ebenso unerlässlich wie die Vermittlung schriftlicher und mündlicher Informationen über das alte Ägypten.
Am 17. Oktober 1907 nimmt der Magistrat der Stadt Hildesheim das Angebot und die Verpflichtungen an. In unmittelbarer Nachbarschaft des Roemer-Museums entstehen durch Ankauf und Umbau des einstigen evangelischen Waisenhauses geeignete Ausstellungsräume. Nach Vorgaben und Wünschen von Pelizaeus eingerichtet, wird das Haus am 29. Juli 1911 in seiner Gegenwart feierlich eröffnet. Das neue Museum trägt seinen Namen. Im darauffolgenden November erhebt die Stadt Hildesheim Wilhelm Pelizaeus zum Ehrenbürger.
Ein weiteres Mal beteiligt sich der Mäzen an der Finanzierung einer Grabung auf dem Friedhof bei den Pyramiden von Gizeh, diesmal durchgeführt von der Akademie der Wissenschaften in Wien unter der Leitung von Hermann Junker (1877–1962). Bereits während der ersten Grabungskampagne erregt sie Aufsehen. In den zunächst unscheinbaren Resten der Mastaba des Wesirs Hemiunu entdecken die Archäologen eine lebensgroße Statue von hoher Qualität. Durch Fundteilung und glückliche Umstände kommt Pelizaeus in Besitz dieses meisterhaften Kunstwerks und kann es seinem Museum zuführen. In gleicher Weise gelangt kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges eine weitere außergewöhnliche Statue, die Schreiberfigur des Heti, nach Hildesheim.
Während der heißesten Jahreszeit bleibt Pelizaeus zumeist nicht in Ägypten. So auch im Sommer 1914. Zur Zeit der Kriegserklärung Österreich-Ungarns gegen Serbien hält er sich in Deutschland auf und darf auf Veranlassung der englischen Oberherrschaft nicht nach Ägypten zurück. Sein Eigentum in Kairo und der größte Teil seines Vermögens werden beschlagnahmt. Mit dem Verlust von Aufsichtsrats- und Direktionsposten schrumpfen seine Einkünfte. Unter den gegebenen Umständen ist er gezwungen, sich in Hildesheim niederzulassen und mit relativ bescheidenen Mitteln hauszuhalten. Als Untermieter bewohnt er eine Dachkammer und findet sich sonntags regelmäßig in dem von ihm einst großzügig finanzierten Heim in Himmelsthür ein. Er widmet sich ganz der Museumsarbeit, die er während der schwierigen Kriegs- und Inflationsjahre weiterhin fördert, als er für sein in Ägypten beschlagnahmtes Vermögen eine Entschädigung erhielt.
1921 zeichnet die Universität Göttingen Wilhelm Pelizaeus wegen seines erfolgreichen Einsatzes zugunsten der Wissenschaft durch Verleihung der Ehrendoktorwürde aus. Noch einmal nach Ägypten zu reisen, bleibt ihm versagt.
Literatur
- Hans Kayser: Das Pelizaeus-Museum in Hildesheim. Hamburg 1966 (Kulturgeschichtliche Museen in Deutschland, Bd. 9)
- Bettina Schmitz: Ägypten in Hildesheim – Aus der Geschichte des Pelizaeus-Museums. In: Arne Eggebrecht (Hrsg.): Pelizaeus-Museum Hildesheim – Die Ägyptische Sammlung. Mainz 1992. S. 8 ff, ISBN 3-8053-1569-4 (Museumsausgabe) / ISBN 3-8053-1579-1 (geb. Doppelheft der Zeitschrift „Antike Welt“)
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