Wilhelmine Reichard

Wilhelmine Reichard
Wilhelmine Reichard, Lithografie von Adolf Kunike, etwa 1820.
Heißluftballon D-OBDD „Wilhelmine Reichard“ in Fahrt über Dresden.

Johanne Wilhelmine Siegmundine Reichard, geb. Schmidt (* 2. April 1788 in Braunschweig; † 22. Februar 1848 in Döhlen[1]), war die erste Ballonfahrerin Deutschlands.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Wilhelmine Schmidt, genannt Minna, war die Tochter eines herzoglich Braunschweigischen Mundschenks. Kindheit und Jugend verlebte sie in Braunschweig. 1806 heiratete sie den Aeronauten Johann Gottfried Reichard, der Professor für Physik in Braunschweig war. Sie hatten acht gemeinsame Kinder. Beide teilten die Leidenschaft für die Luftschifffahrt und bauten zusammen einen Gasballon, mit dem sie 1810 gemeinsam in Berlin starteten.[1] Am 16. April 1811[1] unternahm sie ihre erste Alleinfahrt in einem Ballon. Sie startete im Garten der Berliner Königlichen Tierarzneischule und landete im rund 30 km entfernten Genshagen. Am 30. September 1811 folgte die dritte Ballonfahrt von Dresden aus. Sie erreichte dabei eine Höhe von 7000 m.

Trotz mehrerer Bruchlandungen unternahm sie weiterhin Ballonfahrten von allen größeren deutschen Städten aus. So fuhr sie am 9. August 1818 von Braunschweig aus über Wolfenbüttel in Richtung Asse und Harz. Schließlich wurde sie in Richtung Königslutter abgetrieben und landete bei Lehre.[1]

Bis 1820 führte sie 17 Fahrten aus, die sie auch zu wissenschaftlichen Zwecken nutzte. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin ihres Gatten war sie auch auf dem Gebiet der Chemie tätig. Sie führte unter anderem Wetterbeobachtungen und Temperaturmessungen durch. Bei einer Ballonfahrt stieg sie dabei so hoch, dass sie wegen Sauerstoffmangels bewusstlos wurde. Der Ballon platzte, stürzte ab und blieb in einigen jungen Fichten hängen. Reichard überlebte mit einigen Verletzungen und stieg fünf Jahre später erneut auf. Ihre letzte Fahrt fand zum zehnten Oktoberfest in München statt.

1814 übersiedelte sie nach Döhlen, wo sie bis zu ihrem Tode wohnte. Das Geld, das sie mit ihren Ballonfahrten verdiente, investierte sie in die 1821 gekaufte chemische Fabrik ihres Mannes. Nach dessen Tode 1844 führte sie sie noch vier Jahre bis zu ihrem eigenen Tod weiter.[2] Sie starb 1848 an einem Schlaganfall. Ihre Grabstätte befindet sich auf dem Friedhof Freital-Döhlen.

Werk

Am 19. September 1818 erschien Wilhelmine Reichards Beschreibung ihrer Erlebnisse als Luftschifferin im Braunschweigischen Magazin unter dem Titel Geschichte meiner Luftreise.[3]

Ehrungen

Ballonfahrt Oktoberfest München 1820
  • Reichard diente Karl May als ein Vorbild für seine Figur Wanda. Im IV. Kapitel der gleichnamigen Erzählung von 1875 verwertete May die turbulenten Ereignisse vom 30. September 1811.[4][5]
  • 1978 gab die Deutsche Bundespost eine Jugendbriefmarke mit Reichards Ballonfahrt 1820 auf dem Münchener Oktoberfest aus.
  • Ihr Haus in Freital wurde seit 1998 von dem Dresdner Ballonfahrer Mathias Schütze rekonstruiert.
  • Am Flughafen Dresden und am ehemaligen Flugplatz Gatow im Fliegerviertel von Berlin-Spandau sind Straßen nach ihr benannt.
  • Am Wachberg bei Saupsdorf wurde am 30. September 2011 anlässlich des 200. Jahrestages ihrer dortigen Notlandung eine Gedenktafel enthüllt.[6]

Literatur

  • Gabriele Armenat (Hrsg.): Frauen aus Braunschweig. 3. erheblich erweiterte und verbesserte Auflage, Braunschweig 1991, S. 51–54.
  • Ernst Probst: Königinnen der Lüfte in Deutschland. Biografien berühmter Fliegerinnen, Ballonfahrerinnen, Luftschifferinnen und Fallschirmspringerinnen. GRIN Verlag, 2010, ISBN 3-640-67757-9, S. 95–99.
  • Wilhelmine Reichard: Digitalisat Geschichte meiner Luftreise. In: Braunschweigisches Magazin. 38. Stück, Sonnabends, den 19ten September 1818, Spalte 593–600.
  • Elisabeth Reifenstein: Johanne Wilhelmine Siegmundine Reichard. In: Horst-Rüdiger Jarck, Günter Scheel (Hrsg.): Braunschweigisches biographisches Lexikon. 19. und 20. Jahrhundert. Hahn, Hannover 1996, ISBN 3-7752-5838-8, S. 479f.
  • Heide Monjau: Wilhelmine Reichard – erste Ballonfahrerin 1788 bis 1848. „Gleich einem Sonnenstäubchen im Weltall …“ Eine dokumentarische Biographie. Monjau, Freital 1998, ISBN 3-00-003051-4.
  • G. Reichard: Beschreibung der von Wilhelmine Reichard, geb. Schmidt, unternommenen dritten Luftreise. Gärtner, Dresden 1811 (Auch Faksimile: Archiv-Verlag, Braunschweig 1998).

Einzelnachweise

  1. a b c d Elisabeth Reifenstein: Johanne Wilhelmine Siegmundine Reichard. In: Horst-Rüdiger Jarck, Günter Scheel (Hrsg.): Braunschweigisches biographisches Lexikon. 19. und 20. Jahrhundert. S. 479.
  2. Elisabeth Reifenstein: Johanne Wilhelmine Siegmundine Reichard. In: Horst-Rüdiger Jarck, Günter Scheel (Hrsg.): Braunschweigisches biographisches Lexikon. 19. und 20. Jahrhundert. S. 480.
  3. Wilhelmine Reichard: Geschichte meiner Luftreise. In: Braunschweigisches Magazin. 38. Stück, Sonnabends, den 19ten September 1818, Spalte 593–600 (Digitalisat).
  4. René Grießbach: Wanda und Wilhelmine. In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft 169/2011, S. 5-15.
  5. Karl May: Wanda. In: Der Beobachter an der Elbe 2. Jg., 1875, Nr. 26-44.
  6. Saupsdorfer ehren Ballonfahrerin, "Sächsische Zeitung Online" (Kostenpflichtig)

Weblinks



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