Beichtzettel

Beichtzettel

Als Beichtzettel (Schedula confessionis)[1] wird im Katholizismus seit dem Konzil von Trient (1545–1563)[2] die vom Beichtvater ausgestellte Bescheinigung einer abgelegten Beichte bezeichnet.

Mathias Schmidt: Ablieferung des Beichtzettels, Radierung, Die Gartenlaube, 1874

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Beichtzettel als politisch-religiöses Kontrollinstrument spielte vor allem ab der Gegenreformation eine bedeutende Rolle.[3] Da die Rekatholisierung nicht ohne Zwang erfolgte, musste die Einhaltung des Kirchengebots „Das Kirchenmitglied soll wenigstens einmal im Jahr, möglichst in der österlichen Zeit, das Bußsakrament empfangen.“[4] überprüfbar gemacht werden.[5] Dies erfolgte über die Ausstellung von Beichtzetteln durch vertrauenswürdige Geistliche (meist Dominikaner und Franziskaner).[6]

In der Praxis überreichte nach der Beichte in der Osterzeit der Priester dem Beichtenden ein Bildchen mit umseitigen lateinischen, seit Mitte des 19. Jahrhunderts landessprachigen Text, zum Nachweis der abgelegten Beichte. Sobald die Fastenzeit vorbei war, führte man in den Pfarreien die Beichtzettelsammlung oder „Seelenbeschreibung“ durch, bei der ein vertrauenswürdiger Geistlicher durch die Straßen ging und die Haushalte kontrollierte. So sammelte er jeweils einen abtrennbaren Abschnitt als Beleg ein. In diesem Zuge überreichte man ihm kleinere Geldbeträge („Beichtkreuzer“, „Beichtpfennige“, „Beichtgroschen“) oder Naturalien.

In einigen Städten Böhmens wurden im Zuge der kirchlichen Restauration die Beichtzettel von den Jesuiten und den Kapuzinern[7] dann dem jeweiligen Stadthauptmann abgeliefert, um somit die Reformierten aus Handel und Gewerbe ausschließen zu können.[8] Anderen Reformierten gelang es jedoch mit gekauften Beichtzetteln die Kommissionen zu täuschen.[9]

Allerdings erwies sich während des 17. Jahrhunderts unter anderem in Böhmen und der Prager Neustadt der widerrechtliche und ausufernde Handel mit Beichtzetteln durch manche Geistliche als einträgliches Geschäft, das weit über die im Alpenraum übliche Ablieferung des Ostergroschens hinausging und daher die Kirche und Staat mit hohen Geldstrafen von bis 10 Prozent des Besitzes zu unterbinden versuchten.[10] In einem Fall wurde 1631 sogar die Todesstrafe gegen einen katholischen Geistlichen in Prag ausgesprochen, der Reformierten mit im großen Stil verkauften Beichtzetteln die Täuschung ermöglicht hatte. Wie der Stadtpfarrer wurden auch sie zum Tode verurteilt.[11]

In Frankreich kam es wegen des Handels mit Beichtzetteln in der Auseinandersetzung mit dem Jansenismus zu heftigen Konflikten.[12] Reisende des frühen 19. Jahrhunderts beschwerten sich in in ihren Berichten über den beklagenswerten Handel mit Beichtzetteln in Spanien, den dort selbst Prostituierte vornehmen würden.[13]

Gegen den selbst unterschwelligen Handel mit Beichtzetteln in Verbindung mit Beichtkreuzern und Beichtpfennigen bildete sich sowohl in der katholischen Laienbewegung als auch bei den Theologen eine Gegenbewegung Mitte des 19. Jahrhunderts, die einfach mit den Worten der Synode von Trier von 1549 argumentierte: „Für die Ausspendung der heiligen Taufe und Buße soll der Pfarrer Nichts verlangen; freiwillige Gaben kann er annehmen.“[14]

Der Kontrollaspekt des Beichtzettels hatte vor allem in ländlichen Gebieten bis ins 20. Jahrhundert eine gewisse, sich allerdings langsam abschwächende Bedeutung. In Österreich kontrollierten die Bauern damit ihr Gesinde.[15] [16] Dabei soll es teilweise zu einen regelrechten Schwarzhandel mit Beichtzetteln gekommen sein: Mesner veräußerten im südlichen deutschen Sprachraum Beichtzettel „unter der Hand“ und fleißige Beichtgeher verkauften sie an weniger fromme Mitbürger.[17] [18]

Durch Beichtbildchen in Polen mit Imprimatur, die angebliche jüdische Altarschänder anklagten, für die zu Gott gebetet werden sollte,[19] wurde der Antisemitismus in Lodz nach dem schweren Pogrom von Przytyk 1936[20] sogar noch verstärkt.

Noch heute gibt es „Beichtbildchen“[21] bzw. „Osterbildchen“, vornehmlich aus bestimmten Anlässen (Beichte in der österlichen Zeit, bei Wallfahrten etc.). Diese Bildchen sind von der Größe her als Einlage ins Gesang- oder Gebetbuch geeignet. Auf der Vorderseite ist meist ein Heiligenbild, ein Bildnis Jesu oder ein Marienbildnis, auf der Rückseite sind ein geistlicher Text als Anleitung zum Gebet des Gläubigen und die Daten aufgedruckt. Beichtzettel und -bildchen stellen auch ein Objekt der kulturhistorischen Sammlertätigkeit dar.[22]

Siehe auch

Sterbebildchen

Literatur

  • Gertraud K. Eichhorn: Beichtzettel und Bürgerrecht in Passau 1570 - 1630, Passau 1997
  • Ernst J. Huber: Beichtzettel. Funktionen kirchlicher Gebrauchsgraphik bei den Ostersakramenten. In: Jahrbuch für Volkskunde NF 6 (1983), S. 182–207.
  • Bernhard Kittl: Der Beichtzettel im Wandel der Zeit, Edition Tirol, Reith im Alpbachtal 1999
  • Franz Kohlberger: Österliche Beichtzettel. In: Sammler Journal Nr. 4 / April 1982, S. 286–291
  • Rupert Maria Scheule: Beichten. Autobiographische Zeugnisse zur katholischen Bußpraxis im 20. Jahrhundert. Böhlau, Wien 2001

Weblinks

 Wikisource: Ablieferung des Beichtzettels – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Friedrich Hauck, Gerhard Schwinge: Theologisches Fach- und Fremdwörterbuch : mit einem Verzeichnis von Abkürzungen aus Theologie und Kirche und einer Zusammenstellung lexikalischer Nachschlagewerke. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002, S. 178.
  2. Manfred Heim: Von Ablass bis Zölibat: kleines Lexikon der Kirchengeschichte. C.H. Beck, München 2008, S. 51.
  3. Dietmar Schiersner: Politik, Konfession und Kommunikation: Studien zur katholischen Konfessionalisierung der Markgrafschaft Burgau 1550–1650. Akademie Verlag, Berlin 2005, S. 363.
  4. Codex Iuris Canonici, Can. 989.
  5. Zitiert nach: Michael Vennemann: Fürchte dich nicht, Petrus Romanus. Teil 2, Hamburg 2008, S. 468.
  6. Vgl.: Reinhard Kittl: Der Beichtzettel im Wandel der Zeit. Edition Tirol, Reith im Alpbachtal 1999.
  7. Rupert Klieber: Basisbewegung oder Instrument kirchlicher Domestizierung? Charakteristica und Dimensionen des neuzeitlichen Bruderschaftswesens im süddeutschen Raum. In: Rudolf Leeb, Thomas Winkelbauer: Staatsmacht und Seelenheil: Gegenreformation und Geheimprotestantismus in. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, S. 161ff., hier: S. 179.
  8. Martin Heckel: Deutschland im konfessionellen Zeitalter. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1983, S. 134.
  9. Christian Adolph Pescheck: Geschichte der Gegenreformation in Böhmen: nach Urkunden und anderen gleichzeitigen Quellen bearbeitet, Band 2. Arnold, Leipzig 1850, S. 179.
  10. Joachim Bahlcke: Glaubensflüchtlinge : Ursachen und Auswirkungen konfessioneller Migration im frühneuzeitlichen Osteuropa. LIT Verlag, Münster 2007, S. 181.
  11. Arno Herzig: Der Zwang zum wahren Glauben: Rekatholisierung vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2000, S. 198.
  12. Georg May: Das Recht des Gottesdienstes in der Diözese Mainz zur Zeit von Bischof Joseph Ludwig Colmar, 1802–1818. B.R. Grüner, Amsterdam 1987, FN 8, S. 569.
  13. Johannes Ignaz Weitzel: Beitrag zur Geschichte der Sitten und Gebäuche der Spanier. Aus dem Französischen. In: Nicolaus Vogt, Johannes Ignaz Weitzel (Hrsg): Rheinisches Archiv für Geschichte und Litteratur, Band 6, 10. Heft, Mainz 1811, S. 122ff., hier S. 159.
  14. Der Prediger und Katechet. Eine praktische, katholische Zeitschrift für Prediger und Katecheten auf dem Lande und in kleinerern Städten. Unter Mitwirkung mehrerer katholischer Geistlichen herausgegeben. von Ludwig Mehler Band 5, Verlag von Georg Joseph Manz, Regensburg 1855, S. 610.
  15. Für die Praxis in Österreich: Berthold Unfried: "Ich bekenne": katholische Beichte und sowjetische Selbstkritik. Campus, Frankfurt/Main New York 2004, S. 40.
  16. Norbert Ortmayr: Ländliches Gesinde in Oberösterreich 1918–1938. In: Josef Ehmer; Michael Mitterauer: Familienstruktur und Arbeitsorganisation in ländlichen Gesellschaften. Böhlau Verlag, Wien 1986, S. 325ff., hier: FN 210, S. 392.
  17. Bernhard Kittl: Der Beichtzettel im Wandel der Zeit, Edition Tirol, Reith im Alpbachtal 1999, S. 25.
  18. Berthold Unfried: "Ich bekenne": katholische Beichte und sowjetische Selbstkritik. Campus, Frankfurt/Main New York 2004, S. 40.
  19. Georg W. Strobl: Das multinational Lodz, die Textilmetropole Polens, als Produkt von Migration und Kapitalwanderung. In: Hans-Werner Rautenberg (Hg.): Wanderungen und Kulturaustausch im östlichen Mitteleuropa Forschungen zum ausgehenden Mittelalter und zur jüngeren Neuzeit. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2006, S. 163ff., hier: S. 205.
  20. Zur Wirkung des Pogroms auf die Juden in Polen: Joseph Marcus: Social and political history of the Jews in Poland, 1919–1939. Walter de Gruyter, Berlin/New York 1983, S. 395f.
  21. Kurt Bauer: Bauernleben: vom alten Leben auf dem Land. Böhlau Verlag, Wien 2007, S. 32.
  22. http://www.sammeln.at/antiquitaeten/volkskunst.htm

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