Wirtschaftspsychologie

Wirtschaftspsychologie

Das Forschungsgebiet der Wirtschaftspsychologie (engl. economic psychology, behavioral economics, v. a. aber (insbes. bei seriösen, APA akkreditierten Studiengängen) Industrial and Organizational Psychology oder im britischen Raum Occupational Psychology) beschäftigt sich mit dem subjektiven Erleben und dem Verhalten von Menschen im ökonomischen Umfeld sowie den sozialen Zusammenhängen. Als Teilgebiet der angewandten Psychologie überträgt die Wirtschaftspsychologie psychologische Erkenntnisse auf wirtschaftliche Fragestellungen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte der Wirtschaftspsychologie

Die Wirtschaftspsychologie entwickelte sich in drei „Wellen“:

  • Hugo Münsterberg (1912) gilt im deutschsprachigen Raum als „Vater der Wirtschaftspsychologie“.[1][2] Er setzte den Schwerpunkt auf eine empirisch-experimentell ausgerichtete Forschung, die vor allem die sozialpsychologische Forschung bis heute prägt.
  • Die zweite Welle wurde von George Katona (1951) in den USA und P.L. Reynaud (1954) in Frankreich angestoßen, die sich in erster Linie Makro-ökonomischen Prozessen widmeten. Vor allem Reynaud betonte, wie wichtig eine Theorienbildung sei und kritisiert den „Warenhaus-Charakter“ der Wirtschaftspsychologie seiner Zeit.
  • Neben der anglo-amerikanischen „economic psychology“ in der Tradition von Kantona hat sich im deutschsprachigen Raum seit den 1980er Jahren eine Wirtschaftspsychologie entwickelt, die vornehmlich sozialpsychologische Erkenntnisse nutzt, um wirtschaftliches Verhalten zu erklären und vorherzusagen.[3]

Einsatzgebiete von Wirtschaftspsychologen

Wirtschaftspsychologen verfügen über ein breites Spektrum an Einsatzmöglichkeiten. Typische Einsatzgebiete von Wirtschaftspsychologen liegen in Personalabteilungen, im Personalmanagement, in Marktforschung und Marketing, in Personal- und Unternehmensberatungen, oder als selbständiger Berater, Trainer oder Coach.

Zu den Aufgabengebieten des Wirtschaftspsychologen zählen u. a.:

Studienangebote

Wirtschaftspsychologie ist ein Teilgebiet der angewandten Psychologie und kann an vielen Hochschulen studiert werden. Dabei gibt es entweder die Möglichkeit, Wirtschaftspsychologie als Schwerpunkt im Rahmen eines Studiengangs Psychologie zu wählen (früher als Diplom-Studiengang, heute wegen Bologna als Bachelor/Master), oder sich aber Wirtschaftspsychologie von vornherein im eigenständigen Master/Bachelor-Studiengang zu immatrikulieren. Sowohl öffentliche als auch private Hochschulen bieten diesen Ausbildungsgang an.

Die Ausbildung für Wirtschaftspsychologen/innen in akkreditierten Hochschulen für Wirtschaftspsychologie umfasst zum einen eine fundierte Grundlagenausbildung in allgemeiner Psychologie, Sozial- und Persönlichkeitspsychologie, sowie in Methodenlehre und Statistik.

Teilgebiete

Zu den großen Teilgebieten der Wirtschaftspsychologie zählen:

• Die Organisationspsychologie und die Personalpsychologie als Forschungsgebiet, das sich mit dem Erleben und Verhalten von Personal in Beruf und in Organisationen beschäftigt [5] [6] mit den Teilbereichen u. a. Personalentwicklung, Personalauswahl, Personaleinsatz, Personalbeurteilung, Organisationsentwicklung (auch Change Management), Coaching. Früher wurde von der Betriebspsychologie gesprochen.

• Die Marktpsychologie beschäftigt sich mit dem Erleben und Verhalten von Menschen, die an einem Markt teilnehmen. Hierunter fallen u. a. Verkaufspsychologie, Handelspsychologie, Konsumpsychologie, Werbepsychologie und Marktforschung.[7]

• Die Arbeitspsychologie als Forschungsgebiet, das sich mit der psychologischen Analyse, Bewertung und Gestaltung von Arbeitstätigkeiten befasst u. a. Gesundheitsförderung, Einsatzberatung, Beurteilung, Arbeitsaufgaben, Arbeitsorganisation .[8]

• Die Führungspsychologie als Gebiet der Forschung vom Erleben und Verhalten von Menschen im Rahmen der ziel- und situationsbezogenen Beeinflussung durch Führungskräfte im Führungsprozess. Das Hauptziel der Führungspsychologie besteht in der Gewinnung aussagefähiger Führungstheorien. [9][10]

• Die Finanzpsychologie als jüngeres Forschungsgebiet vom Erleben und Verhalten der Menschen an Geldmärkten, u. a. das Verhalten von Klein- und Großaktionären an der Börse, Verhalten von Managern bei Investitionsentscheidungen.[11]

Eine eher volkswirtschaftlich orientierte Sichtweise ist die Psychologie gesamtwirtschaftlicher Prozesse.[12]

Siehe auch

Literatur

  • Brandenburg, T. & Thielsch, M. T. (Hrsg.) (2009). Praxis der Wirtschaftspsychologie: Themen und Fallbeispiele für Studium und Praxis. Münster: Monsenstein und Vannerdat. ISBN 978-3-86582-991-7 Website
  • Günther, U. (1999): Psychologie an Fachhochschulen - Studiengänge, Theorie-Praxis-Verhältnis, Hochschulreform. Lengerich: Pabst Science Publishers.
  • Kirchler, E.M. (2003): Wirtschaftspsychologie, 3. Aufl., Göttingen. ISBN 978-3801712525
  • Klauk, B. & Stäudel, T. (Hrsg.) (2007): Studienführer Wirtschaftspsychologie (Business Psychology). Lengerich: Pabst Science Publishers. ISBN 978-3899673463
  • Moser, K. (2007). Wirtschaftspsychologie. Berlin: Springer. ISBN 978-3-540-71636-5
  • Pelzmann, L. (2006): Wirtschaftspsychologie, 4. Aufl., Wien u.a.
  • Schenk, H.-O. (2007): Psychologie im Handel, 2. Aufl., München-Wien, ISBN 978-3-486-58379-3
  • Stäudel, T & Günther, U. (2004): Die FH-Studiengänge Wirtschaftspsychologie haben sich bewährt. Wirtschaftspsychologie aktuell, 4, S. 60 - 65.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Dorsch, 1994
  2. Wiswede, G. (2000): Wirtschaftspsychologie, 3. Aufl., Stuttgart.
  3. C. Graf Hoyos et al. 1987
  4. Melles, T. (2009). Tätigkeitsfelder von Psychologen in der institutionellen Marktforschung. In T. Brandenburg & M. T. Thielsch (Hrsg.), Praxis der Wirtschaftspsychologie: Themen und Fallbeispiele für Studium und Praxis (S. 27-42). Münster: Monsenstein und Vannerdat. PDF
  5. Schuler, H.(Hrsg.)(2006): Lehrbuch der Personalpsychologie, Göttingen: Hogrefe.
  6. Weinert, A.B. (2004): Organisations- und Personalpsychologie, 5. Aufl., Weinheim/Basel: Beltz.
  7. Felser, G. (2001): Werbe- und Konsumentenpsychologie, Heidelberg: Spektrum
  8. Moser, K. (2007): Wirtschaftspsychologie, Berlin
  9. Liebel 1978
  10. Neuberger, O. (2002): Führen und führen lassen, Stuttgart: UTB
  11. Frey, D., von Rosenstiel, L. von & Hoyos C. G. (Hrsg.) (2005): Wirtschaftspsychologie, Weinheim: Beltz PVU
  12. Kirchler 1995

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