Wortpalindrom

Wortpalindrom

Ein Palindrom (von griechisch Παλίνδρομος (palíndromos) „rückwärts laufend“) ist eine Zeichenkette, die von vorn und von hinten gelesen gleich bleibt. Palindrome müssen nicht immer einen Sinn ergeben, die Zeichenkette muss allerdings von vorne nach hinten und von hinten nach vorne bezüglich der Reihenfolge der verwendeten Zeichen übereinstimmen.

Verwandt zum Palindrom ist das Ambigramm, bei dem sich meist nach einer 180°-Drehung noch dasselbe Wort ergibt. Gelegentlich werden auch Ananyme fälschlich als Palindrome bezeichnet.

Laut Guinness-Buch der Rekorde von 1997 lautet das längste deutsche Ein-Wort-Palindrom Reliefpfeiler (dt. für Pilaster). Dieses Wortpalindrom besitzt als kunstgeschichtlicher Terminus keine besondere Bedeutung. Das Kompositum gilt aber als bemerkenswertes, weil langes Palindrom in der deutschen Sprache und wird als Beispiel bereits in Meyers Großes Konversations-Lexikon von 1905 erwähnt.[1] Seine „Entdeckung“ wird häufig dem Philosophen Arthur Schopenhauer zugeschrieben – eine Behauptung, die näherer Überprüfung allerdings nicht standhält.[2] Länger als Reliefpfeiler ist jedoch das Wort Retsinakanister. Als längstes Wortpalindrom der Alltagssprache gilt das finnische Saippuakivikauppias.

Palindrome müssen nicht zwangsläufig nur aus Buchstaben bestehen. So gibt es etwa Musik-Palindrome, also Musikstücke, die sich vorwärts wie rückwärts gespielt gleich anhören oder Zahlenpalindrome, die von vorn oder hinten gesehen den gleichen Wert ergeben (etwa 2442). Primzahlen wiederum, die, im Gegensatz zu Primzahlpalindromen, rückwärts gelesen neue Primzahlen ergeben (also keine Palindrome sind), nennt man Mirpzahlen. Ferner existieren noch Datumspalindrome, z. B. der 10.02.2001, und Zeitpalindrome, z. B. 13:31.

In der Genetik spielen palindromische Sequenzen eine Rolle für die Konformation der DNA.

Inhaltsverzeichnis

Beispiele

Wortpalindrome

Siehe auch: Deutsche Wortpalindrome.

Otto, Reittier und Rotor sind zusätzlich Morsecode-Palindrome, da sie ausschließlich aus symmetrischen Morsezeichen bestehen. Es existieren Morsecodepalindrome, die in lateinischen Buchstaben keine Palindrome mehr sind. Die Wörter du (— · ·, · · —), an (· —, — ·) oder je (· — — —, ·) sind hingegen reine Morsecodepalindrome.

selbstbeschreibend

  • egale Lage

Satzpalindrome

  • Die Liebe ist Sieger; stets rege ist sie bei Leid.
  • Eine güldne, gute Tugend: Lüge nie!
  • Erika feuert nur untreue Fakire.
  • Ein Neger mit Gazelle zagt im Regen nie.
  • Ein Esel lese nie.
  • O Genie, der Herr ehre Dein Ego!
  • Trug Tim eine so helle Hose nie mit Gurt?

Siehe auch: Deutsche Satzpalindrome.

Sonstiges

  • 1968 schuf der Künstler André Thomkins, gemeinsam mit anderen, Palindrome, die in der Ausführung von Straßenschildern an der Außenwand des Restaurants des Eat Art Künstlers Daniel Spoerri angebracht waren. Sie behandelten hauptsächlich, teils absurd, im weitesten Sinn das Thema „Essen und Kochen“ („pur ist sirup“, „bürle knurre grub milch – limburger runkelrüb“ (ch = 1 Buchstabe), „dreh mit forelle teller oft im herd“ und viele andere mehr). Im Innern der Altstadtgaststätte fanden sich weitere Palindrome. Das Lokal am Düsseldorfer Burgplatz existiert nicht mehr, mehrere Dutzend der Palindrom-Schilder sind heute im Il Giardino di Daniel Spoerri, einem in der südlichen Toskana gelegenen Kunst- und Skulpturenpark, zu besichtigen.[3][4]
  • Der Musiker „Weird Al“ Yankovic nahm eine Parodie auf Bob Dylans „Subterranean Homesick Blues“ auf, bei der jede einzelne Textzeile ein Satzpalindrom bildet.
  • Der französische Schriftsteller Georges Perec verfasste Palindrome von weit mehr als 1000 Wörtern in Form von Briefen oder Gedichten, die vollständig rückwärts gelesen werden können.

Palindrome in der Informatik

In der theoretischen Informatik, genauer: der Theorie der formalen Sprachen, wurde ein mathematischer Formalismus zum Umgang mit Zeichenketten entwickelt.

Die Definition, dass ein Palindrom ein Wort ist, welches rückwärts geschrieben wieder das gleiche Wort ergibt, schreibt sich nun formal so:

Definition

Ein Palindrom ist ein Wort u \in \Sigma^* mit der Eigenschaft

u = uR,

wobei uR bedeutet, dass der Operator .R der Spiegelung (bzw. Umkehrung der Reihenfolge) auf das Wort u angewandt wird. Beachte, dass ein Palindrom hier keinen Sinn ergeben muss, das entsprechende Wort muss lediglich symmetrisch um seine Mitte aufgebaut sein, wie der folgende Abschnitt zeigt.

Symmetrische Zerlegung

Dabei gilt

u = v\,v^R = w^R\,w,

falls | u | (Wortlänge) gerade ist, bzw.

u = v\,c\,v^R = w^R\,c\,w,

falls | u | ungerade ist, wobei v, w \in \Sigma^* (endliche Wörter) und c \in \Sigma (ein Zeichen des Alphabets) ist.

Dies sieht man jeweils durch Einsetzen, z. B.:

u^R = (v\,c\,v^R)^R =(v^R)^R\,c^R\,v^R = v\,c\,v^R = u

beispielsweise kann man

u = GNUDUNG

zerlegen mit

v = GNU und c = D,

so dass

u = v\,c\,v^R = \mbox{GNU}\,\mbox{D} \left(\mbox{GNU}\right)^R = \mbox{GNUDUNG}.

Erkennung von Palindromen

Die Sprache

L = \{ v v^R | v \in \Sigma^* \}

(die Menge der endlichen Wörter gerader Wortlänge, welche Palindrom sind) ist nicht regulär, d.h. man kann keinen regulären Ausdruck angeben, welcher L spezifiziert, bzw. kein endlicher Automat (also eine Maschine mit endlichem Speicher) schafft es L zu erkennen (zu entscheiden, ob ein Wort zur Sprache gehört, oder nicht).

Da beliebig lange, wenn auch endliche, Wörter untersucht werden müssen, ist dafür potentiell unendlich viel Speicher nötig. Man kann zeigen, dass ein Kellerautomat zur Erkennung ausreicht, z. B. indem man konkret eine kontextfreie Grammatik angibt.

Definition (induktiv)

  1. Das leere Wort ε (das Wort der Länge 0, der „Leerstring“) ist ein Palindrom.
  2. Ist a ein Zeichen, so ist das Wort a ein Palindrom. (Ein Zeichen und ein Wort der Länge 1, welches nur dieses Zeichen enthält sind technisch gesehen unterschiedliche Objekte)
  3. Ist a ein Zeichen und x ein Palindrom, so ist axa ein Palindrom.
  4. Nichts ist ein Palindrom, außer es folgt aus den obigen drei Regeln.

Kontextfreie Grammatik für Palindrome

Die obige induktive Definition ist der Ausgangspunkt für die Konstruktion einer kontextfreien Grammatik für Palindrome.

Zuerst wird eine intuitiv verständliche Produktion für Palindrome vorgestellt. Diese genügt aber rein formell nicht den Ansprüchen einer kontextfreien Grammatik in der Normalform. Weiter unten wird eine formell korrekte kontextfreie Grammatik für Palindrome vorgestellt.

Vereinfachte anormale Produktion

Vereinfacht kann man z. B. alle Palindrome über dem Alphabet Σ = {0,1} (Binärwörter) mit diesen Produktionen ableiten:

S \to 0\,|\,1\,|\,\epsilon
S \to 0S0\,|\,1S1

D.h. aus dem Startsymbol S kann man sofort die Palindrome ε (leeres Wort), 0 und 1 erzeugen. Die restlichen Palindrome erhält man, indem man zunächst symmetrisch in beide Richtungen wächst und dann in einem der erstgenannten Wörter (genauer: Terminale) endet.

Z. B.

S \Rightarrow 0S0 \Rightarrow 01S10 \Rightarrow 011S110 \Rightarrow 011\epsilon\ 110 = 011110

oder

S \Rightarrow 0S0 \Rightarrow 010.

Es ist zu beachten, dass in der Regel 010 ein gültiges Binärwort (eine Zeichenkette), aber keine gültige Binärzahl (eine Zahl in Binärdarstellung) ist, weil dort führende 0 Zeichen nicht erlaubt sind (010 müsste auf 10 reduziert werden).

Normalform

Eine formell korrekte Produktion einer kontextfreien Grammatik in Normalform kennt keine Regel, bei der das Startsymbol reproduziert wird, wenn dies gleichzeitig einen Übergang zu einem leeren Wort ermöglicht. Diese Einschränkung erfordert hier den Übergang in einen weiteren Zustand A, von dem aus weiterproduziert wird.

Eine weitere Definition einer kontextfreien Grammatik für die Erzeugung von Palindromen über dem Alphabet Σ = {0,1} lautet also:

G = ({S,A},{0,1}),P,S)

mit den Produktionsregeln P:

S \to 0\,|\,1\,|\,00\,|\,11\,|\,\epsilon
S \to 0A0\,|\,1A1
A \to 0A0\,|\,1A1
A \to 0\,|\,1\,|\,00\,|\,11

Die erzeugte Sprache ist mit der obigen identisch.

Z. B.

S \Rightarrow 0A0 \Rightarrow 01A10 = 011110

oder

S \Rightarrow 0A0 = 010

Einzelnachweise und Fußnoten

  1. online unter http://zeno.org/Meyers-1905/A/Palindr%C5%8Dm
  2. vgl. die Nachforschungen im Blogeintrag Schopenhauer und die Palindrome unter http://blog.trauerfreuart.de/2008/05/schopenhauer-und-die-palindrome.html, abgerufen 2009-02-21
  3. http://www.thomkins.com/ www.thomkins.com
  4. http://blog.trauerfreuart.de/2007/12/andre-thomkins-palindrome-auf.html Andre-Thomkins-Palindrome

Literatur

  • John E. Hopcroft und Jeffrey Ullman: Introduction to Automata Theory, Languages and Computation. Addison-Wesley, 1979, ISBN 0-201-02988-X (die alte Version, mit mehr Anspruch)
  • Hansgeorg Stengel: AnnasusannA. Berlin 2004, ISBN 3359014847

Siehe auch

Weblinks


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