Württembergisches Landrecht

Württembergisches Landrecht

Das Württembergische Landrecht ist eine Kodifikation des Prozess- und Zivilrechts für das Herzogtum Württemberg im 16. Jahrhundert.

Inhaltsverzeichnis

Ausgangslage

Die Initiative, ein Landrecht für Württemberg zu schaffen, ging Anfang des 16. Jahrhunderts von den Landständen aus. Bis dahin hatte fast jedes Amt im Herzogtum Württemberg ein eigenes Privatrecht. Zunehmende Mobilität und die Zunahme der Zahl von Juristen, die am römischen Rechts geschult waren, übten einen erheblichen Druck hinsichtlich einer Vereinheitlichung des Rechts aus. Die Landstände forderten zunächst in Abwehr dieser Entwicklung Maßnahmen, um das angestammte Recht zu erhalten. Dies wurde ihnen auch in einem Nebenabschied zum Tübinger Vertrag von 1514 durch Herzog Ulrich versprochen, aber erst unter seinem Sohn, Herzog Christoph, vollendet.

1. Landrecht

Die Landstände bildeten eine Kommission, die zunächst die örtlichen Gewohnheiten und Rechte sammelte, indem sie Ämter und Städte aufforderte, Berichte über das jeweils dort geltende Recht einzusenden. Vor allem eheliches Güterrecht und Erbrecht wurden so gesammelt. Das Ergebnis war allerdings so heterogen, dass die Kommission sich überfordert fühlte, aus den so gewonnenen Erkenntnissen ein einheitliches Landrecht zu formen. Vielmehr forderte sie nun den Herzog auf, ein Landrecht ohne Rücksicht auf die lokalen Rechte durch eine kleine Zahl von gelehrten Juristen erarbeiten zu lassen. Die Arbeiten zogen sich bis zum Jahr 1553 hin, als der Böblinger Landtag dem dort vorgelegten Entwurf zustimmte. Daraus entstand die erste, 1555 publizierte, Fassung des Württembergischen Landrechts, das auch im gleichen Jahr noch vom Kaiser Karl V. bestätigt wurde.

Die Rechtseinheit des Württembergischen Landrechts wurde durch Aufgabe der bisherigen kleinteiligen Privatrechtsordnung und die Übernahme des römischen Rechts erreicht. Dem Gemeinen Recht wurde im Zweifel der Vorrang eingeräumt.

Am härtesten war der Widerstand der Universität Tübingen gegen die Kodifikation. Die Universität beharrte auf ihren Sonderrechten.

Aufbau

Das Württembergische Landrecht ist in vier Teile gegliedert

Ein geplanter fünfter Teil, der das Straf- und Strafprozessrecht umfassen sollte, kam nicht zu Stande.

2. Landrecht

1567 wurde das Landrecht in leicht überarbeiteter Form neu publiziert, das so genannte „Zweite Landrecht“. Dies wurde erforderlich, weil sich sehr bald zeigte, dass die ursprüngliche Fassung erhebliche Mängel im Intestaterbrecht der Ehegatten aufwies.

3. Landrecht

Nach erneuter Revision, die diesmal erhebliche Änderungen und Ergänzungen brachte, wurde ihm 1610 seine endgültige Gestalt verliehen, das so genannte „Dritte Landrecht“. Auch das Dritte Landrecht ging aus dem Bemühen hervor, erkannte Mängel zu beseitigen. Diese wurden hauptsächlich im Erbrecht und im Güterrecht der Ehegatten ausgemacht.

Weitere Entwicklung

In der Folgezeit kam es immer wieder zu Versuchen, ein viertes Landrecht zu schaffen. Keiner dieser Versuche führte mehr zum Erfolg. Vielmehr wurde nach den napoleonischen Gebietserweiterungen des nunmehrigen Königreiches Württemberg das Landrecht auch auf die neu erworbenen Gebietsteile erstreckt. Insgesamt blieb das Württembergische Landrecht so bis zum Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches am 1. Januar 1900 Grundlage des württembergischen Privatrechts. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden allerdings einzelne Teile bereits durch moderne Kodifikationen ersetzt, so zum Beispiel durch die Civilprozessordnung von 1868.

Wirkungsgeschichte

Das Württembergische Landrecht entfaltete eine erhebliche Wirkung auch über die Grenzen des Herzogtums hinaus. Das Pfälzische Landrecht von 1582 hat vieles aus dem Württembergischen Landrecht wörtlich übernommen. Das Landrecht der Markgrafschaft Baden-Baden von 1588 ist bis auf wenige Abweichungen mit dem zweiten Württembergischen Landrecht identisch, allerdings ergänzt um eine Vormundschaftsordnung und einen fünften Teil, der das Strafrecht enthält. Das Württembergische Landrecht war Quelle für das Solmser Landrecht von 1571, die Frankfurter Reformation von 1578 und viele weitere Kodifikationen der Rezeption. Systematische Bearbeitungen und Kommentare zum Württembergischen Landrecht erschienen allerdings erst ab der Wende zum 19. Jahrhundert.

Literatur

  • H.-W. Thümmel: Württembergisches Landrecht. In: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte Bd. 5. Berlin 1998. Sp. 1573ff.

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