Beni-Mellal

Beni-Mellal
32.333333333333-6.3666666666667
Beni-Mellal (Marokko)
Beni-Mellal
Beni-Mellal
Beni Mellal am Rand des Mittleren Atlas
Stadtpark an der Quelle Ain Asserdoun

Beni-Mellal (arabisch ‏ بني ملال ‎, DMG Banī Mellāl), ist die Hauptstadt der Region Tadla-Azilal etwa in der Landesmitte von Marokko. Die Stadt liegt am Westrand des Mittleren Atlas im Süden der fruchtbaren Tadla-Ebene. Sie ist das Marktzentrum für den Obst-, Gemüse- und Getreideanbau der Region.

Beni steht für „Söhne des...“ oder „Stamm“, mellal bedeutet weiß. Der Ortsname Beni Mellal, früher Kasbah Beni Mellal nach der im 17. Jahrhundert erbauten Festung (Kasbah), geht auf die gleichnamige regionale Stammesgruppe mit berberischen-arabischen Ursprüngen zurück. Im Mittelalter hieß die Stadt Hisn Day (Hisn Daī) von hisn, (hosn, Ḥuṣn) arabisch „Festung“.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Beni Mellal liegt an der Nationalstraße 8 (route impériale), einer Kamelkarawanenroute, halbwegs zwischen Marrakesch im Südwesten und Fès im Nordosten auf einer Höhe von etwa 620 Metern. Weitere Hauptorte in der Tadla-Ebene sind Kasba Tadla (36 Kilometer nördlich), Boujad und Fkih Ben Salah, etwa 40 Kilometer nordwestlich. Über Boujad (22 Kilometer von Kasba Tadla) verläuft entlang einer alten Handelsroute eine Straße in nordwestlicher Richtung nach Casablanca, eine kürzere Straße dorthin von etwa 160 Kilometern beginnt direkt in Beni Mellal. Nach Süden führt eine kurvige Nebenstraße ins Gebirge bis Azilal. Hausberg der Stadt ist der Tassemit, dessen 2247 Meter hoher Gipfel sich acht Kilometer südöstlich erhebt.

Nördlich der Stadt beginnt die Tadla-Ebene mit einer Anbaufläche von 300.000 Hektar. Davon werden 117.500 Hektar über Kanäle bewässert, die seit den 1930er Jahren angelegt wurden, das übrige Land besteht aus 137.000 Hektar Regenfeldbaugebiet, der Rest ist Wald.[1] Die Kanäle leiten Wasser bei Kasba Tadla und nördlich davon aus dem Oum er-Rbia ab, dem längsten, ganzjährig Wasser führenden Fluss des Landes. Beni-Mellal liegt etwa 15 Kilometer südlich des Flusses am Fuß der Atlasberge. Die Stadt erhält ihr Wasser aus einer Quelle, die wenige 100 Meter höher in einem südöstlichen Außenbezirk am Ausläufer des Hausberges entspringt. Die Felder westlich der Stadt zwischen Fluss und Bergen werden aus dem größten Stausee Marokkos (Barrage Bin el-Ouidane) nahe der Straße nach Azilal bewässert. Er hat mit 130 Metern auch die höchste Staumauer. Pipelines führen steil in die Ebene hinunter zu einem Elektrizitätskraftwerk in Afourèr, einer modernen Kleinstadt 20 Kilometer von Beni Mellal entfernt. Mit der nächtlichen Stromüberproduktion wird ein Teil des Wassers in einen künstlichen Speichersee auf 1280 Meter Höhe zurückgepumpt[2].

Auf den Feldern wird Baumwolle und Getreide angebaut; 23 Prozent der Zuckerrüben-Produktion sowie über 12 Prozent der marokkanischen Produktion an Zitrusfrüchten und Oliven stammen aus der Tadla-Ebene.[3] Auf den Großmarkt von Beni Mellal gelangen ferner Gemüse, Feigen, Äpfel und Vieh.

Geschichte

Hisn Daī war vermutlich der Hauptort eines Idrisiden, als sich diese Dynastie in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts in mehrere Kleinreiche im Norden Marokkos spaltete.[4] Im 11. Jahrhundert war die Siedlung für ihre zahlreichen Werkstätten bekannt, in denen jüdische Schmiede Kupfer verarbeiteten. Hier lag zu dieser Zeit das führende Produktionszentrum des al-maghrib al-aqsa (heutiges Gebiet Marokkos). Die begehrten Kupferwaren wurden im 13. und 14. Jahrhundert mit Karawanen bis in die Sudanregion transportiert. Die Ruinen dieser Stadt wurden einen Kilometer östlich des Stadtzentrums im Ortsteil Somaa gefunden.[5]

Seit der Eroberung durch die Almoraviden 1057/58 lag die Tadla-Ebene jahrhundertelang im Grenzbereich zwischen dem Land, das von den Sultanen verwaltet wurde (bilad al-makhzen) und dem „Land der Abtrünnigen“ (bilad al-siba), das im Einflussbereich verschiedener Berberstämme lag. Das Gebiet wurde über Jahrhunderte zum Schlachtfeld. Der Alawiden-Sultan Mulai ar-Raschid besiegte 1668/69 die berberische Sufi-Bruderschaft der Dila und zerstörte ihren nordöstlich von Kasba Tadla gelegenen Hauptsitz (Zawiya). Der oberste Marabout und seine Begleiter flohen in das osmanisch kontrollierte Tlemcen (heute im Nordwesten Algeriens). Mit osmanischer Unterstützung kehrte der Dila-Marabout Ahmad al-Dalai 1677 aus dem Exil zurück, ließ die Zawiya wiederherstellen und erhielt erneut die Unterstützung der meisten Stämme aus der Tadla-Region und dem Mittleren Atlas gegen den Sultan.[6] Der Nachfolger von ar-Raschid, Sultan Mulai Ismail konnte 1677 nur mühsam einen Sieg über den Orden erringen.

Die Sanhadscha-Kämpfer Ahmads besiegten zunächst die Expedition des Sultan. Erst im April 1678 wurde Ahmad aus der Tadla-Region vertrieben und floh in den Mittleren Atlas, wo er bis zu seinem Tod 1680 einflussreich blieb.[7]

Zentraler Platz in der Altstadt

Um seine Sultansmacht dauerhaft zu sichern, ließ Mulai Ismail ein Jahrzehnt später entlang der Hauptroute durch die Tadla-Ebene Richtung Fès eine Reihe von befestigten Siedlungen (Kasbahs) anlegen oder bestehende Anlagen ausbauen. 1688 wurde die Kasbah von Beni-Mellal errichtet, ähnliche Burgen entstanden in Kasba Tadla, Khenifra und in Dila. Ab 1699/70 herrschte Mulai Ahmad, einer der Söhne von Mulai Ismail von Kasbah Tadla aus über das Gebiet. Die Festung in Beni-Mellal musste wiederholt Berberangriffen standhalten und wurde mehrfach umgebaut. Die Karawanen nach Marrakesch benötigten im 18. und 19. Jahrhundert den Begleitschutz lokaler Stämme, die Strecke galt als unsicher.

Bis in die 1950er Jahre blieb Beni-Mellal ein unbedeutender Marktort. Seit der Fertigstellung des Staudamms von Bin el-Ouidane, der von 1948 bis 1955 von Franzosen gebaut wurde, hat die Stadt einen wirtschaftlichen Aufschwung als Umschlagsplatz für Agrarprodukte erfahren. Eine weitere Einkommensquelle seit den 1980er Jahren sind Rücküberweisungen von nach Europa ausgewanderten Arbeitern, die zu 80 Prozent nach Italien gehen. Die meisten der marokkanischen Arbeitskräfte in Italien kommen aus Beni Mellal. Zeitweilige Dürren, aber vor allem ungleiche Landverteilung sind die Ursachen, denn 40 Prozent der Bauern in der Region verfügen über weniger als 20 Ar zur Bewirtschaftung. Allen Kleinbauern zusammen gehört nur 12 Prozent des Landes.[8]

Stadtbild

Stadterweiterung in die Ebene nach Westen

1982 war das Ergebnis einer Volkszählung 95.003, die Volkszählung 2004 ergab 163.286 und die Berechnung für 2010 lautete auf 182.841 Einwohner.[9]

Beni Mellal ist eine moderne, überwiegend in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstandene Stadt. Die überbaute Fläche bildet etwa einen Halbkreis, dessen gerade Seite in nordwest- bis südöstlicher Richtung parallel zu den Ausläufern des Atlasgebirges verläuft. Von der kleinen, höher gelegenen Altstadt dehnen sich die neuen Stadtviertel bis weit in die Ebene. Der Busbahnhof liegt an der Durchgangsstraße, dem Boulevard Mohammed VI. Noch weiter außerhalb wachsen seit der Jahrtausendwende weiträumig geplante Wohnviertel, teilweise werden hier ältere Billigwohngebiete überbaut. Hinter den Häusern beginnen kleinparzellierte Felder. Ein Gürtel mit Handwerksbetrieben, darunter vielen Autowerkstätten, umgibt ringförmig das zentrale Geschäftsviertel mit Wohnblocks, die sich bis zur Altstadt den Hügel hinauf erstrecken. Einige Freiflächen sind Friedhöfe, Ödland oder werden als Wochenmarkt genutzt.

Zentrum der Altstadt ist ein von Bäumen bestandener Platz. Die cremefarbenen Häuser sind saniert, der Platz ist von einem Arkadengang mit Hufeisenbögen umgeben. Östlich schließen sich die verwinkelten Gassen eines einfachen Wohn- und Marktviertels an. Von der einstigen Umfassungsmauer aus Stampflehm ist noch ein kleiner Rest mit einem Flankenturm erhalten geblieben.

Eine etwa einen Kilometer lange, von Orangenbäumen gesäumte Straßenallee führt nach Osten zum wichtigsten Naherholungsziel, dem Stadtgarten jardin de Ain Asserdoun hinauf. Mitten durch einen, mit hohen Bäumen bestandenen Park wird die aus dem Berg entspringende Quelle in breiten Kaskaden und Wasserläufen hindurch geleitet, bevor das Wasser das zwischen hier und der Stadt liegende Wald- und Plantagengebiet bewässert. In diesem Grüngürtel am Südostrand der Stadt gedeihen Oliven, Orangen, Äpfel, Kartoffeln, Tomaten und sonstiges Gemüse in kleinen Gärten dicht nebeneinander. Darin liegt auch die Zaouia Sidi Ahmed bel Kacem mit einem Minarett aus almoravidischer Zeit.

Wenige 100 Meter oberhalb des Stadtparks thront auf einem Hügelgipfel eine etwa quadratische Festung, die ebenfalls aus Mulai Ismails Zeit stammt. Von der Kasbah Ras el-Ain, auch Kasbah Ain Asserdoun, bietet sich ein Ausblick über die gesamte Stadt und die Ebene. Das kleine, sorgfältig restaurierte Steingebäude besitzt vier Ecktürme. Der Baustil ähnelt den südmarokkanischen freistehenden, aus Stampflehm errichteten Wohnburgen tighremt.[10]

Weblinks

 Commons: Beni Mellal – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Alain Vidal u.a.: Case studies on water conservation in the Mediterranean. FAO Report, Nr. 4, Juli 2002, S. 37
  2. Nicolas de Walque: Afrouèr – Maroc. AlkorDraka geomembranes
  3. Anne Chaponniere, Vladimir Smakhtin: A Review of Climate Change Scenarios and Preliminary Rainfall Trend Analysis in the Oum Er Rbia Basin, Morocco. International Water Management Institut, Working Paper 110. Colombo (Sri Lanka) 2006, S. 4
  4. Thomas K. Park, Aomar Boum: Historical Dictionary of Morocco. Library of Congress. 2. Aufl., Scarecrow Press, Lanham 2006, S. 62
  5. Ian Blanchard: Mining. Metallurgy and Minting in the Middle Ages: Vol. 3: Continuing Afro-European Supremacy, 1250–1450. Franz Steiner, Stuttgart 2005, S. 1513
  6. Dale F. Eickelman: Moroccan Islam. Tradition and Society in a Pilgrimage Center. (Modern Middle East Series, No. 1) University of Texas Press, Austin/London 1976, S. 34
  7. Jamil M. Abun-Nasr: A history of the Maghrib in the Islamic period. Cambridge University Press, Cambridge 1987, S. 231f
  8. Steven Colatrella: Workers of the World: African and Asian Migrants in Italy in the 1990s. Africa Research & Publications, London 2001, S. 147
  9. Banī Mallāl. World Gazetteer
  10. Arnold Betten: Marokko. Antike, Berbertraditionen und Islam – Geschichte, Kunst und Kultur im Maghreb. DuMont, Ostfildern 2009, S. 253f, ISBN 978-3-7701-3935-4

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