Ämterpatronage

Ämterpatronage

Ämterpatronage bezeichnet die ungerechtfertigte Bevorzugung von Bewerbern bei der Besetzung von Ämtern und Positionen (vor allem im Öffentlichen Dienst oder im Wissenschaftsbetrieb) auf der Grundlage von Parteibuchwirtschaft, Weltanschauungen, Zugehörigkeit zu einer wissenschaftlichen Schule oder persönlichen Bekanntschaften (Verwandtschaft - siehe Nepotismus, Vereins- oder Verbindungskameradschaft) an Stelle einer Bestenauslese.

Die bis heute kritisierte Ämterpatronage im Auswärtigen Dienst war Gegenstand der Untersuchung einer internationalen Historikerkommission[1]; diese legte ihre Ergebnisse im Oktober 2010 der Öffentlichkeit vor.[2] Demnach konnten sogar mutmaßliche NS-Kriegsverbrechern in den 50er Jahren im Auswärtigen Amt "Seilschaften" bilden und Karriere machen.

Die Praxis der Ämterpatronage ist bereits von Max Weber beschrieben worden. In seinem berühmten Vortrag Politik als Beruf erklärte Weber, dass früher die Fürsten, Eroberer und die erfolgreichen Parteichefs Lehen, Bodenschenkungen und Pfründen vergeben hätten.

„Heute sind es Ämter aller Art in Parteien, Zeitungen, Genossenschaften, Krankenkassen, Gemeinden und Staaten, welche von den Parteiführern für treue Dienste vergeben werden. Alle Parteikämpfe sind nicht nur Kämpfe um sachliche Ziele, sondern vor allem auch: um Ämterpatronage.“[3]

Max Weber differenzierte zwischen Weltanschauungs- und Ämterpatronageorganisationen.

Auch Theodor Eschenburg hat das Phänomen der „Ämterpatronage“ (1961) beschrieben. Er unterschied zwischen Herrschaftspatronage, Versorgungspatronage, Belohnungspatronage und Proporzpatronage:

„Herrschaftspatronage dient meist der Absicherung parteipolitischen Einflusses. Indem loyale „Mitstreiter“ auf wichtige Posten gehievt werden, werden Machtpositionen gesichert. Versorgungspatronage ist ebenfalls weit verbreitet. „Verdiente Funktionäre“, Wahlkämpfer, Wasserträger oder auch Honoratioren, die ihren Posten verloren haben, werden mit einem Amt versorgt. Sie sind dem, der diese Patronage gewährt, zu Dank verpflichtet. Dies sichert ebenfalls Macht und Einfluss. Verwandt damit ist die Belohnungspatronage für treue Dienste. Schließlich ist die Proporzpatonage vor allem unter den großen Volksparteien verbreitet.“[4]

Der frühere deutsche Bundespräsident Richard von Weizsäcker schrieb dazu:

„Es sind die Parteien und ihre Fraktionen, die exklusiv über einen politischen Aufstieg oder Ausschluss entscheiden. Dabei pflegen sie eine tiefe Abneigung gegenüber jedwedem Seiteneinsteiger, es sei denn, sie versprechen sich von ihm einen unmittelbaren Zuwachs an Ansehen. Sie sichern durch Ämterpatronage ihren Einfluss bis tief hinein in die gesamte Gesellschaft. Treue Dienste werden mit Positionen aller Art belohnt. Stets bleibt für die Partei das Wichtigste der Weg zur Macht im Staat. Für den Einzelnen führt er über die Macht in der Partei. Innerparteiliche Meinungseinheit soll den Machtkampf stärken. Ein System von Belohnungen und Bestrafungen zielt auf größtmögliche Disziplin. Abweichler werden zur Ordnung gerufen.“[5]

Beispiel Justiz: Infolge der Ämterpatronage in der Strafverfolgung findet ein Teil der gesetzlich vorgesehenen Strafrechtspflege nicht statt. Der Umstand, dass Generalstaatsanwälte (Leiter der Generalstaatsanwaltschaften bei den Oberlandesgerichten) und Leitende Oberstaatsanwälte (Leiter der Staatsanwaltschaften bei den Landgerichten) oft nach Parteizugehörigkeit und Regierungsnähe ausgewählt werden, und dass unser Recht keinen unabhängigen, sondern nur einen weisungsabhängigen Staatsanwalt (§ 146 GVG) kennt, führt dazu, das in der Politik unerwünschte Ermittlungsverfahren oft gar nicht erst eingeleitet werden[6] bzw. (vor)schnell eingestellt werden.

Zu den wichtigsten Kritikern von Ämterpatronage gehören unter anderem Hans Herbert von Arnim sowie Erwin und Ute Scheuch.

In der Politik- und Verwaltungswissenschaft wird der Begriff der Ämterpatronage kaum noch verwendet, weil er zu wenig operationalisierbar ist. Er wurde durch den Begriff der Parteipolitisierung ersetzt.[7]

Siehe auch

Quellen

  1. »Denn das sind Sie: ein Mörder«, in: Die Zeit vom 26. Januar 2006.
  2. Das Amt und die Vergangenheit: Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik. Karl Blessing Verlag 2010, ISBN 978-3896674302
  3. Quelle benötigt.
  4. Quelle benötigt.
  5. Quelle benötigt.
  6. Hans Maier, Wie unabhängig sind Staatsanwälte? in: Hans Herbert von Arnim, Korruption
  7. Jörg Auf dem Hövel: Politisierung der öffentlichen Verwaltung durch Parteien? Ursachenforschung und normative Debatte, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 1/1996

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