- Erwin Scheuch
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Erwin Kurt Scheuch (* 9. Juni 1928 in Köln; † 12. Oktober 2003 ebenda) war ein deutscher Soziologe.
Inhaltsverzeichnis
Leben und Ausbildung
Erwin K. Scheuch, wie er sich später nach amerikanischer Manier nannte, wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf, der Vater war als Buchhalter arbeitslos geworden, die Familie passte sich nicht der gerade herrschenden NS-Gesellschaft an und blieb damit weiterhin arm. Dennoch schaffte der Junge, der in den Überlebenskampf der Familie - auch mit Lebensmittel Erbetteln - eingebunden war, den Besuch des Gymnasium Köln-Nippes. 1944 wurde er als Luftwaffenhelfer eingezogen und war bei einer schweren 8,8-Flak-Einheit eingesetzt. Nach einer Verwundung kehrte er frühzeitig nach Köln zurück. Nach dem Abitur 1948 arbeitete er als Rundfunkjournalist beim Nordwestdeutschen Rundfunk unter Werner Höfer, für eine weitere Ausbildung sollte er für sechs Monate nach England gehen, zog aber nach seiner Zulassung zum Studium der Volkswirtschaftslehre, sozialwissenschaftlicher Richtung, an der Universität zu Köln die wissenschaftliche Laufbahn der journalistischen vor. Dort wurde er von seinem Lehrer Leopold von Wiese für ein USA-Stipendium im Rahmen des Fulbright-Programms vorgeschlagen und ausgewählt, das er nach einem Jahr an der University of Connecticut 1951 mit dem Bachelor of Arts with distinction abschloss, was ihm ein Angebot als Graduate Assistant in einem Master-Programm der Clark University einbrachte, das er aber nach einem Musterungsbescheid anläßlich des Korea-Kriegs abbrach und so nach Köln zurückkehrte. Hier machte er 1953 sein Diplom und promovierte als Assistent am Seminar für Soziologie (bis 1959) (und Hilfskraft am damals neu gegründeten UNESCO-Institut für Sozialforschung) 1956 bei René König mit einer Arbeit zur Empirischen Sozialforschung. 1959/60 schloss sich ein von der Rockefeller-Foundation finanzierter 18-monatiger Post-Doc-Aufenthalt an mehreren amerikanischen Universitäten an. 1961 habilitierte er sich mit einer Arbeit über Skalierungsverfahren als Instrument der Sozialforschung. Von 1962 bis 1964 vertrat er als Nachfolger des verstorbenen Samuel Stouffer an der Harvard University das Fach Sozialpsychologie[1], wo ihn dann der Ruf der Universität zu Köln auf den zweiten Lehrstuhl für Soziologie erreichte, den er bis zu seiner Emeritierung 1993 innehatte.[2]
Scheuch war zwei Mal verheiratet: mit der Amerikanerin Joyce-Ann Dickinson, die sich vielfältig für die Kölner US-Beziehungen einsetzte, so für das Amerika Haus, und mit der Journalistin und Soziologin Ute Pulm. Aus der ersten Ehe hat er zwei Söhne.
Wissenschaft
Ursprünglich eher linksliberal, war Scheuch – nach scharfen verbalen Attacken aus der Studentenbewegung der 1960er Jahre – ihr gegenüber kritisch bis ablehnend eingestellt. Seinem akademischen Lehrer René König folgend, positionierte er die Kölner Soziologie als einen die Empirie und die Werturteilsfreiheit betonenden Gegenpol zu Jürgen Habermas und der Frankfurter Kritischen Theorie, wirkte aber auch als streitbarer Essayist und Publizist.
Vor diesem Hintergrund war er im Jahre 1969 Gründungsmitglied des Bonner Informationszentrums Sozialwissenschaften. Bereits 1968 war er einer der Gründer der Kölner Journalistenschule. 1970 war er Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. Bis zuletzt war Scheuch Vorsitzender des Institut International de Sociologie.
Seine letzte umfangreiche soziologische Analyse galt der USA als Hegemon und fällt – zumal für einen Freund der Vereinigten Staaten – sehr kritisch aus. Auch in seinem 2003 erschienenen Hauptwerk Sozialer Wandel zeigt sich Scheuch als Kenner der USA und ihrer soziologischen Literatur.
Tagespolitik
Den liberalen jungen Hochschullehrer traf es tief, dass sich im Zuge der Studentenrevolte die Studenten scharf gegen ihn wendeten und ihm zumal seine militärsoziologischen Studien vorwarfen. Bis zur zweiten Amtszeit von Willy Brandt war Scheuch nach eigenem Bekunden ein engagierter Sympathisant der SPD. Dann habe diese „ihn verlassen“.[3] Künftig wandte er sich scharfzüngig gegen viele Aktivitäten der Studentenbewegung und gründete 1970 den konservativen Bund Freiheit der Wissenschaft mit. Auch gehörte er nunmehr 25 Jahre zur CDU.
1996/1997 gehörte Scheuch mit seiner zweiten Ehefrau Ute zu den Mitbegründern des rechts-konservativen „Anti-Links-Kartells“ „Vereinigung Stimme der Mehrheit“.
Über Fachkreise hinaus erlangte Scheuch Bekanntheit durch die Themen, die ihn seit den späten 1980er Jahren beschäftigten: Parteienfilz, Ämterpatronage und politische Korruption; besonders am „kölsche Klüngel“ untersuchte er dessen Auswirkung auf das Parteiensystem. Scheuch veröffentlichte dazu, zusammen mit seiner Frau, zahlreiche Bücher, unter anderem die populär gehaltenen Titel: „Cliquen, Klüngel und Karrieren“ und „Bürokraten in Chefetagen“. Insbesondere der erstgenannte Titel wurde von Scheuchs Kritikern als Pamphlet des rechten Flügels der Kölner CDU gegen den linken Flügel eingeordnet. Scheuch war Mitglied der CDU, eckte bei seiner Partei aber mit seinen Untersuchungen zunehmend an und trat 1997 aus der CDU aus. Anlass war für ihn der Umgang der Union mit der Dienstflugaffäre von Rita Süssmuth.
Erwin Scheuch war Autor der Jungen Freiheit und einer der populärsten Unterstützer des Wochenmagazins gegen die Überwachung der Zeitung durch den Verfassungsschutz.
Scheuch trat auch für die Verwendung von Computern im Kinderzimmer ein und wollte mit einer Untersuchung zeigen, dass soziale Fähigkeiten dabei gerade nicht verkümmerten, wie seine Kritiker behaupteten. Allerdings wies er auch darauf hin, dass Einzelkinder den (Spiel-)Computer eventuell als Ersatz für einen Spielkameraden benutzen könnten.
Preise
Die von Caspar von Schrenck-Notzing begründete Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung (FKBF) verlieh Erwin K. Scheuch am 3. November 2001 den Baltasar Gracián-Kulturpreis. Die Laudatio hielt der Zürcher Philosoph Hermann Lübbe.
Schriften
- mit Ute Scheuch: Cliquen, Klüngel und Karrieren: Über den Verfall der politischen Parteien, Reinbek: Rowohlt, 1992 ISBN 3-4991-2599-4
- mit Ute Scheuch: Bürokraten in den Chefetagen, Reinbek: Rowohlt, 1995, ISBN 3499135183
- Die Spendenkrise – Parteien außer Kontrolle, Reinbek: Rowohlt, 2000, ISBN 3-499-22928-5
- mit Ute Scheuch: Manager im Größenwahn, Reinbek: Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2003, ISBN 3-499-61481-2
- Sozialer Wandel. 2 Bd., Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, 2003, ISBN 3-531-14070-1 / ISBN 3-531-14071-X
- Eine neue Weltordnung? Die USA als Hegemon (2005), in Auszügen unter http://www.naturkonservativ.de/html/usa05.html
Literatur
- Dirk Kaesler: Scheuch, Erwin. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005, S. 710 f.
- Ute Scheuch: Erwin K. Scheuch – Eine Biographie. Bd. 1: Es mußte nicht Soziologie sein, aber es war besser so. Mit einem Nachwort von Peter Atteslander. Gerhard Hess Verlag, Ulm/Bad Schussenried, 06/2008, ISBN 978-3-87336-361-8
- Ute Scheuch: Erwin K. Scheuch im roten Jahrzehnt. E. Ferger Verlag: Bergisch Gladbach, 12/2008, ISBN 978-3-931219-35-2
Weblinks
- Literatur von und über Erwin Scheuch im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Nachruf von Prof. Dr. Karl-Siegbert Rehberg, Dresden (KZfSS, 55, 2003: 819-821)
Einzelnachweise
- ↑ Vita-Daten nach DNB
- ↑ Persönliches nach Interview auf Alpha-Forum-BR vom 18. Juni 1099 PDF BR-Online (Zugriff Juni 2011)
- ↑ Manfred Funke: "Gegen die Feinde der Freiheit. Akten, Artikel und Korrespondenzen des Kölner Soziologen Erwin K. Scheuch". Rezension in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. Juni 2009
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