Beweinung Christi (Bernhard Strigel)

Beweinung Christi (Bernhard Strigel)
 
Beweinung Christi
Bernhard Strigel, 1509
Tempera auf Holz, 119 cm × 70 cm
Antoniterkloster Memmingen

Beweinung Christi ist ein auf Holz gemaltes Andachtsbild des Malers Bernhard Strigel aus dem Jahre 1509. Das Andachtsbild gehört zum Bestand des Strigel-Museums in Memmingen.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Maria, die Mutter Jesu, kniet vor dem Leichnam ihres gekreuzigten Sohnes, der auf ein großes weißes Leichentuch gebettet ist. Der totenstarre Leichnam zeigt noch die Spuren der Geißelung und die Wundmale der Kreuzigung. Der Kopf des Toten, der von einem goldenen Kreuznimbus umgeben ist, ist gegen den Himmel gerichtet. Maria, die auf dem Rand des Tuches kniet, hat die Hände zum Gebet gefaltet und neigt ihren Körper voller Trauer zu ihrem Sohn. Durch Marias Gestalt, vor allem durch ihren weit ausgebreiteten Mantel, wird die Starre, welche von Jesus ausgeht, gemildert. Sie trägt ein blaues Kleid und ist eingehüllt in einen weiten roten Mantel, der auch ihr weißes Kopftuch zum Teil bedeckt. Der Kopf wird von einem runden, mit Punzierungen dekorierten goldenen Heiligenschein ausgezeichnet. Das Motiv des auf einem Tuch statt auf den Knien der Mutter liegenden Körpers Christi ist in Deutschland seit dem 15. Jahrhundert bekannt. Anders als bei einer Pietà findet hier keine körperliche Berührung zwischen Maria und ihrem Sohn statt.

Die Beweinungsszene findet unterhalb des Hügels von Golgota, auf dem die drei Kreuze aufgerichtet sind, an einem fast vegetationslosen, sandigen Platz statt, auf dem nur verstreut einzelne Steine liegen. Noch hängen die beiden Schächer, die mit Christus gekreuzigt worden sind, an ihren Kreuzen. Vor dem Horizont, am Fuß eines bewaldeten Berges, sind Mauern, Türme und Häuser der Stadt Jerusalem zu sehen. Die Sonne ist untergegangen und ein sanftes Abendrot färbt den Westhimmel. Es stellt sich eine friedliche Abendstimmung auf dem leeren Richtplatz von Golgatha ein. Die Wolken, die den Himmel zum Zeitpunkt von Christi Tod verfinstert hatten, ziehen ab und der Himmel klart auf. Auf der linken Bildseite über dem Kopf Christi wächst ein junger mit grünem Laub bedeckter Baum empor, eine zarte Silhouette vor dem hellen, klaren Himmel. Er steht als Zeichen für den Sieg Christi über den Tod und für das neue Leben nach dem Tod, das den gläubigen Christen erwartet.

Die Landschaftsgestaltung erinnert an die Donauschulmeister, insbesondere Lucas Cranach und Albrecht Altdorfer, die sich um den kunstsinnigen Kaiser Maximilian I. scharten. Die Landschaft tritt nicht mehr nur silhouettenhaft hinter dem religiösen Thema des Vordergrundes zurück. Sie erzeugt eine stimmungsvolle Atmosphäre, welche die Gemütsverfassung der Personen unterstreicht. Auch Bernhard Strigel war von dem neuen Stil angetan. In seinen Spätwerken wie die Grabwächter oder die Eremitenbilder in Meran oder der Karlsruher Beweinung malte er die Landschaft im Stil der Donauschüler.

Sehr selten ist die alleinige Beschränkung auf die beiden Figuren Maria und Jesus. Häufig sind noch Maria Magdalena, Johann der Evangelist, der wohlhabende Joseph von Arimathäa und der weise Nikodemus wiedergeben. Eine ähnliche Beschränkung lässt sich in einem Pontifikale aus der aargauischen Kantonsbibliothek von 1508 finden. Beide Darstellungen greifen auf ein gemeinsames Vorbild zurück.

Datierung und Inschrift

Das Bild ist datiert und in der linken unteren Ecke mit dem Wappen des Stifters versehen.

Anno dni (=Domini) 1509 starb der E(h)rba(re) man(n) hans kärler uff sanct marx tag (=25. April) der mesner der sanct Martins kierchen gewesen ist hie(r) in dieser Capell begraben dem got barmhertzig sey AMEN.

Aufgrund der Chronik von Christof Schorer aus dem Jahre 1660 ist bekannt, dass Hans Kärler[1] in der Peterskapelle des Antonierhauses bestattet wurde.

Literatur

  • Frank Büttner; Imitatio Pietatis. Motive der christlichen Ikonographie als Modelle zur Verähnlichung, Berlin 1983, Abb. 103
  • Karl Voll; Kataloge des Bayerischen Nationalmuseums, Bd 8, München
  • Gertrud Otto, Ivo und Bernhard Strigel, Hans Thoman, Memminger Geschichtsblätter 1967, Memmingen

Einzelnachweis

  1. Melanie Thierbach: Führer durch das Strigel-Museum Memmingen, hrsg. von der Stadt Memmingen, S. 62, Memmingen 1998

Weblinks


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