Brandkatastrophe der Gletscherbahn Kaprun 2

Brandkatastrophe der Gletscherbahn Kaprun 2
Gedenkstätte an der Talstation des Kitzsteinhorns mit der stillgelegten Gletscherbahn 2 im Hintergrund

Bei einem Brand in einem im Tunnel befindlichen Zug der Standseilbahn Gletscherbahn Kaprun starben am 11. November 2000 155 Menschen. Es war die größte Katastrophe, die sich in Österreich seit dem Zweiten Weltkrieg ereignet hat. In dem brennenden, bergauf fahrenden Zug kamen 150 der 162 Passagiere durch Rauchgasvergiftung zu Tode. Außerdem starben im Gegenzug der Zugführer und ein Tourist sowie drei Personen auf der Bergstation durch Rauchgasvergiftung.

Inhaltsverzeichnis

Verlauf

Etwa 20 Meter nach Abfahrt der Gletscherbahn aus der Talstation gegen 9 Uhr morgens wurde laut Augenzeugenberichten schon Rauch entdeckt, weil der im talseitigen Führerstand befindliche Heizlüfter in Brand geraten war. Nach 1132 Metern Fahrt blieb der Zug im Tunnel stehen, als neben dem Heizlüfter verlegte Hydraulikleitungen durchgebrannt waren. In weiterer Folge wurden durch diesen Brand die Hydraulikmessleitungen zerstört und es trat Hydrauliköl aus. Da die Leitungen unter Druck standen, wurde das Öl mit rund 190 bar versprüht und der Brand dadurch intensiviert. Ein starker Luftzug (Kamineffekt), der vom unteren Ende des Tunnels zur Bergstation zog, fachte das Feuer an und brachte die giftigen Rauchgase in den oberen Teil des Tunnels bis zur Bergstation.

Zahlreiche Verunglückte starben in dem Zug, weil dessen Türen aus Sicherheitsgründen nur vom Wagenbegleiter geöffnet werden konnten. Von den Personen, die sich aus dem Zug befreien konnten, liefen die meisten vermutlich in Panik vom Feuer weg durch den Tunnel nach oben in die tödliche Rauchgaswolke. Nur zwölf Personen, ein Familienvater mit seiner zwölfjährigen Tochter aus Österreich und zehn deutsche Urlauber, konnten sich in der Frühphase des Brandes durch Einschlagen einer Scheibe aus dem hinteren Teil des Zuges befreien und überlebten, weil sie im Tunnel nach unten liefen.

Im Urteil des späteren Strafprozesses wird festgehalten: „Wäre die Bahn etwas früher aus der Talstation ausgefahren, in einem Bereich bis etwa 6 Sekunden nach der Entzündung, dann wäre das Feuer erloschen. Wäre hingegen die Brandentstehung früher aufgetreten, wäre diese wahrscheinlich noch in der Talstation entdeckt worden oder aber der Zug auf der Brücke stehen geblieben".

Das prominenteste Opfer der Brandkatastrophe war die 19-jährige Freestyle- und Buckelpistenweltmeisterin Sandra Schmitt, die zusammen mit ihren Eltern ums Leben kam.

Ursachen

Nach Gutachten von mehreren österreichischen Brandsachverständigen wurde der Brand der Gletscherbahn aufgrund eines technischen Defektes eines im unteren, nicht besetzten Führerstand eingebauten Heizlüfters der Marke Fakir Hobby TLB und der hierdurch hervorgerufenen Inbrandsetzung von 18 Litern ausgelaufenem Hydrauliköl ausgelöst. Ausweislich von später erstellten Gutachten im Auftrag der Staatsanwaltschaft Heilbronn war hingegen kein technischer Defekt im Heizlüfter, sondern vielmehr der unsachgemäße Einbau des nicht für die Verwendung in Fahrzeugen vorgesehenen Gerätes entgegen dessen Gebrauchsanweisung ursächlich für die Entzündung des Hydrauliköls.[1] Zum tragischen Verlauf des Unglücks trug weiterhin bei, dass keine Fluchtwege und keine Notausgänge vorhanden waren, die für die Eingeschlossenen selbst zu öffnen waren und dass die Abteile über keine Sprechanlage verfügten, die den Kontakt zum Fahrer und somit ein früheres Anhalten der Bahn ermöglicht hätte. [2]

Strafprozess- und Gerichtsverhandlungen

In dem darauffolgenden Strafprozess in Salzburg wurden 16 Beschuldigte angeklagt. Darunter neben der Geschäftsführung der Gletscherbahnen Kaprun Aktiengesellschaft auch Bahnbewilligungs- und Prüforgane aus dem österreichischen Verkehrsministerium, der Technische Überwachungsverein (TÜV) sowie die Firmen Swoboda und Bosch Rexroth.

Am 20. Februar 2004 ging der Prozess mit Freisprüchen für alle Angeklagten zu Ende.[3] Das Beweisverfahren habe eine vollständige Entlastung der Angeklagten erbracht, urteilte der Richter in Salzburg.

In seiner Urteilsbegründung verweist der Richter auf die für Benutzer nicht zu erkennenden Konstruktions- und Produktionsfehler des Heizlüfters. Diese hätten zu sehr feinen, doch stärker werdenden Rissen im Gehäuse geführt, sodass der Heizstern schließlich abbrach, das Gehäuse berührte und dieses in Brand setzte. Der Richter folgte in seiner Urteilsbegründung den Prozess-Gutachtern.

Für acht Beschuldigte (zwei Verantwortliche der Gletscherbahnen Kaprun, zwei Mitarbeiter des Wagenaufbau-Herstellers, zwei Amtssachverständige, zwei TÜV-Mitarbeiter) kam es am 26. September 2005 zu einer Berufungsverhandlung am Oberlandesgericht Linz. Am 27. September 2005 endete die Berufungsverhandlung mit der Bestätigung der Freisprüche für alle acht Angeklagten. Die Beweisanträge der Staatsanwaltschaft wurden abgewiesen. Insgesamt wurde vom dreiköpfigen Richtersenat die Berufung als nicht ausreichend begründet und teilweise als nicht nachvollziehbar bewertet. Dieses Urteil ist somit rechtskräftig.

Zeugenaussagen der Vertreter der Firma Fakir im Rahmen des Strafprozesses in Salzburg führten dazu, dass eine Sachverhaltsdarstellung wegen falscher Zeugenaussage bei der Staatsanwaltschaft Salzburg eingebracht wurde. Die Staatsanwaltschaft Salzburg leitete das Verfahren an die Staatsanwaltschaft in Heilbronn weiter. Dieses Verfahren wurde am 25. September 2007 laut einer Medieninformation der Staatsanwaltschaft Heilbronn eingestellt. [4]

Im Strafprozess wurde aber belegt, dass die Gletscherbahn sämtliche notwendigen Betriebsgenehmigungen hatte, die dem damaligen Stand der Technik entsprachen, sowie regelmäßig vorschriftsmäßig gewartet und überprüft wurden. Die Führerstandheizung war von Anfang an in der Gletscherbahn eingebaut; die Gletscherbahnen Kaprun AG hatte 1994 beim Umbau der Züge eine solche Heizung beim Bahnbauer, der Firma Swoboda, bestellt.

Im Frühjahr 2006 wurde eine Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) angestrebt. Dieser hat die Beschwerde im Dezember 2007 zurückgewiesen.

Im November 2008 schlossen sich mehrere Angehörige und Opfer der Strafanzeige eines deutschen Gutachters gegen die im Prozess eingesetzten österreichischen Sachverständigen an. Wie zahlreiche andere angestrebte Verfahren wurde auch dieses Verfahren nicht eingeleitet.

Gedenkstätte

Am 11. November 2004 wurde eine Gedenkstätte für die Opfer offiziell eingeweiht. Die lang gezogenen Quader aus Sichtbeton und Glasstelen befindet sich gegenüber der Talstation der Gletscherbahnen.

Zeit danach

Das Salzburger Urteil löst bis heute bei vielen Menschen Unverständnis aus. „Es kann nicht sein, dass 155 Menschen sterben und niemand ist schuld“, ist immer wieder zu hören. Juristen führen dagegen an, dass Schuld voraussetzt, dass Menschen vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hätten. Konnten sie nicht erkennen, dass ihr Verhalten ein Fehlverhalten ist, trifft sie keine Schuld. Den Beschuldigten im Salzburger Prozess konnte kein Fehlverhalten nachgewiesen werden, auch keine Fahrlässigkeit. Entsprechend begründete der Richter des Salzburger Verfahrens den Freispruch.[5]

Nachdem die Trümmer der beiden Zuggarnituren Gletscherdrachen und Kitzsteingams im Januar 2006 durch die Justiz zurückgegeben wurden, überlegt die Gletscherbahn AG die Reaktivierung des Gletscherdrachens als Lastentransporter für die etwa 600 Tonnen Getränke und Lebensmittel, die jährlich zu den Restaurants auf dem Kitzsteinhorn hinauftransportiert, sowie für die 130 Tonnen Müll, die wieder ins Tal transportiert werden müssen.

Die Zuggarnitur Kitzsteingams sollte im Frühjahr 2006 verschrottet werden. Eine Wiederinbetriebnahme der Standseilbahn für Personentransporte ist nicht vorgesehen.

Folgen

Auf Anregung des Justizministeriums wurde eine sogenannte Vermittlungskommission gegründet. Im Rahmen dieser Kommission, in der auch Hinterbliebenenvertreter mitarbeiteten, wurde erstmals in der Geschichte Österreichs eine freiwillige Entschädigungszahlung an die Hinterbliebenen vereinbart. Insgesamt 13,9 Mio Euro wurden von den Gletscherbahnen Kaprun, der Generali Versicherung und der Republik Österreich zur Verfügung gestellt und an die Angehörigen ausbezahlt.

Das Unglück hatte zur weiteren Folge, dass nun auch nach der österreichischen Judikatur, den Opfern oder deren Angehörigen auch für seelische Schmerzen eine Entschädigung zusteht. Die Gletscherbahn Kaprun fällt juristisch unter das Eisenbahngesetz. Dadurch haftet das Unternehmen automatisch für entstandene Schäden – egal ob diese Schäden schuldhaft entstanden sind oder nicht.

Eine 2006 erfolgte Novelle zum österreichischen Eisenbahngesetz schreibt vor, dass nun bei allen Schienenfahrzeugen zwingend mindestens 70 cm Seitenabstand vorhanden sein müssen. Dies hat vor allem Auswirkungungen auf Straßenbahnen im Stadtgebiet und führt zur Streichung von Parkplätzen entlang der Strecken, zum Beispiel in Graz.[6]

Zahlreiche weitere Gesetze und Verordnungen im Seilbahnwesen wurden in der Folge geändert.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Medieninformation der Staatsanwaltschaft Heilbronn vom 25. September 2007
  2. Der Spiegel 46/2009: Freispruch für Gott
  3. Meldung Freisprüche im Kaprun-Prozess. In: Eisenbahn-Revue International, Heft 4/2004, ISSN 1421-2811, S. 169.
  4. Medieninformation der Staatsanwaltschaft Heilbronn vom 25. September 2007
  5. Der Spiegel 46/2009: Freispruch für Gott
  6. Graz: Der Kai wird fit für neue Straßenbahnen

Weblinks


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