- Britische Militärbahnen in Palästina
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Die Britischen Militärbahnen in Palästina (Palestine Military Railways) entstanden beim Vormarsch der britischen Truppen im Ersten Weltkrieg von Ägypten in das damals noch osmanische Palästina.
Inhaltsverzeichnis
Vorgeschichte
Historische Bedingungen
Der erste osmanische Angriff auf den Suezkanal im Februar 1915 wurde von den britischen Truppen zwar abgewandt – mehr aber auch nicht, trotz der Versorgungsschwierigkeiten auf osmanischer Seite. Scharfe Kritik in England daran, dass die sich zurückziehenden osmanischen Einheiten nicht einmal richtig verfolgt wurden, führte zu einer offensiveren Haltung der am Kanal stationierten Truppen. Aber erst ein Jahr später, im Februar oder März 1916, wurde mit dem Bau der Sinai Military Railway (SMR), der späteren Sinai-Bahn begonnen.
Technische Bedingungen
Die Bahn wurde von Ägypten aus vorangetrieben und legte die dortigen technischen Standards zugrunde, insbesondere die Normalspurweite von 1435mm. Die Verbindung zum ägyptischen Netz stellte eine provisorische Drehbrücke über den Suezkanal bei El Qantara (Arabisch: „Brücke“) her. Das Gelände des Sinai war für den Bahnbau günstig. Problematisch waren Wasserversorgung und Sandverwehungen. Gegen letztere musste ständig gekämpft werden: Der Sand wanderte sowohl über die Gleise, als auch unter den Gleisen, was erhebliche betriebliche Schwierigkeiten verursachte.
Militärische Bedingungen
Das britische Militär legte großen Wert darauf, den Vorstoß gegen die osmanischen Truppen nur aufgrund einer soliden Versorgung durchzuführen. Der Bahnbau schritt deshalb wesentlich langsamer voran als der auf osmanischer Seite (siehe: Hedschasbahn). El Arish wurde Anfang 1917 erreicht, im April befand sich die Spitze der Strecke 16 km vor Gaza in Deir el Belah. Da der Angriff dort nicht vorankam, wurde eine Zweigbahn von Rafah in Richtung Beerscheba vorangetrieben (60 km), um die breiter werdende Front besser versorgen und Gaza östlich umgehen zu können.
Fahrzeuge
Anfangs wurden zunächst Fahrzeuge der (Ägyptische Staatsbahnen) (ESR) eingesetzt. Die Lokomotiven litten unter den primitiven Wartungsbedingungen und mussten ständig ersetzt werden. 25 ältere Lokomotiven der Achsfolge C, gebaut von Robert Stephenson & Co. aus der Mitte des 19 Jahrhunderts, gehörten dazu. Hinzu kamen 20 1'C und 10 B'B von Baldwin (Philadelphia). Von Franco-Belge befuhren 8 Maschinen der Achsfolge C und 4 mit der Achsfolge 1'B im Dienst der SMR. Auch fuhren noch weitere Maschinen der Ägyptischen Staatsbahnen. Aus den ersten Betriebsjahren der Strecke, vor allem während des Krieges, sind die Aufzeichnungen über die eingesetzten Lokomotiven aber nur lückenhaft. Anfangs kamen zum Schutz der Strecke im Sinai, als die osmanischen Truppen noch nahe waren, drei Panzerzüge zum Einsatz, die von benzingetriebenen Lokomotiven von Manning-Wardle bewegt und in der Mitte der Züge eingestellt wurden.
Ergänzende Feldbahn (762 mm)
Von Deir el Belah wurde parallel zum Frontverlauf eine zunächst 19 km lange, später auf 23 km verlängerte Feldbahn mit der Spurweite 762 mm (2ft 6') verlegt. Sie diente ebenso wie ein zweites Gleis (wieder abgebaut 1923/24) zwischen El Qantara und Rafah der logistischen Vorbereitung des Hauptangriffs auf die osmanischen Truppen. Zudem wurden alle Vorbereitungen getroffen, damit nach einem erfolgreichen Vorstoß der Bahnbau in nördliche Richtung mit dem Truppenvormarsch Schritt halten konnte. Insbesondere wurden entsprechende Pioniereinheiten gebildet.
Auf der 762 mm-Spur kamen Dampflokomotiven der American Locomotive Company (ALCO) der Achsfolge C zum Einsatz. Hinzu kamen mit Benzinmotoren ausgerüstete Lokomotiven (Achsfolge: B) von Avonside.
Vormarsch nach Palästina
Militärische Lage
Im Oktober 1917 begann die Offensive. Am 31. Oktober wurde Beerscheba eingenommen, was so schnell geschah, dass die osmanischen Truppen sich weder zurückziehen noch ihre Infrastruktur zerstören konnten. Eine Woche später fiel Gaza. Die Eisenbahnpioniertruppen begannen sofort mit ihrer Arbeit.
Streckenvortrieb durch Palästina
Am 3. Mai 1918 erreichte die Britische Militärbahn von Rafah kommend Beerscheba. Dabei wurde ein Teil des osmanischen Gleisbetts der 1050 mm-Spur der Hedschasbahn wieder verwendet. Die Küstenlinie erreichte schon am 28. November 1917 in Deir el Seneid die 1050 mm-Trasse des Gegners. Es gab Probleme, diese Strecken für britische Zwecke zu nutzen, da es der Osmanischen Militärbahn gelungen war, beim Rückzug die meisten ihrer Lokomotiven mitzunehmen. Schließlich organisierten die Briten von der Luxor-Assuan-Bahn und aus dem Sudan insgesamt 9 Kapspur-Lokomotiven (3'6"/1067 mm) B'B, Lokomotiven mit einer für ein 1050 mm-Gleis etwas zu großen Spurweite. Sie wurden aber gleichwohl eingesetzt. Der relativ leichte Oberbau, den die osmanischen Streitkräfte errichtet hatten, tolerierte das offenbar: Die Schienen wurden von den Maschinen auseinandergedrückt. Mitte November besetzten die Briten mit Nachal Sorek (Wadi es Sarar) den Talbahnhof der Strecke nach Jerusalem, das am 9. Dezember übergeben wurde.
Die Normalspurstrecke erreichte Lod im Februar 1918. Die Trasse hierher folgte nicht mehr der Vorgabe durch die Osmanische Militärbahn mit dem Umweg über Wadi Surar. Gewählt wurde vielmehr die direkte Verbindung zwischen Deir el Seneid und Lod. Von Lod wurden eine Reihe schmalspuriger Bahnen zur Front verlegt. Es wurde damit zum bedeutendsten Eisenbahnknoten im Nahen Osten.
Ergänzung durch Feldbahn (600 mm)
Jerusalem – Bira
Zwischen April und September entstand eine von Jerusalem ausgehende Feldbahn in 600 mm-Spur nach Bira, die aber bei Fertigstellung schon von den militärischen Ereignissen überholt war und nur wenige Monate betrieben wurde.
Lod – Jaffa
Auf dem alten Gleisbett der Bahnstrecke Jaffa–Jerusalem auf dem zur Materialgewinnung während des Krieges abgebauten Abschnitt von Lod nach Jaffa lag nun eine 600 mm Feldbahn, die bis in den Hafen von Jaffa weitergeführt und die mit einer Abzweigung nach Jenkin's Hill, östlich des heutigen Herzlija und einigen von diesen Linien ausgehenden Anschlussgleisen versehen wurde.
Fahrzeuge
Über die Lokomotiven der 600 mm-Spur ist nur wenig bekannt. Es kamen 2'C Dampflokomotiven sowohl von Baldwin als auch von Hunslet (Leeds) zum Einsatz. Hinzu kamen 45 benzingetriebene Zugmaschinen „Crewe" and „Simplex". Die Maschinen des Typs „Crewe" waren Ford Modell T mit schienengängigen Rädern und im Einsatz nicht sehr erfolgreich.
Ergänzende Feldbahn (762 mm)
Von Lod wurde in nördliche Richtung nach Ras el Ain (heute: Rosch haAjin) eine Strecke in 2'6"-Spurweite (762 mm) gebaut. Die Trasse folgte weitgehend der osmanischen Militärbahn. Von dieser Strecke führte ein Abzweig von Kefar Jinis über Bet Navallat nach Lubban, ein anderer Zweig endete in Tireh.
Britischen Militärbahnen in Palästina
Die verschiedenen britischen Militärbahnen wurden schließlich 1918 zur Palestine Military Railways (PMR) zusammengefasst.
Strecken
Lod war zum Ende des Ersten Weltkriegs der bedeutendste Eisenbahnknoten im Nahen Osten. Im Bahnhof von Lod trafen sich für kurze Zeit vier Spurweiten: 600 mm nach Jaffa/Tel Aviv, 762 mm nach Tireh und Lubban, 1050 mm nach Jerusalem (seit Ende Januar 1918 wieder in Betrieb), und die Normalspur nach Haifa (seit Ende 1918), El Qantara und Kairo. In Haifa erreichte das Gleis der normalspurigen Bahn den Bahnhof der Hedschasbahn – später Haifa Ost – Ende 1918 oder im Januar 1919.
Umspurungen
Diese betrieblich unbefriedigende Situation sollte behoben werden. Noch während des Krieges wurde begonnen, die Bahn nach Jerusalem auf Normalspur umzustellen. Dies geschah von Lod aus zunächst mit einem Dreischienengleis, das bis Artuf führte. Diese Arbeiten waren innerhalb eines Monats Ende März 1918 beendet. Ende April wurde der Rest der Strecke in Angriff genommen. Hier wurde der Verkehr täglich für 8 Stunden unterbrochen, ein entsprechendes Stück der Schmalspur herausgerissen, der Oberbau erneuert, das Gleis in Normalspur, dazwischen aber noch einmal die Gleis der Schmalspur verlegt, so dass ein Vierschienengleis entstand.[1] Die Ausweichgleise wurden als Dreischienengleis ausgeführt. Anschließend lief der Schmalspur-Betrieb über die Strecke weiter. Am 15. Juni konnte dann der Normalspurbetrieb auf der Gesamtstrecke aufgenommen werden.
Weiterhin wurde die osmanische Trasse von Nachal Sorek (Wadi es Sarar) nach Beerscheba zwischen Mai und Juli 1918 auf 1435 mm umgespurt, der Betrieb allerdings schon drei Monate später wieder eingestellt. Die letzten osmanischen Gleisanlagen südlich von Beerscheba wurden erst 1924 demontiert, seit dem Krieg aber nicht mehr genutzt.
Der Abschnitt Lod – Jaffa wurde dagegen erst im September 1920 von 600 mm auf 1435 mm umgestellt und am 6. Oktober in Betrieb genommen. Dabei blieb der Abschnitt Jaffa-Bahnhof – Jaffa-Hafen in 600 mm bis 1927 in Betrieb und wurde 1929 abgerissen, bevor er durch Regelspur ersetzt wurde. Dieser Rest der 600 mm Bahn befand sich im Eigentum der Stadt Jaffa und wurde mit zwei Lokomotiven mit Verbrennungsmotoren betrieben, die auf 4 bis 8 Flachwagen die Güter durch enge Straßen und Hinterhöfe zum Bahnhof von Jaffa zogen. "Terezina" wurde das Bähnchen genannt – eine arabisierte Form von "Draisine".
Fahrzeuge
Die PMR erhielt aus englischen Beständen ca. 30 Jahre alte Lokomotiven: 36 Maschinen der Achsfolge C von der London and South Western Railway, dort unter der Bezeichnung 0395 geführt, und 42 Maschinen der gleichen Achsfolge von der London and North Western Railway – die meisten davon, nachdem sie kurz in Frankreich eingesetzt waren. Sechs der Lokomotiven der London & South Western Railway wurden kurze Zeit später nach Mesopotamien abgegeben, wo sie schließlich für die Irakische Staatsbahn fuhren. Die übrigen Maschinen wurden in den 20er und 30er Jahren außer Dienst gestellt. Eher eine Kuriosität stellt eine Maschine der Achsfolge C von Hanomag (Werknummer 6788) dar. Von der britischen Marine während der Auslieferung auf hoher See beschlagnahmt, wurde sie der PMR zugewiesen und als in der Wartung schwieriges Einzelstück bereits 1928 wieder ausgeschieden.
Schon 1918, während der letzten Kriegsmonate, begann die PMR sich auf den Verkehr im Frieden einzurichten. Sie brauchte dafür vor allem moderne, weniger störanfällige Lokomotiven. England konnte, erschöpft durch seine Kriegsanstrengungen, diese nicht liefern. So ging der Auftrag für die 2'C Lokomotiven mit Schlepptender an Baldwin, USA. Die ersten 10 wurden im April 1919 geliefert. Sie blieben 40 Jahre im Dienst, soweit sie nicht zuvor im Zweiten Weltkrieg oder durch Terroranschläge so beschädigt wurden, dass sie außer Dienst gestellt werden mussten. Die Nr. 901 dieser Baureihe war die letzte Dampflokomotive, die bis Ende der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts in Israel fuhr.
Die ersten Personenwagen der PMR für den Zivilverkehr kamen aus England: 13 von der London & South Western, 17 von der Midland Railway. Schon in England für Sanitätsdienst umgebaut wurden sie nach dem Krieg in Palästina erneut für den Personenverkehr umgerüstet.
Auflösung
Als sich nach dem Ersten Weltkrieg das Osmanische Reich auflöste und die Grenzen im Nahen Osten neu gezogen wurden, entstand daraus auch das britische Mandatsgebiet Palästina. Die dazugehörige Eisenbahn, aus den mehr oder weniger zufällig in diesem Territorium liegenden Gleisen gebildet, waren die Palestine Railways (PR). Sie wurden am 1. Oktober 1920 ins Leben gerufen und übernahm den Betrieb der Britische Militärbahnen in Palästina (Palestine Military Railways - PMR).
Literatur
- Paul Cotterell: The Railways of Palestine and Israel. Tourret Books, Abingdon 1986, ISBN 0-905878-04-3.
Einzelnachweise
- ↑ Coterell, S. 28, bildet eine Fotografie dieses Betriebszustandes ab.
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