Bundeswahlgesetz

Bundeswahlgesetz

Das Bundeswahlgesetz (BWahlG oder BWG) konkretisiert in Deutschland die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 38 ff. GG in Bezug auf die Bundestagswahlen. Das Bundeswahlgesetz muss im engen Zusammenhang mit den Regelungen im Grundgesetz gesehen werden.

Zum Ablauf von Bundestagswahlen siehe Hauptartikel Bundestagswahlrecht.

Basisdaten
Titel: Bundeswahlgesetz
Abkürzung: BWahlG, BWG
Art: Bundesgesetz
Geltungsbereich: Bundesrepublik Deutschland
Rechtsmaterie: Staatsrecht
Fundstellennachweis: 111-1
Ursprüngliche Fassung vom: 7. Mai 1956
(BGBl. I S. 383)
Inkrafttreten am: 21. Mai 1956
Neubekanntmachung vom: 23. Juli 1993
(BGBl. I S. 1288, 1594)
Letzte Änderung durch: BVerfGE – 2 BvC 1/07, 2 BvC 7/07 – vom 3. Juli 2008 (BGBl. I S. 1286)
Inkrafttreten der
letzten Änderung:
18. Juli 2008
2. BVerfGE – 2 BvC 1/07, 2 BvC 7/07 – vom 3. Juli 2008[1]
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Inhaltsverzeichnis

Grundprinzipien

In Art. 38, Art. 39 und Art. 41 GG sind nur wenige, jedoch strenge Voraussetzungen für eine Wahl enthalten. Diese sind:

Diese Regelung ist nach ständiger Staatspraxis und der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts mit dem Prinzip der allgemeinen Wahl vereinbar.

  • Fünf Wahlrechtsgrundsätze:
    • Allgemeine Wahl: Alle Deutschen sind (bis auf wenige Ausnahmen) ab dem Mindestalter berechtigt zu wählen und gewählt zu werden. Ausländer könnten nur das Wahlrecht erhalten, wenn dies im Bundeswahlgesetz vorgesehen werden würde. Für eine solche Änderung ist jedoch auch eine Änderung von Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG erforderlich.
    • Unmittelbare Wahl: Keine Zwischenschaltung von Wahlfrauen und -männern, zulässig ist jedoch die Listenwahl nach § 4 und § 27 BWahlG, die Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG konkretisiert (§ 1 Abs. 2 Parteiengesetz).
    • Freie Wahl: Keine Verpflichtung zur inhaltlichen Entscheidung einer Wahl. Eine Wahlpflicht (wie z. B. in Belgien) wäre jedoch nach Art. 20 Abs. 2 GG zulässig und müsste im Wahlgesetz verankert sein. Keine freie Wahl läge vor, wenn Wahlwerbung auf Staatskosten erfolgen würde. Davon ist jedoch die allgemeine (und zulässige) Öffentlichkeitsarbeit der Regierung zu unterscheiden.
    • Gleiche Wahl: Jede Stimme soll den gleichen Zählwert und die gleiche Erfolgschance haben. Daher müssen die Wahlkreise etwa gleich groß an Stimmen sein (Gefahr des Gerrymandering). Problematisch sind auch die Überhangmandate, die nach § 6 Abs. 5 BWahlG ohne Ausgleichspflicht erteilt werden. Unter den Grundsatz der Wahlgleichheit fällt auch die Wahl des Sitzzuteilungsverfahrens – auch wenn momentan noch große Parteien begünstigende Zuteilungsverfahren als zulässig gelten, wird dies in der aktuellen Diskussion und in einem anhängigen wahlprüfungsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht [Stand: Februar 2006] in Frage gestellt.
    • Geheime Wahl: Der Wähler ist berechtigt, dass seine eigene Entscheidung geheim bleibt. Problematisch ist dies lediglich bei der Briefwahl (§ 36 BWahlG). Diese sieht man jedoch als gerechtfertigt an, da ansonsten die höherwertige Allgemeinheit der Wahl beeinträchtigt werden würde.

Daneben wird auf einfachgesetzlicher Ebene, nämlich im Bundeswahlgesetz selbst als dessen mit Abstand wichtigste Bestimmungen, festgelegt:

    • Verhältniswahl: Die Stimmen werden grundsätzlich auf Listen (v. a. von Parteien) verteilt und garantieren diesen eine anteilsmäßige Vertretung im Bundestag, § 6 Abs. 2,3 BWahlG[2]. (Ein Wahlkreis-Mehrheitssystem nach englischem Modell wäre mit dem Grundgesetz vereinbar.)
    • Sperrklausel: Im Sinne des Gesetzes unbedeutende Parteien werden nicht nur in unbedeutendem Umfang, sondern überhaupt nicht im Bundestag repräsentiert. Sie wird im Kontext der Erfolgswertgleichheit weitgehend als verfassungsmäßig angesehen, auch wenn ihre Rechtfertigung – Zersplitterungsverhinderung aus politischen Erwägungen - nicht explizit verfassungskräftig ist. Darin daß von ihr, realisiert als Mindeststimmenanteil von 5 % (§ 6 Abs. 6 Satz 1 BWahlG), Parteien ausgenommen sind, die drei Direktmandate erhalten, wird von einigen Rechtswissenschaftlern eine Ungleichbehandlung mit Parteien gesehen, die ebenfalls weniger als 5 % der Zweitstimmen, aber keine drei Direktmandate erzielen („Problem des Grundmandats“).

Weitere Konkretisierungen des BWahlG

Das Bundeswahlgesetz gibt die Zahl der zu wählenden Abgeordneten vor (derzeit 598). Es teilt mit der Anlage (Stand vom 23. Juli 2005) das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in Wahlkreise ein (§ 2 BWahlG). Die Wahlkreiseinteilung muss sich dem Verlauf der Landesgrenzen anpassen, die Schwankungsbreite von 15 % über und unter dem Mittel darf bei der Bevölkerungszahl nicht über- oder unterschritten werden, das Gebiet muss zusammenhängend sein (§ 3 BWahlG).

Der Wahlberechtigte kann zwei Stimmen, die Erststimme für den Direktkandidaten und die Zweitstimme für die Partei der Landesliste, abgeben (sog. Personalisierte Verhältniswahl, § 4 bis § 7 BWahlG). (Erläuterung siehe: Bundestagswahl)

Als Wahlorgane werden der Bundes-, Landes- und Kreiswahlleiter mit jeweils einem Wahlausschuss gebildet. Für den Wahlbezirk wird ein Wahlvorstand ernannt (§ 8, § 9 BWahlG). Die Berufung in ein solches Organ ist ein Ehrenamt, das nur aus gutem Grund abgelehnt werden darf.

Der Wahltag selbst wird durch den Bundespräsidenten angeordnet. Er muss auf einen Sonntag oder einen gesetzlichen Feiertag fallen. Grundsätzlich ist der Turnus von vier Jahren ausschlaggebend. Der Bundespräsident muss den Wahltag daher frühestens 46 Monate und spätestens 48 Monate nach der Einberufung des vorhergehenden deutschen Bundestages festsetzen.

Die Stimmzettel (§ 30 BWahlG) sind amtlich herzustellen. Neben den Personenvorschlägen werden die Parteien der Landesliste mit deren ersten fünf Bewerbern gelistet. Die Reihenfolge richtet sich nach den Stimmen bei der letzten Bundestagswahl, wenn die Landesliste zuvor nicht daran teilgenommen hat, so werden diese Parteien alphabetisch gelistet.

Die Wahlhandlung (§ 31 bis § 35 BWahlG) ist öffentlich, während die Stimmabgabe geheim ist. Beeinflussungen der Wähler durch Wort, Ton, Schrift oder Bild sind unzulässig. Zur Stimmabgabe sind Wahlkabinen zu stellen, die eine geheime Abgabe ermöglichen. Wer gehindert ist zu wählen, weil er nicht lesen kann oder weil er durch körperliche Umstände nicht wählen kann, kann sich der Hilfe einer anderen Person bedienen.

Der Wähler macht mit einem Kreuz bei den Kandidaten der Erststimme und einem Kreuz bei den Parteien der Zweitstimme seine Wahl kenntlich. Das Kreuz ist in dem dafür vorgesehen Kreis zu machen. Der Stimmzettel ist dann so zu falten (gegebenenfalls in einen Umschlag zu stecken), dass seine Wahl nicht erkennbar ist. Der Stimmzettel ist dann in die Wahlurne zu werfen. Inzwischen sieht das Bundeswahlgesetz die fakultative Möglichkeit der Stimmabgabe auch mit sog. Wahlgeräten vor.

Nach Auszählung aller Stimmen des Wahlbezirkes wird das Ergebnis an den Kreiswahlleiter geleitet. Von dort an den Landes- und von dort an den Bundeswahlleiter. Das amtliche Ergebnis ist festzustellen.

Nachwahl, Ersatzwahl und Wiederholungswahl

Besondere Vorschriften gelten für die Nach-, Ersatz- oder Wiederholungswahlen. Eine Nachwahl ist durchzuführen, wenn im Wahlkreis oder -bezirk die Wahl nicht stattgefunden hat oder stattfinden konnte oder ein Wahlbewerber nach der Zulassung und vor der Wahl verstirbt. Eine Ersatzwahl findet statt, wenn ein direkt gewählter Abgeordneter ausscheidet, der für eine Partei oder Wählergruppe kandidiert hat, für die keine Landesliste zugelassen war. War hingegen eine Landesliste zugelassen und diese ist erschöpft, das heißt es gibt keine Nachrücker mehr auf der Liste, bleibt der Sitz unbesetzt. Diese im deutschen Gesetz als Ersatzwahl bezeichnete Wahl wird sonst auch Nachwahl genannt. Die Wiederholungswahl ist durchzuführen, wenn sie aufgrund einer Wahlprüfungsbeschwerde notwendig wird. Die Wiederholungswahl findet spätestens 60 Tage nach der Entscheidung statt.

Erfolgreiche (gültige) Wahl

Mit der Erlangung eines Direktmandats oder durch Erlangung eines Mandats über die Listenwahl wird der Bewerber Mitglied des Deutschen Bundestages.

Verstöße

Verstöße gegen das Bundeswahlgesetz können als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden (§ 49 BWahlG). Schwerer wiegende Verstöße wie Wählerbestechung oder Wahlfälschung sind Straftaten (§ 107 bis § 108b StGB).

Gemäß eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Juli 2008 verstößt die aktuelle Fassung des Bundeswahlgesetzes durch die Möglichkeit eines negativen Stimmgewichts gegen den im Grundgesetz verankerten Grundsatz der Gleichheit und Unmittelbarkeit der Wahl. Das Gericht verpflichtet darin den Gesetzgeber, bis zum 30. Juni 2011 eine Neuregelung zu finden.[3] Diese Frist ist jedoch ohne eine entsprechende Gesetzesnovelle verstrichen.

Schlussvorschriften

Zum Bundeswahlgesetz ist die Bundeswahlordnung zur Konkretisierung der Wahlvoraussetzungen insbesondere der Briefwahl erlassen worden. Diese Rechtsverordnung bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrats. Als Anlage ist dem Gesetz die Wahlkreiseinteilung beigefügt.

Siehe auch

Literatur

  • Wolfgang Schreiber, Bundeswahlgesetz (BWahlG), Kommentar. 8. Auflage. Carl Heymanns Verlag, Köln 2009, ISBN 3-45-226948-5.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Veröffentlichung der Entscheidungsformel gemäß § 31 Abs. 2 BVerfGG.
  2. § 6 Abs. 4: Die Sieger in den Wahlkreisen werden nichtsdestoweniger auf die Landeslisten verteilt, so daß sich bis auf Überhangmandate und die Direktmandatsberücksichtigung in der Sperrklausel eine Verhältniswahl ergibt.
  3. BVerfG, 2 BvC 1/07 vom 3.7.2008, Absatz-Nr. (1 - 145), abgerufen am 6. Juli 2011
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