Gerrymandering

Gerrymandering
Satirische Darstellung der Wahlbezirke Massachusetts aus dem Jahr 1812

Gerrymandering [ˈd͡ʒɛɹɪmændəɹɪŋ], ein Begriff der Politikwissenschaft, ist die absichtliche, dem Stimmgewinn dienende Manipulation der Grenzen von Wahlkreisen bei einem Mehrheitswahlsystem. Der Begriff ist benannt nach Elbridge Gerry, einem Gouverneur von Massachusetts des frühen 19. Jahrhunderts und späteren US-Vizepräsidenten, dessen Wahlbezirk nach einem Neuzuschnitt – wie ein zeitgenössischer Zeitungskarikaturist bemerkte – einem Salamander glich. Daher auch der Name Gerry + Salamander. Obwohl Gerrys Name mit einem harten G ausgesprochen wurde, ist für das Wort Gerrymandering die Aussprache wie im Wort „Dschungel“ üblich.

Die Manipulation setzt damit an der Wahlkreisgeometrie und nicht der Wahlkreisgröße an. Ein reines Verhältniswahlrecht schließt Gerrymandering aus; gemischte Systeme wie in Deutschland reduzieren zumindest den durch Gerrymandering erzielbaren Effekt.

Inhaltsverzeichnis

Strategien

Beim Gerrymandering sind mehrere Strategien zu unterscheiden:

Veranschaulichung: Trotz Überzahl der blauen „Stimmen“ entsteht durch den Zuschnitt der drei „Wahlkreise“ eine Mehrheit für die rote „Partei“.
  • Verdünnung:
    Wahlkreiszuschnitt, sodass die Opposition den Wahlkreis nicht gewinnen kann und die oppositionellen Stimmen verfallen.
  • Hochburgbildung:
    Möglichst viele Wähler der Opposition in einem „Wegwerf“-Wahlkreis zusammenfassen, sodass viele überschüssige, für den Wahlerfolg nicht mehr benötigte Stimmen anfallen, die der Opposition dann in anderen Wahlkreisen fehlen.
  • Aufeinanderhetzung:
    Dies ist dann möglich, wenn nur Bewohner dieses Wahlkreises darin auch wählbar sind. Ein Wahlkreis wird so gebildet, dass zwei zur Zeit aktive Abgeordnete der Opposition ihren Wohnsitz darin haben. Einer der beiden muss umziehen oder bei der nächsten Wahl gegen den anderen kandidieren oder seinen Sitz aufgeben.
  • Eine Hand wäscht die andere:
    Beide Parlamentsfraktionen teilen gemeinsam die Wahlkreise so auf, dass derzeitige Sitzinhaber mit großer Wahrscheinlichkeit wiedergewählt werden, während Gegenkandidaten wenig Chancen haben. Anstrengende Wahlkampagnen und schwer zu haltende Wahlversprechen werden somit vermieden, auch müssen die Abgeordneten kaum noch Rücksicht auf die Wechselwähler der politischen Mitte nehmen und können somit besser auf Parteilinie gebracht werden.

Auftreten

Durch geschicktes Ziehen der Wahlkreisgrenzen kann bei gleicher Stimmenzahl für jede Partei ein Vorsprung erzielt werden.

In den USA

Das Gerrymandering wird in den Vereinigten Staaten von Amerika inzwischen systematisch per Computer und Data-Mining durchgeführt, so dass im Repräsentantenhaus nur noch ca. 1/15 der Sitze wirklich regelmäßig umkämpft sind. Die übrigen sind inzwischen mehr oder minder zum Gewohnheitsbesitztum der beiden Parteien geworden. Im Senat, wo die Wahlbezirke den ganzen Bundesstaaten entsprechen und Gerrymandering somit unmöglich ist, sind knappe Ergebnisse und spannende Wahlkämpfe dagegen viel häufiger. Allerdings sind auch die Grenzen der Einzelstaaten teilweise auf Gerrymandering bei der Umwandlung von Territorien in Staaten im 19. Jahrhundert zurückzuführen. Im Fall Vieth v. Jubelirer urteilte 2004 der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten, dass Gerrymandering erlaubt ist, solange es aus politischen und nicht etwa aus rassistischen Gründen praktiziert wird.[1]

In der Regel werden Wahlkreise in den Einzelstaaten alle zehn Jahre kurz nach der Volkszählung neu eingeteilt. Nachdem die Republikaner im Jahr 2002 in Texas zwischen den Volkszählungen die Mehrheit in der Staatslegislative eroberten, ersetzten sie 2003 die zugunsten der Demokraten vorgenommene Wahlkreiseinteilung zur Wahl des Bundesrepräsentantenhauses durch eine zugunsten der Republikaner veränderte. Bei der Wahl 2002 hatten die Republikaner 59 % und die Demokraten 40 % der Stimmen für das Bundesrepräsentantenhaus erzielt, die Demokraten erhielten jedoch 17 (53 %) und die Republikaner nur 15 (47 %) Repräsentanten. Nach der Neueinteilung erhielten die Republikaner bei der Wahl 2004 mit 58 % der Stimmen 21 Repräsentanten (66 %) und die Demokraten mit 41 % der Stimmen 11 Repräsentanten (34 %). Die Neueinteilung erregte große Aufmerksamkeit, weil einige demokratische Abgeordnete sie zu verhindern versuchten, indem sie in Nachbarstaaten flohen und so das Zustandekommen des in Texas geltenden Quorums von 2/3 der Abgeordneten verhinderten. Zeitweise fahndete das Ministerium für Innere Sicherheit erfolglos nach diesen Abgeordneten.[2][3]Nach mehreren Sondersitzungen konnten die Republikaner den Plan schließlich durchsetzen. Anschließend wurde die neue Wahlkreiseinteilung gerichtlich angegriffen. Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten entschied 2006 schließlich, dass die Neueinteilung auch zwischen den Volkszählungen im Wesentlichen rechtmäßig sei, ein Wahlkreis müsse aber neu abgegrenzt werden, weil die dortige Mehrheit der Latinos ohne rechtfertigenden Grund aufgehoben worden sei, was eine verbotene rassische Diskriminierung darstelle.

Weiteres Vorkommen

Umstritten sind Praktiken des Gerrymandering auch:

Andererseits kamen laut wahlrecht.de (s. u.) sogar beim Neuzuschnitt der Bundestagswahlkreise in Berlin Vorwürfe auf, hier würden West- und Ostbezirke so miteinander verknüpft, dass die Chancen der PDS auf Direktmandate dabei minimiert wurden, wofür auch das Ergebnis der Bundestagswahl 2002 sprechen könnte. Bei der Bundestagswahl 2005 gab es diesen Effekt nicht. Ein weiterer, in Deutschland vorgekommener Fall ist die Abstimmung über den Zusammenschluss des Landes Baden-Württemberg nach dem Zweiten Weltkrieg.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. sueddeutsche.de: Wahl ohne Überraschung - Der Sieg des Salamanders
  2. TP: Homeland Security jagt Politiker
  3. CNN: Fugitive Texas Democrats declare victory

Weblinks


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