Am Puttenser Felde

Am Puttenser Felde
52.3824899.720524
Haus Nr. 8 von Am Puttenser Felde, rechts daneben Haus Nr. 7

Die Straße Am Puttenser Felde in Hannover grenzt direkt an die Keimzelle des Stadtteils Nordstadt rund um den Alten Jüdischen Friedhof. Hier lebte der Spiegel-Mitbegründer Leo Brawand in seiner frühen Kindheit.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Mittelalter

Blick vom Balkon des Welfenschlosses über das "Puttenser Feld", wo heute die Technische Informationsbibliothek der "Uni" steht.

Der Name der Straße geht auf eine Siedlung zurück, die 1022 als "Puttenhusen" zum ersten Mal urkundlich erwähnt wird. [1] Damals lagen in Puttenhusen, wie auch andernorts rund um Hannover, Besitzungen des Hildesheimer Michaelisklosters aus dem Vermächtnis des Bischofs Bernward von Hildesheim.

19. Jahrhundert

Nachdem die Siedlung im Mittelalter wüst geworden war, gab es nur noch das "Puttenserfeld" im Dreieck von Schloss Montbrillant, dem Alten Jüdischen Friedhof und der Herrenhäuser Allee. Der ehemalige Gartenweg "Am Puttenserfelde" war teilweise bereits mit Gartenhäusern auf erschlossenen Parzellen bestanden und diente als Verbindung von der Nienburger Straße zum Alten Judenfriedhof. Von der ursprünglich ländlichen Besiedelung durch die Kleinbürger und "Gartenleute" der "Steintorgartengemeinde" hat sich ausschließlich das Gartenhaus von 1820 erhalten.

Etwa zeitgleich mit dem Bau des Welfenschlosses und der Erschließung der westlichen Nordstadt als Wohngebiet für den gehobenen Mittelstand begann die Überbauung der Gartengrundstücke entlang des Georgengartens. Nachdem der zum Schloss ausgerichtete Marstall die alte Wegführung östlich des Parks "Puttenserfeld" unterbrach, wurde 1865 dieser größere Teil der Strasse umbenannt in "Parkstraße" (ab 1936 dann Wilhelm-Busch-Straße). Am verbliebenen Reststück "Am Puttenser Felde", der Sackgasse hinter dem Marstall, entstanden vor 1900 Wohnhäuser für einfache Leute.

Hausnummern 7 und 8

Das kleine Nebenhaus von Nr. 7 vom Hof aus. Das alte Holzfenster imitiert noch den Hannoverschen Rundbogenstil.

Am Ende der Straße entstanden die ältesten und zugleich kleinsten Häuser mit den Hausnummern 7 und 8. Sie waren Wohn- und Arbeitsort kleinerer Handwerker und Fuhrleute. Die Fronten der weit zurückgesetzten Häuser auf Sandsteinsockel sind geprägt durch aufeinander bezugnehmende Gliederung mittels Zwerchhäusern und Backsteinornamentik. Die Seiten weisen dagegen überputztes Fachwerk auf. Ganz eng vor den Gebäuden bauten die Eigentümer einfache Ställe für Pferde und Kutschen, später auch für Automobile. Diese Situation hat sich nach einer Renovierung vor Nummer 7 bis heute erhalten.

Hausnummern 5 und 6

Hinter der Garage vor Haus Nr. 7: Hinterhof-Situation Haus-Nr. 5 und 6

Kurz vor 1900 entstanden als Mietsbauten die Hausnummern 5 und 6. Hinterhaus und Seitenflügel sind die älteren Gebäudeteile. Die rohen Backsteinbauten gruppieren sich um einen nur wenige Meter schmalen Hof, in den kaum Sonnenlicht dringt. Dagegen sind die Treppengeländer aufwendig gedrechselt. Die freiliegenden Stahlträger für die Geschossabsätze geben mit ihren Inschriften Hinweise auf die Bauzeiten der Gebäude: "Peiner Walzwerke 1894".

Die etwas jüngeren Vorderhäuser ("Peiner Walzwerke 1895") wurden noch mit schmalen Vorgärten versehen, welche die im Entstehen begriffene Straßenflucht vorwegnahmen. Die großenteils noch unverputzten, vorne dreigeschossigen Bauten sind sparsam verziert. Sie weisen zum Teil glasierte Ziegelsteine und Sandsteinbänder auf, die die Längsausrichtung hervorheben.

Eckhaus

Repräsentatives Eckhaus von 1897 mit zahlreichen historisierenden Elementen

Lediglich das Eckhaus Am Kleinen Felde 1 von 1897 mit Sicht auf den Alten Judenfriedhof hat den Wohnkomfort des ehemaligen Mittelstandes. Im Erdgeschoss befand sich früher ein Einzelhandelsgeschäft.

20. Jahrhundert

Leo Brawand in der Weimarer Republik

Exemplarisch für die vielen "Schmuddelkinder" im Arme-Leute-Viertel zeichnete Leo Brawand in seiner autobiographischen Erzählung Die Leute vom Damme... (gemeint ist der spätere Wohnsitz am Engelbosteler Damm) anhand seiner eigenen Kindheit ab 1926 auch eine Milieustudie rund um die Häuser Am Puttenser Felde:

Im Haus Nummer 7 (Leo Brawand hatte nachträglich irrtümlicherweise die Hausnummer "9" angegeben[2]) lebte die Familie Brawand, ohne Vater, zu viert in einer 2-Zimmer-Dachkammerwohnung ohne elektrischen Strom. Die alleinerziehende Mutter von Leo Brawand arbeitete - trotz "Stütze" vom Wohlfahrtsamt - heimlich und schwarz am Waschtrog und als Putzhilfe, um mit dem Ersparten und den Kindern "raus aus der Sackgasse" und rein in die "bessere Gegend" am Engelbosteler Damm 119 (heute Nummer 45) zu ziehen. Auf dem Hof von Haus Nummer 7 befand sich ein Plumpsklo für alle Bewohner.

Nach 1945

Nach dem Zweiten Weltkrieg, den die Häuser nahezu unbeschädigt überstanden haben, entstand in den 1960er Jahren in einer Baulücke das Haus Nummer 2. Hinter der Eingangstür befindet sich eine ehemalige Garage, da der Bauherr genügend Stellplätze vorweisen musste.

Ende 20. Jahrhundert

Die Gebäude standen am Ende des 20. Jahrhunderts nahezu gänzlich im Besitz der Leibniz Universität Hannover, die die Häuser zwecks Vergrößerung des Universitätsbetriebes abreißen lassen wollte. Daraufhin gab es Hausbesetzungen, Duldungen, Miet- und Pachtverträge sowie Renovierungen in Eigenhilfe durch die Bewohner und Unterstützer-Vereine wie das Wohnprojekt Baukasten e.V. Seitdem wird die Straße von den Anwohnern auch kurz "Putti" genannt.

21. Jahrhundert

Im Jahr 2003 wurden im Rahmen der Nordstadt-Sanierung die Häuser mit den Nummern 3, 4, 5, 6 und 6A von der 1988 gegründeten Wohnungsgenossenschaft "WOGE Nordstadt eG" erworben. Dies erfolgte nachdem ein Konzept mit dem Nutzerverein und heutigen Mieter "Putti nonstop e.V." entwickelt worden war, das Instandsetzung und Teilmodernisierung auch durch Eigenleistungen der Bewohner beinhaltete.

Literatur

  • Leo Brawand: Die Leute von Damme. Familiäres und Geschichtliches aus Hannover, Leuenhagen & Paris, Hannover 1998, ISBN 3-923976-25-9
  • Klaus Mlynek: Hannover Chronik / von den Anfängen bis zur Gegenwart / Zahlen, Daten, Fakten
  • Wolfgang Neß, Ilse Rüttgerodt-Riechmann, Gerd Weiß (Redakteur mit Walter Wulf), Marianne Zehnpfennig: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland / Baudenkmale in Niedersachsen / Stadt Hannover, Teil 1, (Bd.) 10.1, Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbh, Braunschweig 1983, hier: S. 100ff. ISBN 3-528-06203-7

Weblinks

 Commons: Am Puttenser Felde (Hannover) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Hannover Chronik: von den Anfängen bis zur Gegenwart, S. 10-11 und S. 129. Nach "Baudenkmale in Niedersachsen" S. 100 1062
  2. "Wir Leute vom Damme, S. 15

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