Außenpolitik Chinas

Außenpolitik Chinas

Die Außenpolitik der Volksrepublik China bezeichnet jegliche politische Beziehungen zwischen der Volksrepublik China als Staat und anderen politischen Organisationen außerhalb Chinas. Hierbei kann es sich einerseits um bilaterale Beziehungen mit einem anderem Staat, z.B. den Außenbeziehungen zwischen China und den Vereinigten Staaten, oder um multilaterale Beziehungen mit mehreren Staaten gleichzeitig handeln, beispielsweise auf der Ebene der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN).

Inhaltsverzeichnis

Historischer Hintergrund der Außenpolitik Chinas

siehe die Geschichte Chinas

Außenbeziehungen des Kaiserreichs China bis hin zum 19. Jahrhundert

Grundlage für Chinas Beziehung zu anderen Staaten ist sein Selbstverständnis, dessen ethnozentrisches Weltbild bereits in der Selbstbezeichnung des ehemaligen chinesischen Kaiserreichs deutlich wird: Königreich der Mitte (zhong guo). Dieses Reich wird durch den chinesischen Kaiser - dem Himmelssohn -, dessen Machtanspruch sich von seiner göttlichen Natur ableitet, zentralistisch beherrscht. Eingebunden ist dieses Weltbild in der chinesischen Kultur durch die Philosophie des Konfuzianismus, welche Loyalität und Gehorsam gegenüber der Obrigkeit positiv bewertet. Mit Bezug auf die Außenbeziehungen des Kaiserreichs wurde der Konfuzianismus mit seiner urban geprägten Betonung der Wichtigkeit sozialer Harmonie von den Chinesen auch als Element einer chinesischen zivilisatorischen Überlegenheit angesehen. Während dieser chinesische Überlegenheitskomplex zwar in allen Beziehungen Chinas zu Völkern in seiner Umgebung ihren Ausdruck fand, war er besonders stark mit Hinblick auf die nördlich Chinas lebenden Nomadenvölkern - aus chinesischer Sicht Barbaren - ausgeprägt. Die Bedeutung dieses chinesischen Überlegenheitskomplex wird in den Worten des britischen Historikers John Fairbank deutlich: "Die politische Theorie der Überlegenheit des Himmelssohns über Ausländer war ein wesentlicher Bestandteil der Machtstruktur des chinesischen Staates. In seinem Kaiserreich unangefochten, behauptete er niemals außerhalb [des Kaiserreichs] mit Gleichrangigen zu tun gehabt zu haben, und dies half ihm innen unangefochten zu bleiben."

Eine Korrektur dieses Weltbildes wäre allenfalls dadurch möglich gewesen, dass die chinesische Gesellschaft verstärkt fremden Einflüssen ausgesetzt worden wäre. Die gesellschaftliche Klasse der Händler, welche traditionell am meisten mit Fremden interagierten, genoss jedoch in der stark agrarisch geprägten Gesellschaft des alten Chinas nur wenig Ansehen. Obwohl Händler im alten China erhebliche Macht durch den Reichtum, den sie oftmals erwarben, besaßen, wurden sie häufig insbesondere in Süd- und Ostchina aufgrund ihrer Aktivitäten zur See auf eine Stufe mit den Piraten gestellt, welche über Jahrhunderte die chinesischen Gewässer unsicher machten.

Scheinbar paradox steht der chinesische Überlegenheitskomplex der Tatsache gegenüber, dass China zur Zeit des Kaisertums mehrfach durch ausländische Mächte aus dem Norden erobert wurde. Diese Mächte wurden jedoch immer in die chinesische Gesellschaft integriert und "sinisiert". Sowohl die Yuan-Dynastie im 14. Jahrhundert als auch die Qing-Dynastie im 18. Jahrhundert nahmen ihren Platz in dem Jahrtausende alten Zyklus des Aufstiegs und Falls chinesischer Kaiserdynastien ein und schufen sich eine eigenständige chinesische Identität.

Von einer gesellschaftlichen Perspektive war (und ist) die chinesische Gesellschaft im Allgemeinen tendenziell eher konservativ, traditionell und sogar isolationistisch. Neue, insbesondere ausländische Einflüsse fanden meist entweder nur sehr schwer Eingang in die chinesische Gesellschaft oder wurden wie im Falle des Buddhismus sinisiert, d.h. zu etwas kulturell eigenständig Chinesischem gemacht. In diese Konstellation spielt auch die Tatsache hinein, dass die Beziehungen des chinesischen Kaiserhofs zu anderen Staaten eher von den anderen Staaten in Richtung China ausgingen. Ein wesentlicher Faktor hierbei ist, dass China mit Ausnahme einer zwischenzeitlichen Glanzzeit im 14. und 15. Jahrhundert niemals eine Seemacht war. Bis spät ins 19. Jahrhundert war Chinas Augenmerk immer primär gen Norden gerichtet, da von den nördlichen Reitervölkern eine konstante Bedrohung für die Stabilität des Kaisertums ausging, jedoch niemals von Süden oder von Osten bzw. vom Meer aus.

Abschließend muss auf die Art und Weise wie das kaiserliche China Außenbeziehungen gestaltete hingewiesen werden. Nahezu sämtliche Beziehungen (mit der Ausnahme sino-russischer Verträge im 18. Jahrhundert) Chinas zu anderen Staaten waren bis zum 1. Opiumkrieg 1839 streng vom Prinzip chinesischer Überlegenheit abgeleitet und nahmen deswegen die Form von Tributzahlungen an. Hierbei überbrachten die Abgesandten der Völker aus Chinas Nachbarschaft dem chinesischen Kaiser Geschenke, knieten vor ihm nieder (Kotau) und erkannten somit die überlegene Macht des chinesischen Herrschers an. Im Gegenzug übergab der chinesische Kaiser den Abgesandten ebenfalls Geschenke, welche den Wert der Geschenke, welche der chinesischen Seite überbracht worden waren, meist überstiegen und die Begegnung wurde protokollarisch festgehalten. Wenn sich fremde Delegationen weigerten, vor dem chinesischen Kaiser niederzuknien - wie im Falle einer britischen Delegation im späten 18. Jahrhundert - so wurde diese Dissonanz mit dem chinesischen Weltbild spätestens im Protokoll bereinigt.

Niedergang der traditionellen Ordnung und Aufstieg des modernen Chinas

Ein hohes Bevölkerungswachstum im 18. Jahrhundert unter der Qing-Dynastie führte Anfang des 19. Jahrhunderts zu sozialen Unruhen, als Missernten in mehreren aufeinander folgenden Jahren eine Hungersnot in Südchina auslösten. Eine über Jahrzehnte schleichend erfolgte Dezentralisierung der kaiserlichen Macht weg vom Kaiserhof in Beijing hin zu den Gouverneuren der Provinzen sowie die am Kaiserhof weit verbreitete Korruption führten zu einer entscheidenden Schwächung der kaiserlichen Zentralmacht und zum langsamen Niedergang der Qing-Dynastie im 19. Jahrhundert. Als maßgeblicher, doch vermutlich nicht entscheidender Faktor kam auch das zunehmend aggressive Auftreten westlicher Mächte in der chinesischen Interessensphäre auf. Diese Aggressivität muss im Kontrast zu den Beziehungen des kaiserlichen Chinas zu westlichen Mächte im 17. und 18. Jahrhundert gesehen werden. Zu dieser Zeit kamen die prä-industriellen westlichen Handelsmächte nach China, um dort Waren wie Tee, Porzellan und Seide einzukaufen. Diese wirtschaftlichen Interaktionen geschahen jedoch damals unter strengen Richtlinien der kaiserlichen Verwaltung und Gesandtschaften des Westens waren gezwungen, dem Kaiser ihren Respekt zu erweisen. Eine weitere Interaktionsebene zwischen China und dem christlichen Westen entstand als christliche Mönche, vor allem Jesuiten, ab dem 16. Jahrhundert fortlaufend Missionierungsversuche in China starteten. Dieses Gleichgewicht änderte sich jedoch als insbesondere Großbritannien, dessen wirtschaftliche und militärische Macht durch seine fortschreitende Industrialisierung schnell wuchs, versuchte, sein Handelsdefizit gegenüber China mit dem Verkauf von Opium zu reduzieren. Die Verbreitung von Opium in Südostchina führte zu ernsthaften sozioökonomischen Problemen im Zusammenhang mit den mit Opiumkonsum allgemein verbundenen Suchterscheinungen. Die Spannungen, welche sich aus diesem problematischen Wirtschaftsverhältnis, dem chinesischen Überlegenheitskomplex und dem steigenden Selbstbewusstsein des Westens ergaben, entluden sich schließlich 1839 im Ersten Opiumkrieg, den China verlor und welcher mit dem Vertrag von Nanjing 1842 endete. Dieser Vertrag eröffnete eine Periode der gewaltsamen Öffnung Chinas durch westliche Mächte und fortschreitender Demütigung im frühen 20. Jahrhundert, welche als die 100 Jahre nationaler Demütigung in die moderne chinesische Geschichtsschreibung eingegangen ist.

Nach dem 1. Opiumkrieg zwangen mehrere europäische Großmächte neben Großbritannien – darunter das Russische Kaiserreich, Frankreich, das Deutsche Reich und Japan – China per Kanonenbootdiplomatie sich ihnen wirtschaftlich zu öffnen und die Handelsbeschränkungen, welche früher für Ausländer in China galten, aufzuheben. Merkmal dieser Politik wurden die sogenannten Ungleichen Verträge, welche der chinesische Kaiser gezwungen war mit den ausländischen Mächten abzuschließen. Im Rahmen dieser Ungleichen Verträge verlor China Hongkong 1842 an Großbritannien und Macao 1887 an Portugal, zwei Gebiete welche erst über ein Jahrhundert später wieder an China zurückgegeben werden würden. Weitere Inhalte dieser Ungleichen Verträge war die Öffnung einer zunehmenden Anzahl von chinesischen Häfen in Süd-, Ost- und später sogar Nord-China, in welchen ausländische Händler unbehelligt Handel treiben konnten. Besonders schamvoll für die chinesische Obrigkeit war, dass sie den Ausländern in diesen Häfen Exterritorialität zugestehen musste, sodass Ausländer de facto im Herzland Chinas rechtlich so behandelt wurden, als wenn sie nicht auf chinesischem Boden stehen würden, sondern in ihren Heimatländern, und auch ausschließlich ausländischer Gerichtsbarkeit unterstanden. Das Ergebnis dieser Entwicklungen war, dass Ende des 19. Jahrhunderts weite Teile Chinas Küstenregion semikolonialer Fremdherrschaft unterstanden. Mit Hinblick auf Chinas Umgebung war eine weitere Demütigung Chinas, dass es anerkennen musste, dass ehemals China zu Tribut verpflichtete Länder wie z. B. Vietnam oder Assam zu westlichen Protektoraten und Kolonien wurden.

Insgesamt muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass während viele Aspekte der westlichen Intervention in China negative Auswirkungen hatten (z. B. Opium, Ausbeutung chinesischer Ressourcen und Arbeitskraft), auch positive Einflüsse zu verzeichnen sind (z. B. die Einführung von moderner Wissenschaft und Technologie sowie die Einführung westlicher Institutionen auf wirtschaftlicher und politischer Ebene).

Literatur

  • Zum Historischen Hintergrund der Außenbeziehungen Chinas:
    • John K. Fairbank: "China's Foreign Policy in Historical Perspective" in China Perceived, Images and Policies in Chinese-American Relations, herausgegeben durch John K. Fairbank (London: André Deutsch 1976), Seiten 41-66.

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