Bleibücher vom Sacromonte

Bleibücher vom Sacromonte

Die Bleibücher vom Sacromonte (span. Plomos del Sacromonte bzw. Libros Plúmbeos) sind im ausgehenden 16. Jahrhundert und beginnenden 17. Jahrhundert in den 'Heiligen Höhlen' des Valparaíso (Stadtteil Sacromonte) gefundene Bleitafeln synkretistischen Inhalts. Außerdem wird ein einige Jahre zuvor gefundenes Pergament unter die Bleibücher subsumiert. In der deutschsprachigen Literatur ist auch von den Bleitäfelchen die Rede.

Inhaltsverzeichnis

Auffindung der Bleibücher

Bei Abrissarbeiten in der Torre Turpiana, dem alten Minarett der Hauptmoschee von Granada wo die neue Kathedrale im Renaissance-Stil entstehen sollte, wurde am 18. März 1588 ein erster Fund gemacht. Gemeinsam in einer Kiste mit Knochen befand sich ein Pergament in arabischer, lateinischer und spanischer Sprache. Heutige Historiker gehen - auch angesichts des Vorkommens des Erzengels Gabriel in den Texten und des Umstands, dass bis zum Zweiten Vaticanum der 18. März der Patronatstag des Erzengels war - davon aus, dass der Tag für die Auffindung des Pergaments von seinen Urhebern wegen der Bedeutung Gabriels im Islam ausgewählt worden war. Einige Jahre nach der Auffindung des Pergaments wurden die eigentlichen Bleibücher auf dem Berg Valparaíso in den später als Santas Cuevas, 'Heilige Höhlen' bezeichneten Grabhöhlen aufgefunden. Insgesamt zählt man heute achtzehn Dokumente.

Inhalte

Die Pergamente und Bleibücher zeigen einen hohen Grad an Informiertheit ihrer muslimischen Verfasser, da sie neben der formalen Kenntnis des Arabischen, Griechischen und Lateinischen - und natürlich des Spanischen als Umgangssprache - sich als durchaus bewandert in der christlichen Legenden der iberischen Halbinsel und katholischen Bräuchen, wie dem Reliquienkult zeigen. Begleitet von "Reliquien", etwa in einem Taschentuch aufgefangenen "Tränen der Jungfrau Maria" und natürlich diversen Knochen, beinhalten sie u.a. eine Darstellung des Martyriums des Stadtheiligen und Schutzpatrons von Granada, des Heiligen Caecilius von Illiberis. Außerdem "prophezeien" die Schriften die Ankunft des Propheten Muḥammad und auch Martin Luthers, sowie ihre eigene Auffindung, wobei sie dem Bischof von Granada schmeicheln wollen.

Verfasserfrage

Als Kandidaten für die Urheberschaft der Dokumente werden von verschiedenen Forschern die moriskischen Gelehrten Alonso de Castillo und Miguel de Luna genannt. Beide arbeiteten für die Inquisition und hatten während des Moriskenaufstands als Übersetzer gearbeitet. Alonso de Castillo kam erst wenige Monate vor dem Auffinden des ersten Dokuments nach Granada zurück, nachdem er mehrere Jahre die arabischen Schriften im Escorial katalogisiert und zudem König Philipp II. als Übersetzer für seine Korrespondenz mit den marokkanischen Sultanen gedient hatte.
Caro Baroja schreibt die Texte, deren Verfasser ein etwas geringerer Bildungsgrad zugespochen wird, Miguel de Luna, diejenigen, deren Verfasser der höhere Bildungsgrad zugesprochen wird, Alonso de Castillo zu.

Bedeutung

Die Abadía del Sacromonte vom Cerro del Sol aus gesehen.

Bevor die Bleibücher 1682 vom Vatikan als Fälschung verurteilt wurden, galten sie in Spanien als Fünftes Evangelium, der Berg Valparaíso wurde in Sacro Monte umbenannt und es entstand über den Santas Cuevas eine große Abtei, die Abadía del Sacromonte. Im Jahr 2000 gab der damalige Kardinal Josef Ratzinger die Bleibücher der Kirche von Granada zurück. Sie sind ein wichtiges Zeugnis des Kampfes der Morisken um ihre Anerkennung und ihren Verbleib in einem Klima der Verfolgung und Ausgrenzung, welche sie durch eine Versöhnung von Christentum und Islam zu erreichen suchten. Aufgrund dieser Strategie und der Mehrsprachigkeit der Dokumente werden heute arrivierte Morisken der granadinischen Oberschicht als Urheber der Bleiplatten gesehen. Die Fiktion einer arabischsprachigen christlichen Missionierung Spaniens machte aus den Cristianos Nuevos (Neuchristen), deren Christentum von Seiten der Cristianos Viejos (Altchristen) in Zweifel gezogen wurden, potentiell noch ältere Altchristen, als die kastilischen Altchristen selbst. Neben ihrer gesellschaftsgeschichtlichen Bedeutung, sind sie auch interessante Quellen für Sprachwissenschaftler verschiedener Disziplinen, wie der Hispanistik, der Arabistik als auch der Sprachkontaktforschung.

Verschiedenes

Der spanische Schriftsteller Ildefonso Falcones gab in seinem Roman Die Pfeiler des Glaubens (orig.: La Mano de Fátima, zu deutsch: 'Die Hand Fatimas', Barcelona 2009) dem Verfasser der Bleibücher einen Namen und eine Geschichte.

Literatur

Caro Baroja, Julio: Las falsificaciones de la historia (en relación con la de España). Barcelona 1992.
Caro Baroja, Julio: Los Moriscos del Reino de Granada. Madrid 1991.
Edelmeyer, Friedrich: Philipp II. Die Biographie eines Weltherrschers. Stuttgart 2009.
Kendrick, Thomas D.: Saint James in Spain. London 1960.

Weblinks


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