Burghard Rieger

Burghard Rieger

Burghard Rieger (* 22. November 1937 in Bremen) ist ein deutscher Sprachwissenschaftler und Computerlinguist.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nach Studium an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen und der Rheinisch-Westfälischen-Technischen-Hochschule in Aachen, das Rieger dort mit Promotion (1969) abschloss, war er langjähriger Mitarbeiter von Wilhelm Fucks. Nach wissenschaftlicher Forschungs- und Lehrtätigkeit an verschiedenen Universitäten im In- und Ausland folgte seine Habilitation (1986) an der Philosophischen Fakultät der RWTH mit Ernennung zum Privatdozenten für Germanistische Linguistik. 1987 wurde Burghard Rieger auf den neuen Lehrstuhl für Computerlinguistik an der Universität Trier berufen, den er als ordentlicher Professor bis zu seiner Emeritierung 2003 innehatte.

Forschungsschwerpunkte

Analysen literarischer Trivialität im Rahmen der empirisch arbeitenden, quantitativen Literaturwissenschaft und Stilistik, die anhand von lyrischen Massenphänomenen [1] wie insbesondere dem deutschen Studentengedicht [2] die Entwicklung von Metaphern zu Klischees im diachronen Vergleich synchroner Erhebungen des verwendeten Wortmaterials quantitativ belegt.

Im Rahmen der quantitativen Linguistik entstehen Riegers Untersuchungen zur (computerlinguistischen) Semantik und Wissensrepräsentation mit Schwerpunkt Vagheit, Unschärfe und Unterdeterminiertheit von Bedeutungen. Er führte die zweistufige Analyse lexikalischer Einheiten (two-level lexical analysis) ein[3]. Dabei werden die Bedeutungen von Wörtern empirisch aus ihrem Gebrauch in großen Textmengen ermittelt, als paradigmatische Unterschiede der Kontexte ihrer syntagmatischen Verwendung in Kollokationen numerisch bestimmt und formal als unscharfe (fuzzy) Mengen des Vokabulars dargestellt.

Riegers Arbeiten zu einer dynamischen, unscharfen (fuzzy) Semantik [4] identifizieren die natürlichsprachlichen Bedeutungen mit den kognitiven Prozessen ihres Verstehens, wobei Prozeßzustände der Simulationsmodelle Repräsentationen von Wortbedeutungen und Textinhalten liefern. Seine Computermodelle (re-)konstruieren Sprachverstehen als ein dynamisches System des Erwerbs und Lernens von Bedeutungen, dessen Resultate als Zustandsänderungen überprüft und beobachtet werden können (Computational Semiotics). Sie beruhen auf der Analyse und Verarbeitung sprachliche Einheiten und Strukturen in großen Textcorpora mit Techniken der quantitativ linguistischen Datenanalyse und unscharfen (fuzzy) Modellierung zur vektoriellen Darstellung in hochdimensionalen semantischen Räumen[5].

Werke (Auswahl)

  • Poetae Studiosi. Analysen studentischer Lyrik des 19. und 20. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur exaktwissenschaftlichen Erforschung literarischer Massenphänomene. [Diss. Aachen 1969]; Frankfurt/Main (Thesen Vowinckel) 1970, ISBN 3-7677-0003-4.
  • Unscharfe Semantik. Die empirische Analyse, quantitative Beschreibung, formale Repräsentation und prozedurale Modellierung vager Wortbedeutungen in Texten. Bern/Frankfurt/New York/Paris (P. Lang) 1989, ISBN 3-631-41704-7.
  • Situation Semantics and Computational Linguistics: towards Informational Ecology. A semiotic perspective for cognitive information processing systems. in: Kornwachs, K./ Jacoby, K. (eds.): Information. New Questions to a Multidisciplinary Concept. (Proceedings of The 125th E.W.-Heraeus-Foundation-Seminar on Interdisciplinary Models of Information), [Systems Theory Series], Berlin (Akademie) 1996, pp. 285-315, ISBN 3-05-501665-3.
  • Semiotics and Computational Linguistics. On Semiotic Cognitive Information Processing, in: Zadeh, Lotfi A. / Kacprzyk, Janusz (eds.): Computing with Words in Information/ Intelligent Systems I: Foundations. Studies in Fuzziness and Soft Computing 33], Heidelberg, (Physica Verlag)1999, pp. 93-118, ISBN 3-7908-1217-X.
  • Computing Granular Word Meanings. A fuzzy linguistic approach to Computational Semiotics, in: Wang, Paul P. (ed.): Computing with Words. Wiley Series on Intelligent Systems 3], New York (John Wiley & Sons) 2001, pp. 147-208, ISBN 0-471-35374-4.
  • Semiotic Cognitive Information Processing: Learning to Understand Discourse. A systemic model of meaning constitution. in: Kühn, R./ Menzel, R./ Menzel, W./ Ratsch, U./ Richter, M.M./ Stamatescu, I.O. (Eds.): Perspectives on Adaptivity and Learning., Heidelberg/ Berlin/ New York (Springer) 2003, pp. 347-403, ISBN 3-540-00091-7.
  • On Understanding Understanding. Perception-Based Processing of NL Texts in SCIP Systems, or Meaning Constitution as Visualized Learning. in: Artás, A. / Fernández-Villacañas Martin, J.-L (Eds.): Learning: Advances in Multimedia Communications, Information Processing, and Education, IEEE Transactions on System, Man, and Cybernetics [SMC-Special Issue], Part C: Vol.34, No.4, Piscataway, NJ (IEEE) 2004, pp. 425-438, ISSN 1094-6977-04.

Literatur

  • A. Mehler, R. Köhler (Hg.): Aspects of Automatic Text Analysis. Festschrift in Honour of Prof. Burghard B. Rieger [Studies in Fuzziness and Soft Computing, vol. 209], Springer Verlag, Berlin/Heidelberg 2007, ISBN 978-3-540-37520-3.
  • Kürschners Deutscher Gelehrten-Kalender, 16. Ausgabe, de Gruyter Verlag, Berlin/New York 1992, S. 2979.
  • Wilfried Kürschner (Hg.): Linguisten-Handbuch (Bd.2: M-Z), Narr Verlag, Tübingen 1994, S. 767f, ISBN 3-8233-5000-5.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Rieger, B.: Literarische Massenphänomene und mengenorientierte Textanalyse. Zu Gegenstand und Methode der Trivialliteratur-Forschung in: de la Motte-Haber, H. (Hrsg.): Das Triviale in Literatur, Musik und bildender Kunst. (V. Klostermann) Frankfurt/Main 1972, S. 42-62
  2. Rieger, B.: Poetae Studiosi. Analysen studentischer Lyrik des 19. und 20. Jahrhunderts. (Thesen Verlag) Frankfurt/Main 1970
  3. Rieger, B.: Eine 'tolerante' Lexikonstruktur. Zur Abbildung natürlich-sprachlicher Bedeutungen auf 'unscharfe' Mengen. in: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik, Vol. 4 Heft 16, S. 31-47, 1974
  4. Rieger, B.: Unscharfe Semantik. (P. Lang Verlag) Bern/Frankfurt/New York/Paris 1989
  5. Leopold, E.: On Semantic Spaces. in: LDV-Forum. Zeitschrift für Computerlinguistik und Sprachtechnologie/ Journal for Computational Linguistics and Language Technology, Vol. 20, Heft 1, S. 63-86, 2005



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