Khanat Xiva

Khanat Xiva
Altstadt von Xiva: Itchan Kala-Tor mit Kalta Minor

Das Khanat Xiva war ein unabhängiges Khanat in Choresm. Es existierte von 1512-1920 und stand seit 1873 unter russischem Protektorat. Die Hauptstadt war zunächst Urgentsch, dann nach einer Laufänderung des Amudarja ab ca. 1620 Xiva.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Gründung

Das Khanat entstand, als die Usbeken unter der Scheibaniden-Dynastie um 1500 Transoxanien eroberten, und die Ländereien anschließend aufteilten.

Konkret gründete Ilbars (reg. 1512-1525) 1512 in Choresm (mit den Städten Köneürgenç und Xiva) eine unabhängige Herrschaft, nachdem die Bevölkerung eine Armee der persischen Safawiden aus dem Land warf. Ilbars war zwar ein Scheibanide, aber seine Nachfolger standen nicht unbedingt im guten Verhältnis zum verwandten Usbeken-Khanat, auch deshalb, weil man aus einem entfernteren Zweig der Familie (den Arabschahiden) stammte.

Vom 16. bis zum 18. Jahrhundert

Das Khanat Chiwa war militärisch, politisch, ökonomisch und kulturell weniger bedeutend als das seiner Verwandten in Buchara und Samarkand. Und zu dem traditionellen Spannungsverhältnis zwischen Nomaden und Bauern -bevorzugt Usbeken gegen Tadschiken- traten hier auch die Turkmenen als ein bedeutender Unbeständigkeits-Faktor hinzu. Die Dynastie litt unter den Rivalitäten dieser Bevölkerungsgruppen ebenso wie unter den Familien- bzw. Thronstreitigkeiten, konnte sich aber dennoch gegen die Ansprüche der Nachbarn halten.

So scheiterte um 1538 ein Eroberungsversuch Ubaidullah Khans (reg. 1533-1539) von Buchara, der blutige Familienstreitigkeiten zu einem Eingriff ausnutzte und den Khan Avanish (Avanek) tötete, aber von einem der Prinzen wieder hinausgeworfen wurde. Als der mächtige Usbekenkhan Abdullah II. (reg. 1556/1583-1598) gleichfalls Choresm zurückerobern wollte, setzte sich Hajji Muhammad (reg. 1558-1602) ca. 1594/1596 mit ihm auseinander und verbündete sich zu dem Zweck erfolgreich mit den Safawiden im Iran.

Sein Nachfolger Arab Muhammad (reg. 1603-1621) wies einen ersten russischen Vorstoß auf Urgentsch zurück. Und zwar hatten die Kosaken vom Yaik ca. 1603 einen erfolgreichen Plünderungszug gegen Urgentsch gewagt, aber der Khan schnitt ihnen den Rückweg ab und massakrierte sie. Arab Muhammad erlitt jedoch ca. 1613 eine Niederlage gegen die Kalmücken und wurde bei einer Revolte seiner Söhne abgesetzt. Zudem musste man um 1620 die Hauptstadt von Köneürgenç ins besser gesicherte Xiva verlagern.

Die Regierung in Xiva war religiös ähnlich orthodox wie die Bucharas. Immerhin betätigte sich der Khan Abu’l Ghazi Bahadur (reg. 1643-1663) als Dichter und mit dem "Schadschareh-ye Turk" auch als Geschichtsschreiber. Abu’l Ghazi schlug 1648 und 1652/3 zwei Angriffe der Kalmücken erfolgreich zurück und zog 1661 gegen den Usbekenkhan Abd al-Aziz (reg. 1645-1678) bis vor Buchara. Er war der bekannteste Fürst dieser Dynastie, auch wenn sein Sohn Anuscha (reg. 1663-1687) ähnlich energisch und gebildet war. Beide gingen zudem gegen die Turkmenen vor, welche oftmals Karawanen überfielen und Sklavenhandel betrieben.

Mit dem beginnenden 18. Jahrhundert schwand auch in Xiva die Macht der Khane.[1] Shir Ghazi (reg. 1715-1728) war der letzte effektive Khan Xivas, aber seine Regierung war unruhig und mit der Ermordung dieses Patrons der Gelehrsamkeit und Literatur brachen Stammesrivalitäten aus. Schon 1717 schickte der Zar Peter I. ein Armeekorps unter dem Fürsten Bekowitsch-Tscherkasski gegen Xiva, aber das wurde in der Wüste aufgerieben und vor Xiva hintergangen, was der Khan Jahre später mit den feindlichen Absichten Bekowitschs entschuldigte.[2]

Das folgende Jahrzehnt liegt im Dunkeln. Dann eroberte 1740 der persische Eroberer Nadir Schah die Festung von Khanka, zog in Xiva ein und ließ den Khan Ilbars II. (reg. 1728-1740) hinrichten, so daß Xiva vorübergehend unter seine Oberhoheit kam. Überwiegend wurde das 18. Jh. von ständigen Konflikten zwischen Nomaden und Sesshaften dominiert, und weder die Geistlichkeit noch die Zivilgesellschaft kamen zu größeren Einfluss. Frühere Bewässerungskanäle verfielen, Ackerland wich der Steppe und Chiwas Regierung verlor selbst im Amudarja-Delta ihren Einfluss.

Russisches Protektorat 1873

Der russische Angriff auf Xiva, Bild von Wassili Wassiljewitsch Wereschtschagin
Turkestan um das Jahr 1900

Im Jahr 1804 übernahm dann eine neue Dynastie, ein Qungrat-Clan das Khanat, nachdem sie bereits im späten 18. Jh. als Armeebefehlshaber die Geschicke des Landes dominiert hatten. Sie regierte bis 1920.

Am 12./24. August 1873 wurde Xiva zum russischen Protektorat gemacht. Der russische Angriff wurde damit begründet, dass sich Russland gegen die "Räubereien" dieses "Brigantennests" schützen müsse. Militärisch war das Khanat kein Gegner, das einzige Problem war die Durchquerung der Wüste durch Kaufmanns Truppen. Sie rückten in fünf Kolonnen von verschiedenen Seiten auf Xiva vor, koordiniert über Petersburg, und nur eine kam nicht ans Ziel. Der Sturm auf die Stadt kostete die Russen elf Tote. Im Vertrag mit dem Khan Saiyid Muhammed (reg. 1864–1910) annektierte Russland den rechten Teil des Amu-Darja-Gebietes, öffnete Handel und Schifffahrt für sich, schaffte die Sklaverei ab und verlangte eine Kriegsentschädigung (2,2 Millionen Rubel). Im Einklang mit der öffentlichen Meinung wurde das Khanat aber nicht völlig annektiert, sondern nur ein Protektorat.

Erst im Zuge der Oktoberrevolution wurde das Khanat 1920 durch die Gründung der Volksrepublik Choresmien endgültig beseitigt.

Namhafte Khane

  • Ilbars (reg. 1512-1525)
  • ...
  • Hajji Muhammad (reg. 1558-1602)
  • Arab Muhammad (reg. 1603-1621)
  • Izfendiar (reg. 1622-1643)
  • Abu’l Ghazi Bahadur (reg. 1643-1663)
  • Anuscha Muhammed (reg. 1663-1687)
  • Muhammed Erenk (reg. 1687/88)
  • ...
  • Shir Ghazi (reg. 1715-1728)

Anmerkungen

  1. Die Herrschaft der Scheibaniden-Dynastie endete zwischen 1687 und 1714. Danach waren die Khane Xivas gewöhnlich machtlose Dschingisidenprinzen, die von den Kasachen, Karakalpaken oder aus Buchara importiert wurden, oder deren Herkunft schlicht unbekannt ist. 1804 kam eine neue Dynastie an die Macht.
  2. Vgl. Howorth: History of the Mongols, S. 907ff.

Literatur

  • Henry Hoyle Howorth: History of the Mongols from the 9th to the 19th Century. Part 2: The So-Called Tartars of Russia and Central Asia. Div. 1–2. Longmans, Green & Co., London 1880 (Nachdruck: Burt Franklin, New York NY 1970 (Burt Franklin Research & Source Work series 85, ZDB-ID 844446-8)).
  • Gavin Hambly (Hrsg.): Zentralasien. 62.–63. Tsd. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-596-60016-2 (Fischer-Weltgeschichte 16).

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