- Tadschiken
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Das Wort Tadschik (persisch تاجيک Tādschīk; tdk. Тоҷик), in früheren Formen auch Tāzīk oder Tāžīk, ist seit dem Mittelalter vor allem in den iranisch- und turksprachigen Teilen der islamischen Welt eine weitere Bezeichnung für „Perser“, fast immer als Gegensatz zu „Türke“.
Die Bezeichnung hat ihren eigentlichen Ursprung im arabischen Stammesnamen „Ṭayyiʿ“. Diese hatten sich nach der muslimischen Eroberung Persiens als prominenteste arabische Gruppe in Zentralasien niedergelassen. Im Zuge der türkischen und mongolischen Eroberung Zentralasiens wurde der Name zuerst auf alle Muslime, später jedoch spezifisch auf die persischsprachige und iranische Bevölkerungsmehrheit der Region übertragen.[1][2]
Heute versteht man unter dem Begriff vor allem die persischsprachige Bevölkerung Zentralasiens, vorrangig des nach ihnen benannten Tadschikistans. Im erweiterten Sinne wird der Begriff auf politischer Ebene auch auf verwandte benachbarte Völker in Afghanistan und China ausgeweitet, doch das ist nicht immer einheitlich. So werden z.B. die ebenfalls persischsprachigen Hazara und Aimaken in der Regel nicht zu den „Tadschiken“ gezählt, während nicht-persischsprachige, jedoch iranische Völker in China oder Berg-Badachschan als „Tadschiken“ gelten, z.B. die Tadschiken Chinas.[3]
Alternativbezeichnungen für diese Gruppe sind unter anderem „Fārsī“ („Perser“), „Farsīwān“ („Persischsprachige“) und „Dīhgān“ (wrtl. „Dorfbewohner“, im Sinne von „städtisch“ bzw. „sesshaft“).[2]
Inhaltsverzeichnis
Ethnonym
Die Ursprünge des Ethnonyms Tadschik sind unbekannt, jedoch wird heute überwiegend angenommen, dass das Wort aus dem türkischen Sprachraum kommt und nach der Eroberung Zentralasiens durch Turkvölker und Mongolen die allgemeine Bezeichnung für alle Persisch-sprechenden Menschen dieser Region wurde, die iranischer Abstammung waren. Die früheste belegbare Verwendung des Wortes ist aus dem 11. Jahrhundert und geht auf die Enzyklopädie Divan Lughat al-Turk („Sammlung der Sprachen der Türken“) Mahmud al-Kaschghari zurück, der den Ausdruck Tāžīk in einem türkischen Gedicht als Synonym für „Perser“ ins Arabische übersetzte. Ab dem 11. Jahrhundert wurde Tāzīk im Herrschaftsbereich der Ghaznawiden und der mongolischen Nachfolgedynastien der Ilchaniden und Timuriden von Persern insbesondere im Umgang mit der herrschenden Klasse der Türken als Selbstbezeichnung verwendet, immer als Gegensatz zu „Türken“ oder in der Form tork-o tāzīk („Türken und Tadschiken“, im Sinne von „gesamte Bevölkerung“).
Auch im Kaukasus und Dagestan wird die Persisch-sprachige, iranische Bevölkerung nicht „Perser“, sondern Tat genannt. Im Gegensatz dazu werden die ebenfalls Persisch-sprechenden Hazara oder Aimaken nicht als Tadschik bezeichnet, da sie größtenteils nicht iranischer, sondern turko-mongolischer Abstammung sind.
Die frühere Theorie, das Wort habe seinen Ursprung in der alten Sprache der Avesta, wird heute von den meisten Historikern verworfen. Tadschikische Nationalisten bevorzugen die Herleitung vom persischen Tādsch (Krone) und geben dem Wort „Tadschik“ die Bedeutung „der Gekrönte.“
Insgesamt kann man das Wort Tadschik deshalb in seiner heutigen Bedeutung als ein Synonym für „Iraner“ betrachten, und das Volk der Tadschiken als „Perser Zentralasiens“.
Dennoch darf das Wort keineswegs als Selbstbezeichnung der Tadschiken verstanden werden. Viele Tadschiken (Ausnahme: die Tadschiken in Tadschikistan) bezeichnen sich nicht als Tadschik, sondern bekennen sich, wie die Perser im Iran, jeweils zu der Stadt oder Provinz, aus der sie stammen. Das Wort Tadschik ist eine Fremdbezeichnung, die sich durch die seit Jahrhunderten und Jahrzehnten andauernden Fremdherrschaften der Türken, Russen und Afghanen allgemein „eingebürgert“ hat und durch die Gründung einer Tadschikischen Sowjetrepublik 1929 festgeschrieben wurde. Bei vielen Tadschiken und Persern ist die Selbstbezeichnung Ariyai bzw. Irani (deutsch: „Arier“) gebräuchlich.
Historisches Konstrukt
Die Geschichte der Tadschiken setzt sich aus der jeweils individuellen Geschichte der einzelnen iranischen Völker der Region zusammen. Sie beginnt mit der Einwanderung der Arier in Zentral-Asien (ca. 2000 v. Chr.), setzt sich fort mit der Entstehung des Zoroastrismus (ca. 1700 v. Chr.), dem Aufstieg des Perserreichs (550 v. Chr.), dem Siegeszug der Makedonier (330 v. Chr.), dem Reich der Parther (220 v. Chr.), dem Imperium der Sassaniden (220 n. Chr.) und der Eroberung Persiens durch die Araber (650 n. Chr.). Ab hier beginnt die eigentliche Geschichte der Tadschiken.
Die Tadschiken führen ihre Herkunft auf die Dynastie der iranischen Samaniden (900 n. Chr.) zurück, den ersten einheimischen Herrschern nach der arabischen Invasion und vor der türkischen Eroberung. Während der samanidischen Herrschaft wurden die persische Sprache und die iranische Kultur wiederbelebt. Diese „Wiedergeburt“ des Iranischen in Zentralasien gilt allgemein als Ursprung der heutigen Tadschiken.
Die moderne Währung Tadschikistans, Somoni, geht auf den Namen jener Dynastie zurück.
Für die genauere Geschichte der Tadschiken, siehe auch:
Antike
- Iranier/Arier, die Vorfahren der heutigen Perser; das heutige Wort „Iran“ leitet sich aus „Arier“ ab.
- Avesta, das heilige Buch des Parsismus
- Perserreich
- Parther
- Baktrier
- Sogdier
- Sassaniden, das letzte antike Imperium der Perser
- Tocharer
Mittelalter
- Barmakiden
- Samaniden, die erste unabhängige persische Dynastie nach der muslimischen Eroberung. Sie gilt als Ursprung der tadschikischen Identität
- Ghuriden, ein persisches Sultanat in Zentral-Asien und Indien
Neuzeit
Sprache, Kultur und Religion
Religion
Die Tadschiken sind überwiegend Muslime, davon die große Mehrheit Sunniten. Bedeutende schiitische Zentren befinden sich vor allem in der Pamir-Region Badakhshan (Ismailiten) und in Herat (Imamiten). Daneben gibt es auch zahlreiche Anhänger der zarathustrischen Religion, der eigentlichen, vor-islamischen Religion der Tadschiken. Ebenfalls zu den Tadschiken gehören die imamitischen Qizelbash, die Nachkommen von Garnisonstruppen Nadir Schahs.
Sprache
Die Sprache der Tadschiken ist Neupersisch, in Tadschikistan Tadschikisch genannt, welche im Iran, in Tadschikistan und in Afghanistan (neben Paschtu) die offizielle Landessprache ist. Im Gegensatz zum Iran und zu Afghanistan bedient sich Tadschikistan der kyrillischen Schrift.
Kultur
Die Tadschiken und die persische Kultur haben das Bild des Orient bedeutend geprägt. Das wohl bekannteste Werk der muslimisch-persischen Literatur in der westlichen Welt ist die Geschichtensammlung 1001 Nacht (pers. Hezar-o yek-Schab هزار و يكشب). Darin spielen tadschikische Zentren, wie Samarkand, Herat oder Balkh, eine zentrale Rolle.
Das Herz der persisch-tadschikischen Kultur jedoch war und ist die Kunst der Dichtung. Nirgendwo sonst hat die Poesie eine so große Bedeutung im alltäglichen Leben der Menschen, wie im persischen Kulturkreis. Tadschikische Dichter haben maßgeblich an der Entwicklung der neupersischen Sprache und der neupersischen Identität beigetragen, u. a.:
- der „Vater der neupersischen Sprache“ Rudaki, der erste Dari-Dichter und „Erfinder“ der neupersischen Dichtung
- der Epik-Dichter Abū l-Qasem-e Ferdousī, der Autor des Schāhnāme („Königsbuch“)
- der Mystiker Dschami, der letzte große Mystiker des Mittelalters
- der Mystiker und Geschichtenerzähler Fariduddin Attar
- der Mystiker und Romantiker Rumi (pers. Moulavi), der bekannteste und erfolgreichste Dichter des alten Persien
→Siehe dazu den Hauptartikel: Persische Literatur
Ebenfalls Tadschiken waren einige der berühmtesten Wissenschaftler, Gelehrte und Künstler des Mittelalters:
- der Arzt Ibn Sina (Avicenna), der heute als „Vater der modernen Medizin“ gilt
- der Mathematiker Al-Chwarizmi; von seinem Namen und seinen Werken sind die Begriffe Algebra und Algorithmus abgeleitet
- der Dichter und Mathematiker Omar Khayyām
- der Astronom und Geschichtsschreiber Biruni
- der Maler Behzad
Auch der (im Jahre 2001 durch die Taliban) ermordete afghanische Kriegsheld Ahmad Schah Massoud gehörte zum Volk der Tadschiken.
Siehe auch
- Galtscha (Berg-Tadschiken)
Belege
- ↑ Richard N. Frye The Heritage of Central Asia - From Antiquity to the Turkish Expansion, S. 214
- ↑ a b C.E. Bosworth, B.G. Fragner (1999). "TĀDJĪK". Encyclopaedia of Islam (CD-ROM Edition v. 1.0 ed.). Leiden, The Netherlands: Koninklijke Brill NV.
- ↑ J. Perry, "TAJIK - i. THE ETHNONYM: ORIGINS AND APPLICATION", in Encyclopædia Iranica, online ed., 2009, Columbia University, USA
Literatur
- Josef Wiesehöfer: Das frühe Persien. Geschichte eines antiken Weltreichs. München 1999
- Jahanshah Derakhshani: Die Arier in den nahöstlichen Quellen des 3. und 2. Jahrtausends v. Chr.. 2. Auflage. 1999, ISBN 964-90368-6-5
- Richard Frye: Persien. Zürich 1963
Weblinks
- Poesie in Afghanistan
- Uzbekistan: Ethnic Composition And Discrimination (Englisch)
- History Of The Tajik Nation
- The Encyclopaedia Iranica
- Ethnische Minderheiten in Xinjiang - Die tadschikische Nationalität (Chinesische Regierungsseite auf Deutsch)
- The Tajik ethnic minority (Chinesische Regierungsseite auf Englisch)
Kategorien:- Ethnie in Asien
- Ethnie in China
- Ethnie in Afghanistan
- Iranischsprachige Ethnie
- Persisches Reich
- Iranier/Arier, die Vorfahren der heutigen Perser; das heutige Wort „Iran“ leitet sich aus „Arier“ ab.
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