Landesirrenanstalt Domjüch

Landesirrenanstalt Domjüch
Gelände der Landesanstalt Strelitz am Domjüchsee
Landesanstalt strelitz 2.JPG
Einer der beiden Öfen

Die Großherzogliche Landesirrenanstalt Domjüch, später Landesheil- und Pflegeanstalt Domjüch, war eine Nervenheilanstalt in Mecklenburg am Ufer des Domjüchsees in Neustrelitz. Hier wurden in der „Euthanasie“ der Nationalsozialisten Behinderte und auch politische Gegner des Regimes festgehalten und ermordet.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Seit 1805 gab es das Zuchthaus Strelitz im heutigen Neustrelitzer Ortsteil Strelitz Alt. Im Jahr 1863 plante Großherzog Friedrich Wilhelm (II.) eine Trennung von Irrenanstalt und Zuchthaus. Dieses Vorhaben wurde erst um 1900 umgesetzt. 1902 wurde die Irrenanstalt in Domjüch eingeweiht. Seither war die Nervenheilanstalt die Abteilung III. des Landarbeits- und Zuchthauses. Im Jahr 1918 wurde die Großherzogliche Landesirrenanstalt in ein Landeskrankenhaus umgewandelt. Geführt wurde es seit 1930 in staatlichem Auftrag durch die pommersche Diakonissenanstalt Salem in Köslin. Der Landrat des Amtes Stargard forderte im September 1932, den Lebensstandard in den mecklenburgischen Anstalten zu senken. Die Anstalt Domjüch erhielt die Anweisung, eine neue Verpflegungsklasse einzuführen.

Nationalsozialismus

Am 30. September 1939 wurden, bedingt durch die am 1. September 1939 angeordnete Fremdnutzung der Heil- und Pflegeanstalt Gehlsheim in Rostock durch Wehrmacht und zivilen Luftschutz, 101 Patienten in die Landesirrenanstalt Domjüch verlegt. Aufgrund verschiedener Verfügungen des Schweriner Ministeriums und der überaus starken Fremdnutzung, wurden immer wieder Verlegungen nach Domjüch (bis Mai 1943) vorgenommen. Im Frühjahr 1940 wurde die Anstalt aus dem Staatsbesitz in das Eigentum der Stadt Neustrelitz überführt. Offiziell war damit eine Änderung des Anstaltszweckes von der Heil- und Pflegeanstalt für Geisteskranke zur Tuberkuloseheilstätte verbunden. Im gleichen Jahr begannen in Deutschland die NS-Krankenmorde („Euthanasie“). Für viele Patienten diente Domjüch nur als sogenannte Zwischenanstalt. Sie wurden im Rahmen der nationalsozialistischen „Euthanasie“ in die für Mecklenburg zuständige NS-Tötungsanstalt Bernburg weiter transportiert, um dort in der Gaskammer ermordet zu werden. Der Weitertransport in die Tötungsanstalten erfolgte durch die Bahn bzw. die grauen Busse der GEKRAT, deren Fensterscheiben von außen zugepinselt waren.[1] Über Leben und Tod der Patienten hatten zuvor die Gutachter der Berliner Euthanasiezentrale entschieden. Anfang September 1941 sind aufgrund „Planwirtschaftlicher Maßnahmen“ teilweise ganze Anstaltsteile frei geworden, ganz im Gegensatz zu den Belegungszahlen vom 31. August 1939.[2] Mit großer Wahrscheinlichkeit wurden auch hier schon ab dem Jahr 1941 Patienten mit Medikamenten ermordet. Die Anstalt wurde bis Kriegsende 1945 von den Nationalsozialisten genutzt.

Hinter der Landesanstalt Strelitz, in die auch der Schriftsteller Hans Fallada 1944 eingeliefert wurde und in der er sein Buch Der Trinker schrieb, verbirgt sich nicht diese Anstalt, sondern die psychiatrische Abteilung des Zuchthauses Strelitz.

Sowjetische Besatzung

In der Zeit der sowjetischen Besatzung wurde dieses Gelände (heutige Postanschrift: Am Domjüchsee 1; 17235 Neustrelitz) militärisch genutzt. Dabei blieben die acht Anstaltsgebäude unberührt stehen und wenige Meter neben der Nervenheilanstalt entstanden drei Kasernengebäude. Auf dem Gelände waren Truppen des 66. Garde Fla Raketenregiments einquartiert[3], die für Wartung und Bedienung der sowjetischen ballistischen Mittelstreckenraketen SS-20, die ständig in den Wäldern verschoben wurden, damit der Feind sie nicht ortete, zuständig waren.[4] Die Kasernengebäude standen seit Abzug der GUS-Truppen im Jahr 1993 leer und wurden auf Initiative der Stadt Neustrelitz abgerissen.

Die ehemalige Anstalt heute

Geplante Umwandlung

Im Sommer 2005 erhielt die Stadt Neustrelitz einen Förderbescheid in Höhe von über einer Million Euro für die Umwandlung der Liegenschaft in einen Familienferienpark mit Campingplatz. Dabei sollen die acht denkmalgeschützten Gebäude saniert und ihnen Funktionen im Tourismusvorhaben zugeordnet werden. Dieser Plan entstand unter dem damaligen Wirtschaftsminister Mecklenburg-Vorpommerns Otto Ebnet (SPD).

Im Jahr 2006 ist das Gelände der ehemaligen Heilanstalt an die eigens gegründete Domjüch GmbH verkauft worden. Die Erwerber kündigten an, am Standort 200 Ferienhäuser und einen Campingplatz mit 300 Plätzen zu errichten. Bis heute sind keine weiteren Ergebnisse in der Planung zur Umwandlung des Geländes bekannt. Eine baldige Umsetzung dieses Projektes scheint unwahrscheinlich.[5]

Brandstiftung in einem der Anstaltsgebäude

Dachgeschoss des Gebäudes

In der Nacht zum 3. April 2008 wurde im Dachgeschoss eines der Anstaltsgebäude ein Feuer gelegt. Als die Feuerwehr gegen 2:25 Uhr das Gelände der ehemaligen Landesirrenanstalt erreichte, stand der Dachstuhl bereits in Flammen. Teile der Decke waren bereits eingestürzt und weitere Teile gaben während der Löscharbeiten nach. Es wurden ca. 300.000 Liter Löschwasser aus dem naheliegenden Domjüchsee gepumpt. Der Brandbekämpfungseinsatz wurde erst um 10:14 Uhr beendet. Die Kriminalpolizei begann noch während des Feuerwehreinsatzes mit ihren Ermittlungen.[6]

Bau

Der Gebäudekomplex wurde im Pavillonstil errichtet. So entstand im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert innerhalb einer gestalteten Park-Gartenlandschaft eine vorbildliche moderne Anlage mit einem Villen- und Pavillonsystem, ausgestattet mit moderner Wasserversorgung, Heizung und Elektrizität.

Unter dem Gelände der ehemaligen Anstalt erstrecken sich lange unterirdische Versorgungsgänge.

Literatur

  • Christiane Witzke: Domjüch. Erinnerungen an eine Heil- und Pflegeanstalt in Mecklenburg-Strelitz, federchen Verlag, Neubrandenburg 2001, ISBN 3-910170-43-9

Weblinks

 Commons: Landesirrenanstalt Domjüch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. kpp.med.uni-rostock.de (PDF)
  2. lichtblick99.de (PDF)
  3. jetjournal.net
  4. freitag.de
  5. neustrelitz.de
  6. Einsatzbericht
53.33113.128

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