- Sterbehilfe
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Sterbehilfe (manchmal Euthanasie genannt) bezeichnet Handlungen, die von der Hilfe und Unterstützung im Sterben – dem Übergang vom Leben zum Tod – bis hin zur aktiven Tötung sterbender oder schwerstkranker Menschen reichen. Sterbehilfe betrifft somit auch Situationen, bei denen der Sterbeprozess bereits begonnen hat und unumkehrbar ist.
In Deutschland wird die Bezeichnung Euthanasie wegen ihres Missbrauch bei der sogenannten Rassenhygiene der Nationalsozialisten weitgehend vermieden (siehe auch Geschichte der Euthanasie).
Begriffserklärung
Als Sterbehilfe werden vielfach nicht nur Handlungen gesehen, die an unheilbar Kranken im Endstadium wie beispielsweise Krebspatienten vorgenommen werden, sondern auch solche an schwer Behinderten, Menschen im Wachkoma, Patienten mit Alzheimer-Krankheit im fortgeschrittenen Stadium oder Patienten im Locked-in-Syndrom, die sich nicht selbst zu einem Sterbewunsch geäußert haben. Manche sehen darin die Abgrenzung zu Mord. Dieser Artikel behandelt auch diesen erweiterten Sterbehilfe-Begriff. Siehe dazu auch die Artikel über Palliativmedizin (Schmerzbekämpfung bei Sterbenden, insbesondere in Hospizen), und Sterbebegleitung im Sinne von Pflege und Betreuung).
Ein Unterlassen medizinischer Eingriffe auf der Grundlage einer vom Betroffenen verfassten Patientenverfügung ist nach allgemeiner juristischer Auffassung keine passive Sterbehilfe.[1] Eine Behandlung gegen den Willen des Patienten, also das Missachten einer Patientenverfügung, erfüllt in Deutschland den Straftatbestand der Körperverletzung. Das Sterbenlassen einer Person durch Unterlassen medizinischer Hilfeleistung entgegen Therapiewünschen des Betroffenen erfüllt den Straftatbestand der Tötung oder unterlassenen Hilfeleistung (BVerfG 2 BvR 1451/01)[2] und kann daher nicht als passive Sterbehilfe gewertet werden (siehe Absatz „Abgrenzung zu den Tötungsprogrammen der Nationalsozialisten“).
Die Beihilfe zum Suizid ist in Deutschland im Gegensatz zu den meisten anderen Staaten straffrei gestellt: "Der medizinische Laie, der aus Gewinnsucht einen Zyankalihandel betreibt und labilen Menschen, die sich in einer vorübergehenden Depression befinden, die Selbsttötung ermöglicht, bleibt – abgesehen von einem möglichen Verstoß gegen das Chemikaliengesetz – straflos; denn Anstiftung sowie Beihilfe zur Selbsttötung werden nach unserem geltenden Recht in keinem Fall bestraft." (Hoerster N. Sterbehilfe im säkularen Staat Frankfurt 1998, S. 9).
Abgrenzung zu den Tötungsprogrammen des Nationalsozialismus
Sterbehilfe bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch, den Tod eines Menschen durch Unterlassen lebensverlängernder Maßnahmen nicht hinauszuzögern, durch fachkundige Behandlungen zu erleichtern oder herbeizuführen. In der Regel wird dabei vom Einverständnis des Betroffenen ausgegangen (Abweichung siehe vorstehenden Absatz). Der in anderen europäischen Ländern synonym gebrauchte Terminus Euthanasie wurde in Deutschland konsequent durch Sterbehilfe ersetzt, um jede Assoziation mit der sogenannten „Rassenhygiene“ und den als „Euthanasieprogramm“ bezeichneten Patientenmorden im früheren nationalsozialistischen Deutschland (Aktion T4, Aktion Brandt und Kinder-„Euthanasie“) zu vermeiden.
In Deutschland wird der Begriff Euthanasie nur noch innerhalb der Veterinärmedizin verwendet.[3]
Gesetzliche Regelungen
Deutschland
In Deutschland gibt es bislang (2011) kein spezielles Gesetz, das ein Sterben durch Sterbehilfe bei unheilbaren Krankheiten regelt.
1986 legte eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe einen „Alternativentwurf eines Gesetzes über Sterbehilfe“ vor.[4] Bis etwa 2006 verlief die Diskussion fast ausschließlich auf theoretischer Ebene im rechtswissenschaftlichen Bereich, wo 2008 auch ein Vorschlag eines umfassenden Sterbehilfegesetzes veröffentlicht wurde, das den Lebensschutz in den Vordergrund stellt und auch Details einer möglichen gesetzlichen Regelung berücksichtigt,[5] Kritiker warfen diesem Entwurf jedoch zu penible Regelungen vor.[6]
Der 66. Deutsche Juristentag hat sich am 20. September 2006 mit großer Mehrheit für eine gesetzliche Regelung der Sterbehilfe und der Verbindlichkeit von Patientenverfügungen ausgesprochen. Das bedeutet, dass Behandlungsabbrüche und das Unterlassen lebenserhaltender Maßnahmen auch schon vor der Sterbephase rechtlich erlaubt sein sollen. Im Strafgesetzbuch solle ausdrücklich klargestellt werden, dass sich Ärzte in solchen Fällen nicht strafbar machen. Daran entzündete sich in der Öffentlichkeit eine kontroverse Debatte. Schließlich wurden auch im Bundestag im Frühjahr 2007 zwei fraktionsübergreifende Gruppenanträge eingereicht. Diese unterscheiden sich vor allem in einem Punkt: Der Antrag von Bosbach, Röspel, Winkler, Fricke et al. im Gegensatz zu dem anderen Antrag keine Verbindlichkeit der Patientenverfügung für den Fall vorsieht, dass die Befolgung der Patientenverfügung zum Tod führen würde, obwohl die Erkrankung noch keinen unumkehrbaren tödlichen Verlauf genommen hat.
Ausgehend von der Sterbehilfe-Diskussion wurde das Thema in der Öffentlichkeit meist unter dem Begriff „Patientenverfügung“ diskutiert; also aus der Perspektive der Betroffenen. Viele Menschen befürchteten[7], dass ihr vorher deutlich geäußerter Wille ignoriert wird und ihnen ein langes Sterben zugemutet wird, weil Ärzte aus Überzeugung und/oder aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen entgegen diesem Willen handeln.
Nach vielen Beratungen und Änderungen verschiedener Entwürfe stimmte der Deutsche Bundestag schließlich am 18. Juni 2009 mit 317 Ja-Stimmen bei 233 Nein-Stimmen und 5 Enthaltungen dem „Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts“ der Abgeordneten Stünker, Kauch, Jochimsen und weiterer Abgeordneter zu.[8]
- Zu diesem Abschnitt ausführlich unter: Patientenverfügung, Abschnitt Gesetzesentwicklung
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Grundsatzurteil (Aktenzeichen: Bundesgerichtshof 2 StR 454/09) vom 25. Juni 2010 das Selbstbestimmungsrecht des Patienten gestärkt, indem er urteilte, dass (im strafrechtlichen Sinne) eine entsprechende Einwilligung des Patienten sowohl das Unterlassen weiterer lebenserhaltender Maßnahmen rechtfertige als auch die aktive Beendigung oder Verhinderung einer von dem Patienten nicht oder nicht mehr gewollten Behandlung. Die zur Straffreiheit führende Einwilligung könne bei einem nicht einwilligungsfähigen Patienten auch zuvor in einer Patientenverfügung oder sogar in einer mündlichen Äußerung gegeben worden sein.[9][10]
Das Berufsrecht der Mediziner wurde der neuen Gesetzeslage und insbesondere als Reaktion auf o.g. Urteil des BGH vom 25. Juni 2010 durch neue "Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung" vom 21. Januar 2011 angepasst.[11] Die Diskussionen auf dem 114. Deutschen Ärztetag Anfang Juni 2011 zeigen jedoch, dass auch damit das Thema für die Ärzteschaft noch lange nicht beendet ist.[12][13][14]
Andere Länder
In Europa haben die Niederlande, Belgien, Luxemburg und die Schweiz Sterbehilfe in unterschiedlichem Ausmaß legal zugelassen.
- Für Aufsehen sorgte 2001 das Gesetz Wet toetsing levensbeëindiging op verzoek en hulp bij zelfdoding (Gesetz zur Kontrolle der Lebensbeendigung auf Verlangen und Hilfe bei der Selbsttötung), mit dem die Niederlande als erstes Land der Welt die aktive Sterbehilfe zuließen.
- 2002 trat in Belgien das Gesetz Loi relative à l’euthanasie (Gesetz zur Sterbehilfe) in Kraft, und
- 2009 im Großherzogtum Luxemburg das Gesetz Loi sur l’euthanasie et l’assistance au suicide (Gesetz zur Sterbehilfe und Beihilfe bei der Selbsttötung).
Beide ähneln dem niederländischen Sterbehilfegesetz.
Über 2000 französische Ärzte, Schwestern und Pfleger erklärten im März 2007 öffentlich, Patienten beim Sterben geholfen zu haben. Dies wurde als ein Hilferuf an Öffentlichkeit und Gesetzgeber betrachtet.
In vielen europäischen Ländern, zum Beispiel Spanien, Frankreich und Italien, wurde oder wird eine gesetzliche Regelung zur Sterbehilfe kontrovers diskutiert.
Im angelsächsischen Rechtskreis wurde ärztliche Hilfe beim Suizid erstmals 1995 im Nordterritorium von Australien ausdrücklich – jedoch nur für kurze Zeit – durch den Rights of the Terminally Ill Act zugelassen.
Auch in zwei Bundesstaaten der USA gibt es Gesetze, die die ärztliche Unterstützung bei der Selbsttötung erlauben:
- den seit 1997 existierenden Oregon Death with Dignity Act und
- den 2009 in Kraft getretenen Washington Death with Dignity Act.
Arten der Sterbehilfe
Zu unterscheiden ist die Sterbehilfe von
- der in Deutschland grundsätzlich straflosen Beihilfe zur Selbsttötung („[ärztlich] assistierter Suizid”); dagegen ist in den Niederlanden die Beihilfe zur Selbsttötung eine Straftat, die nur für Ärzte unter sehr eng definierten Voraussetzungen nicht strafbar ist,
- dem ärztlichen Behandlungsabbruch auf Verlangen des betroffenen Patienten (oder gegebenenfalls einer dazu bevollmächtigten Person),
- dem in Deutschland straflosen Ausschalten von Geräten (wie Beatmungsgeräten) oder das Unterlassen von Reanimationsversuchen nachdem der Hirntod bereits eingetreten ist,
- der in Deutschland straflosen Hilfe im Sterbeprozess: Verabreichen von Medikamenten, die schmerzstillend sind und das Leben nicht vorsätzlich verkürzen.
Man unterscheidet bei der Sterbehilfe zumeist grob die drei Formen aktive, indirekte und passive Sterbehilfe. Exakter spricht man von direkter aktiver Sterbehilfe, indirekter aktiver Sterbehilfe und passiver Sterbehilfe. Davon abzugrenzen ist der ärztlich assistierte Suizid.
Zur Sterbehilfe können gehören:[15]
- Aktive Sterbehilfe als gezieltes aktives Herbeiführen des Todes („Tötung auf Verlangen”; Österreich: unechte direkte Sterbehilfe; Schweiz: direkte aktive Sterbehilfe; Niederlande: Euthanasie; Belgien: euthanasie active),
- Passive Sterbehilfe als Unterlassen oder Abbrechen lebensverlängernder Maßnahmen (Belgien: euthanasie passive),
- Indirekte Sterbehilfe als Leidenslinderung bei Schwerkranken unter Inkaufnahme der Lebensverkürzung – wobei der Unterschied zur aktiven Sterbehilfe allein in der subjektiven Einstellung des Handelnden liegt (Österreich: unechte indirekte Sterbehilfe; Schweiz: indirekte aktive Sterbehilfe; Belgien: euthanasie indirecte; Niederlande: double effect).
Aktive Sterbehilfe
Aktive Sterbehilfe ist die gezielte Herbeiführung des Todes durch Handeln auf Grund eines tatsächlichen oder mutmaßlichen Wunsches einer Person. Aktive Sterbehilfe ist weltweit nur in den Niederlanden, Belgien und Luxemburg erlaubt.
Gabe von direkt tödlichen Medikamenten
Aktive Sterbehilfe erfolgt oft durch Verabreichung einer Überdosis eines Schmerz- und Beruhigungsmittels, Narkosemittels, Muskelrelaxans, Insulin, durch Kaliuminjektion oder eine Kombination davon.
Ist der tatsächliche Wille der Person nicht zu ermitteln, kann eine Patientenverfügung oder der früher geäußerte Wille hierfür Anhaltspunkte geben. Eine Tötung ohne Vorliegen einer Willensäußerung des Betroffenen wird allgemein nicht als aktive Sterbehilfe, sondern als Totschlag oder Mord aufgefasst.
Die aktive Sterbehilfe ist verboten:
- in Deutschland: (§ 216 des Strafgesetzbuches),
- in Österreich: (§ 75, § 77, § 78 des Strafgesetzbuches)
- in der Schweiz: (Art. 111, Art. 113, Art. 114 des Strafgesetzbuches).
In den Niederlanden ist aktive Sterbehilfe nur strafbar (Art. 293 des Strafgesetzbuches), wenn sie vorsätzlich und weder von einem Arzt noch entsprechend den gesetzlichen Sorgfaltskriterien (Art. 2 des Wet toetsing levensbeëindiging op verzoek en hulp bij zelfdoding), einschließlich der erforderlichen Meldung an den Leichenbeschauer der Gemeinde mit Bericht über die Einhaltung der Sorgfaltskriterien (Art. 7 Abs. 2 des Wet op de lijkbezorging), geleistet wurde.
Wird ein direkt tödliches Medikament nicht direkt der Person verabreicht (durch Injektion oder ähnliches), sondern nimmt die Person das Medikament, das zuvor von einer Drittperson organisiert wurde, freiwillig selbst ein (z. B. durch Schlucken von Tabletten), so liegt gemäß Schweizer und deutscher Rechtsauffassung keine Sterbehilfe, sondern straflose Beihilfe zur Selbsttötung vor.
Passive Sterbehilfe
Passive Sterbehilfe ist das Unterlassen oder die Reduktion von eventuell lebensverlängernden Behandlungsmaßnahmen. Obwohl es sich dabei um einen international etablierten Begriff handelt, halten ihn viele für missverständlich und unglücklich gewählt und meinen, man solle besser und eindeutiger von „Sterbenlassen“ sprechen.[16] In einer repräsentativen Umfrage in Deutschland im Jahr 2008 äußerten 72% der Befragten, sie seien für das Gewähren von passiver Sterbehilfe.[17]
Indirekte Sterbehilfe (Gabe von schmerzstillenden, aber evtl. lebensverkürzenden Medikamenten)
Indirekte Sterbehilfe ist die in Kauf genommene Beschleunigung des Todeseintritts als Nebenwirkung z. B. einer gezielten Schmerzbekämpfung.[18] Dies erfolgt in Krankenhäusern regelmäßig mit Morphin im Endstadium der Krebserkrankungen. Dieser Fall ist in der Strafrechtswissenschaft in Deutschland diskutiert worden. Im Ergebnis sind sich alle Meinungen einig, dass der Arzt hier straffrei bleiben muss. Eine Mindermeinung will die Tötungsrelevanz eines auf Schmerzmilderung zielenden Verhaltens bereits im Tatbestand verneinen. Die überwiegende Ansicht sieht den Arzt gerechtfertigt durch eine Mischung von Notstand und rechtfertigender Pflichtenkollision. Dadurch wird ausgeschlossen, dass der Arzt „Exzesse“ vollführen kann, sich also außerhalb der notwendigen Sorgfalt und damit des erlaubten Risikos bewegt. Nach Ansicht des höchsten deutschen Strafgerichts kann sogar die Nichtverabreichung notwendiger Schmerzmittel mit der Begründung, keinen vorzeitigen Tod herbeiführen zu wollen, als Körperverletzung (§ 223 bis § 233 Strafgesetzbuch) oder unterlassene Hilfeleistung (§ 323c Strafgesetzbuch) bestraft werden (vgl. Palliativmedizin).
Die terminale Sedierung ist eine Form der indirekten Sterbehilfe.
Aus medizinischer Sicht ist die „indirekte Sterbehilfe“ in der Praxis sehr selten, weil korrekt eingesetzte Opiate (z. B. Morphium) oder Benzodiazepine das Sterben entgegen früheren Ansichten in der Regel nicht verkürzen, sondern sogar leicht verlängern. Die juristische Diskussion zu diesem Thema erscheint deshalb manchen Palliativmedizinern als eher akademische Debatte. Dass dem nicht so ist, zeigen plastische Beschreibungen in der medizinischen Literatur.[19]
Beihilfe zur Selbsttötung (assistierter Suizid)
Selbsttötung mit Hilfe einer Person, welche ein Mittel zur Selbsttötung bereitstellt; dies geschieht oft in der Form, dass ein Arzt eine tödliche Dosis eines Barbiturats verschreibt und sie dem Patienten zur Verfügung stellt. Die Beihilfe zur Selbsttötung ist in Deutschland nicht strafbar, die dafür geeigneten Wirkstoffe dürfen aber für diesen Zweck nicht verordnet werden, es handelt sich deshalb u. U. um einen Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz. Die ethisch/moralische Beurteilung des Verhaltens ist dabei von der strafrechtlichen Sicht deutlich zu trennen.
In der Schweiz ist Hilfe zur Selbsttötung nicht strafbar, sofern kein egoistisches Motiv vorliegt (Art. 115 des Strafgesetzbuches), ist aber gemäß den Richtlinien der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW) nicht „Teil der ärztlichen Tätigkeit“. Bekannt sind in der Schweiz die Organisationen Dignitas und EXIT, welche Hilfestellung und Ärzte gegen Entgelt vermitteln, um bei der Selbsttötung zu assistieren.
In Österreich ist die Mitwirkung am Suizid verboten und wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft (§ 78 des Strafgesetzbuches).
In den Niederlanden ist die vorsätzliche Hilfe zur Selbsttötung verboten (Art. 294 des Strafgesetzbuches), allerdings nicht strafbar, wenn sie von einem Arzt unter Einhaltung bestimmter Sorgfaltspflichten begangen wurde und dem Leichenbeschauer Meldung erstattet wurde.
In den US-Bundesstaaten Oregon und Washington ist der ärztlich assistierte Suizid zugelassen und im Oregon Death with Dignity Act bzw. im Washington Death with Dignity Act geregelt.
Bekannte Fälle von Sterbehilfe
- Emily Gilbert: Die 73-jährige US-Amerikanerin aus Fort Lauderdale (Florida) bat ihren Ehemann Roswell Gilbert im März 1985 wegen eines unheilbaren Knochenleidens um Sterbehilfe. Ihr Mann gab ihr zunächst Schmerztabletten und erschoss seine Frau mit einer Pistole. Der 76-jährige Roswell Gilbert wurde von einem Gericht zu 25 Jahren Haft verurteilt.
- Bob Dent: Der 66-jährige Australier war weltweit der erste, der sein Leben durch legale Sterbehilfe beendete. Der an Prostatakrebs erkrankte Zimmermann, der seine eigene Krankheit als eine „Achterbahn des Schmerzes“ bezeichnete, verlas als er starb einen offenen Brief mit den Worten „Wenn Sie der freiwilligen Sterbehilfe nicht zustimmen, dann machen Sie keinen Gebrauch von ihr, aber bestreiten Sie nicht mein Recht, sie zu nutzen.“[20] Dent beendete nach 5-jährigem Krebsleiden sein Leben am 22. September 1996 durch nach dem Rights of the Terminally Ill Act gewährte Sterbehilfe.
- Ramón Sampedro: Der Spanier war 30 Jahre lang mit einem hohen Querschnitt vom Hals abwärts gelähmt. Seine Geschichte wurde in dem Film Das Meer in mir verfilmt. Dem Spanier wurde auf seinen Wunsch hin von einer Freundin ein Glas Wasser mit Zyankali so in die Nähe seines Mundes gestellt, dass er selbst mit einem Strohhalm daraus trinken konnte und daraufhin starb (1998). Mehrere seiner Freunde zeigten sich selbst der Beihilfe an, woraufhin das Verfahren eingestellt wurde.
- Terri Schiavo: Eine US-Amerikanerin aus Saint Petersburg (Florida), die bei einem Zusammenbruch eine durch Sauerstoffmangel ausgelöste schwere Gehirnschädigung erlitten hatte und sich in der Folge von 1990 bis zu ihrem Tod 15 Jahre lang im Wachkoma befand. Terris Ehemann klagte seit 1998 durch mehrere Instanzen die Einstellung der künstlichen Ernährung ein. Dem wurde letztendlich im Februar 2005 stattgegeben.
- Vincent Humbert: Ein Franzose, der seit September 2000 gelähmt und blind war, bat im Dezember 2002 um Sterbehilfe. Diese wurde ihm von offizieller französischer Seite nicht gewährt. Seine Mutter spritzte ihm daraufhin im September 2003 Natriumpentobarbital. Er fiel in ein Koma und von den Ärzten wurden die lebenserhaltenden Maschinen daraufhin abgeschaltet. Sein Fall führte in Frankreich zu einer Änderung der Gesetzeslage.
- Piergiorgio Welby (* 26. Dezember 1945 in Rom; † 20. Dezember 2006 ebd.) war ein Italiener, seit seinem 18. Lebensjahr an Muskeldystrophie leidend, der im Jahr 2006 um Sterbehilfe bat. Diese Hilfe wurde ihm von dem Anästhesisten Mario Riccio am 20. Dezember 2006 gewährt, nachdem ein Gericht es abgelehnt hatte den Fall zu behandeln. Der später erhobene Mordvorwurf gegen Mario Riccio wurde von einem Gericht in Rom abgewiesen.
- Inmaculada Echevarria war eine Spanierin, die seit ihrem elften Lebensjahr an Muskelschwund litt und die letzten zehn Jahre gelähmt im Krankenhaus verbracht hatte. Die Ärzte des Krankenhauses San Juan de Dios in Granada stellten im März 2007 das Beatmungsgerät der 51-Jährigen ab.
- Eluana Englaro (* 25. November 1970 in Lecco; † 9. Februar 2009 in Udine) war eine Italienerin, die nach einem Autounfall am 18. Januar 1992 im Wachkoma lag. Obwohl ihr Gehirn unwiederbringlich zerstört war, konnte sie atmen und ihr Herz arbeitete aus eigener Kraft. Fast zehn Jahre lang hatte ihr Vater vor Italiens Gerichten darum gekämpft, Eluana sterben zu lassen. Im November 2008 hatte das oberste italienische Berufungsgericht in letzter Instanz entschieden, dass die künstliche Ernährung eingestellt werden könne. Der Urteilsspruch wurde aber – wegen des Verbots der aktiven und passiven Sterbehilfe in Italien – zunächst vom Regionalpräsidenten der Lombardei nicht umgesetzt und vom italienischen Gesundheitsministerium politisch blockiert. Anfang Februar 2009 wurde sie aus einer Klinik im lombardischen Lecco in ein Altersheim im friaulischen Udine verlegt, um dort zu sterben. Nach Einstellung der künstlichen Ernährung und Hydrierung am 7. Februar 2009 verstarb Eluana Englaro zwei Tage später.
- die Wochenzeitung [Die Zeit]] machte im Oktober 2011 einen bis dahin wenig beachteten Fall bekannter (Dossier "Carine, 43, lässt sich töten", Zeit xx/2011): Ärzte ließen eine Patientin in Belgien auf deren Wunsch hin sterben, sofort danach entnahmen ihr andere Mediziner Organe. Die Zeitung bezeichnete dies als 'Weltpremiere'.[21]
Von diesen Fällen der individuellen Sterbehilfe unterscheiden muss man die einzelnen oder teilweise in Serie durchgeführten Tötungen von Patienten durch professionelle Pflegekräfte (in dem Medien oft Todesengel genannt), die im anschließenden Strafverfahren oft „Sterbehilfe“ oder "Gnadentod" als Motiv nannten. Dabei bestand keine länger bestehende vertrauensvolle Beziehung zwischen zwei Personen; zum Teil konnten niedere Beweggründe (im juristischen Sinne) als Motiv der Handlungen vermutet oder bewiesen werden. Ein bekannter Fall ist der der "Todesengel von Lainz".
Probleme der Sterbehilfe
Die Abgrenzung der aktiven zur passiven Sterbehilfe oder auch der indirekten Sterbehilfe ist im Einzelfall äußerst schwierig. Die Sterbehilfe steht im Spannungsfeld zwischen
- Gesetz und Selbstbestimmung,
- staatlichem Anspruch und individuellen Persönlichkeitsrechten,
- staatlichem Strafanspruch und Rechtfertigungsgründen wie Notstand oder Pflichtenkollision,
- medizinischen Möglichkeiten und Menschenwürde und
- Selbstbestimmung und religiösen Aspekten.
Die stärksten Konflikte existieren bei der aktiven Sterbehilfe, und hier besonders in der unterschiedlichen Gewichtung des Willens eines schwer leidenden Menschen. Hierbei ist zu beachten, dass nicht jedes diskutierte Beispiel einer aktiven Sterbehilfe auch hierunter fällt. So ist das Vorbereiten einer Suizidsituation, die der Patient eigenständig nutzt, in Deutschland eine straflose Beihilfe zum Suizid. (Beispiel: Ein Patient schluckt selbst ein nicht verschreibungspflichtiges Gift, das ihm jemand auf Verlangen besorgt hat.)
Sterbehilfe im Widerstreit der Meinungen
Die Bürde der deutschen Geschichte
Die Gegner der Sterbehilfe weisen warnend auf die Entwicklungen im Deutschland der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hin, die die anfänglich seriöse Erörterung der Frage genommen hat, unheilbar kranke Menschen von ihrem Leiden zu erlösen.
Seine Befürworter machen demgegenüber geltend, anders als damals gehe es heute bei der Sterbehilfe nicht um eine Entscheidung Fremder über das Leben einzelner Menschen sondern ausschließlich um eine Entscheidung eines Sterbewilligen, für die er Beistand suche.
Angst vor unerträglichen Leiden
Die Gegner selbstbestimmten Sterbens sind der Auffassung, dass man Menschen ihre Leiden, Sorgen und Ängste vor einem qualvollen Übergang vom Leben zum Tod mit gehöriger Zuwendung und den Möglichkeiten der modernen Medizin soweit nehmen oder lindern kann, dass sie an ihren Lebensumständen nicht verzweifeln müssen. Es sei deshalb unter dem Gesichtspunkt des verfassungsmäßig verankerten Schutzes von Leben und Gesundheit die Aufgabe eines humanen Gemeinwesens, von diesen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, nicht hingegen, sie sich zu ersparen, indem man dem Einzelnen ermögliche und ihm dabei helfe, seinem Leben selbst ein Ende zu setzen.
Seine Befürworter machen demgegenüber geltend: Gründe, sich den Tod zu wünschen, sind vor allem die Sinnentleerung des Lebens als Folge einer naturgemäßen Erosion von Lebensinteressen und -zielen, die verzweifelte Scham vor der die eigene Selbstachtung verletzenden Peinlichkeit, seine intimsten Bedürfnisse nicht mehr unter Kontrolle zu haben und damit ohne Aussicht auf Änderung auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein, die oft noch sehr deutlich wahrgenommene, bedrückende Erfahrung, mit der eigenen Hinfälligkeit das Leben anderer, insbesondere seiner liebsten Angehörigen auszubremsen, die Frustration schließlich darüber, dass vieles im Leben Geschaffene und Erworbene, das anderen Zwecken dienen sollte, nun für die Aufrechterhaltung eines Lebens vergeudet werden soll, das einem selbst nichts als Unannehmlichkeiten bereitet. Hier helfe keine Palliativmedizin und auch alle menschliche Zuwendung könne hierüber letztlich nicht hinweghelfen.
Sterbehilfe als fragwürdiges Geschäft
Die Gegner selbstbestimmten Sterbens befürchten, eine offizielle Zulassung der Sterbehilfe führe zu unannehmbaren Geschäften mit dem Sterben, da die meisten Menschen sich auf Sterbebegleitung angewiesen sähen. Prominentes Beispiel in Deutschland war 2008 Roger Kusch.
Zweifelhaftigkeit des Sterbewunsches
Die Gegner selbstbestimmten Sterbens verweisen auf die Erfahrungen von Ärzten, Psychologen und Seelsorgern, die darin übereinstimmen, dass die Mehrzahl der Menschen, die einen Suizid vergeblich versucht haben, in ein normales Leben zurückfinden, ihren Entschluss häufig nicht mehr verstehen, ihn rückschauend bereuen und froh sind, dass ihr Versuch gescheitert ist. Sterbehilfe würde diesen Fehlentscheidungen Vorschub leisten.
Die Befürworter einer Unterstützung selbstbestimmten Sterbens halten dem entgegen, dass Menschen, die sich das Leben mit Erfolg genommen haben, mit der Frage, ob diese Entscheidung richtig war, nicht mehr hadern und vielleicht Versäumtem nicht nachtrauern müssen, denn sie haben im Tod ihren Frieden gefunden.
Krankhaftigkeit von Suizidentschlüssen
Die Gegner selbstbestimmten Sterbens berufen sich auf wissenschaftliche Untersuchungen, die belegten, dass Suizide häufig ihren Grund in Depressionen haben. Sie seien als krankhaft anzusehen und in der Mehrzahl der Fälle durch ärztliche oder therapeutische Maßnahmen soweit behandelbar, dass die dem Leben zugewandten Kräfte dieser Menschen wieder die Oberhand gewinnen können. Sterbehilfe trage dazu bei, eine solche Entwicklung abzuschneiden.
Befürworter der Sterbehilfe verweisen demgegenüber darauf, dass jedenfalls bei anhaltend Kranken, vor allem aber bei alten Menschen die zunehmende Erosion des Willens zu leben ein natürlicher Prozess ist, der oft fälschlich als krankhaft gedeutet wird. Aber auch wenn man ihn als Krankheit sehe, seien Betroffene deswegen nicht zurechnungsunfähig. Wenn sie die Option, zu sterben einem Weiterleben vorzögen, so sei dieser Wunsch genauso zu respektieren wie das Recht auf Verweigerung von ärztlichen oder psychologischen Behandlungen, selbst wenn sie Aussicht auf Erfolg hätten. Vor diesem Hintergrund sei Sterbehilfe Unterstützung eines anzuerkennenden Anliegens.
Sterbehilfe als Zumutung für die als Helfer in Anspruch genommenen
Die Gegner der Sterbehilfe machen geltend, einem Menschen dabei helfen zu sollen, sich umzubringen, sei eine schwere Zumutung, desto schwerer, je näher der um Hilfe Gebetene dem Sterbewilligen stehe.
Die Befürworter der Sterbehilfe halten dem entgegen, dass mit der straffreien Ermöglichung der Sterbehilfe noch niemand gezwungen sei, diese zu leisten. Gebe es geordnete, gar institutionalisierte Formen der Sterbehilfe, müssten dem Sterbewilligen besonders nahestehende Personen nicht in Anspruch genommen werden. Auch diese aber könnten, an den Leiden des Sterbewilligen in besonderer Weise teilnehmend, eine mitmenschliche Motivation haben, ihnen bei der Beendigung des sie quälenden Zustandes zu helfen.
Zweifelhafte Interessenlage von Sterbehilfe leistenden Angehörigen
Die Gegner der Sterbehilfe sehen insbesondere nähere Angehörige als Sterbehelfer in einem problematischen Interessenkonflikt, in dem sich nicht selten wohlmeinende Beförderung eines Sterbewunsches unentwirrbar mit dem unausgesprochenen Wunsch verknoten könnte, von der fordernden, kostspieligen und das eigene Leben ausbremsenden Bürde der Unterhaltung und Pflege eines Schwerkranken befreit zu werden.
Die Befürworter meinen demgegenüber, dieser zweifellos nicht unwahrscheinliche Konfliktfall dürfe den ausdrücklichen Sterbewunsch eines Menschen nicht unerfüllbar machen. Schließe man nahe Angehörige davon aus, Sterbehilfe zu leisten, könnte eine solche Hilfe immer noch von institutionell zugelassenen Helfern erfolgen, die kein persönliches oder materielles Interesse am Tod des Sterbewilligen haben.
Die Gefahr eines Mobbings zum Tode
Die Gegner selbstbestimmten Sterbens haben die große Sorge, die tolerierte und ermöglichte Freiheit zum Tode könne unversehens zu einer Erwartungshaltung der Gesellschaft gegenüber dem Einzelnen mutieren, von einer solchen Freiheit auch Gebrauch zu machen. Hinter einer als Tugend erscheinenden, aus verantwortungsbewusster Einsicht getroffenen Entscheidung lauere so die Gefahr eines "Mobbings zum Tode" derjenigen Gesellschaftsmitglieder, die der Gemeinschaft lästig werden. Hierzu dürfe kein Mensch helfend seine Hand reichen.
Diese Sorge wird auch von den Befürwortern eines selbstbestimmten Todes erkannt und geteilt. Sie verweisen aber darauf, dass ein solches Mobbing auch unter den gegenwärtig herrschenden Bedingungen keineswegs ausgeschlossen ist. Aufgabe des Staates sei es im gegenwärtig geltenden wie im anzustrebenden Recht, das Leben des Einzelnen vor dem Zugriff anderer zu schützen. Wer, aus welchen Gründen auch immer, am Leben festhalten will, der muss diese Möglichkeit behalten. Hiervon ausgehend müsse die Gesellschaft – so wie bisher – allen Versuchen entschieden entgegentreten, Menschen zum Sterben zu drängen. Ihnen ihr Sterben gegen ihren erklärten Willen so zu erschweren, dass ihnen nur unsichere oder grausame und schockierende Auswege bleiben, sei hingegen seine Aufgabe nicht. Dies geschehe aber auch durch die Erschwerung oder gar Verweigerung von Sterbehilfe.
Medizinischer Standpunkt zur Sterbehilfe
Die Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS) und die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) betonen, dass in der Diskussion um die aktive und passive Sterbehilfe die Alternative der Schmerztherapie und Palliativmedizin oftmals unnötig ausgeblendet wird.
Sowohl die DGSS als auch die DGP weisen darauf hin, dass es Verfahren zur Linderung schwerster Schmerzen gibt. „Wir können fast immer die Schmerzen und Symptome sterbender Patienten lindern und ihnen ein Lebensende in Würde ermöglichen“, sagte Professor Rolf-Detlef Treede, Präsident der DGSS.[22] Palliativmediziner würden immer wieder die Erfahrung machen, dass der Wunsch nach vorzeitiger Lebensbeendigung in dem Maße in den Hintergrund tritt, in dem es gelingt, durch eine gute palliativmedizinische Behandlung auch die letzte Lebenszeit erträglich zu gestalten.
Christliche Standpunkte zur Sterbehilfe
Das 5. Gebot verbietet die Tötung fremden Lebens. Zahlreiche christliche Kirchen legen den Begriff „Tötung“ so aus, dass sie auch die aktive Sterbehilfe untersagt sehen.
Selbsttötungen sind ausdrücklich in der Bibel erwähnt (z. B. Saul, Judas); sie galten bzw. gelten jedoch vielen christlichen Kirchen als sündhaft.
Ärztliche Beihilfe zum Suizid lehnten die katholische und die evangelische Kirche in Deutschland 1989 übereinstimmend ab in ihrer Gemeinsamen Erklärung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz »Gott ist ein Freund des Lebens«.[23]
Römisch-katholischer Standpunkt zur aktiven Sterbehilfe
Im Katechismus der katholischen Kirche (1997 – Nr. 2280ff) heißt es:
(2280) Jeder ist vor Gott für sein Leben verantwortlich. Gott hat es ihm geschenkt. Gott ist und bleibt der höchste Herr des Lebens. Wir sind verpflichtet, es dankbar entgegenzunehmen und es zu seiner Ehre und zum Heil unserer Seele zu bewahren. Wir sind nur Verwalter, nicht Eigentümer des Lebens, das Gott uns anvertraut hat. Wir dürfen darüber nicht verfügen. […]
2281 Der Selbstmord widerspricht der natürlichen Neigung des Menschen, sein Leben zu bewahren und zu erhalten. Er ist eine schwere Verfehlung gegen die rechte Eigenliebe. Selbstmord verstößt auch gegen die Nächstenliebe, denn er zerreißt zu Unrecht die Bande der Solidarität mit der Familie, der Nation und der Menschheit, denen wir immer verpflichtet sind. Der Selbstmord widerspricht zudem der Liebe zum lebendigen Gott.
2282 Wenn der Selbstmord in der Absicht begangen wird, als Beispiel – vor allem für junge Menschen – zu dienen, bildet er zudem ein schweres Ärgernis. Freiwillige Beihilfe zum Selbstmord verstößt gegen das sittliche Gesetz.
Schwere psychische Störungen, Angst oder schwere Furcht vor einem Schicksalsschlag, vor Qual oder Folterung können die Verantwortlichkeit des Selbstmörders vermindern.
2283 Man darf die Hoffnung auf das ewige Heil der Menschen, die sich das Leben genommen haben, nicht aufgeben. Auf Wegen, die Gott allein kennt, kann er ihnen Gelegenheit zu heilsamer Reue geben. Die Kirche betet für die Menschen, die sich das Leben genommen haben.[24]
Das Verbot von aktiver Sterbehilfe und Beihilfe zur Selbsttötung wurde für die katholische Kirche am 5. Mai 1980 in der durch Papst Johannes Paul II. gebilligten Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre zur Euthanasie[25] bestätigt.
Stellvertretend für die römisch-katholische Kirche hat die holländische Katholische Bischofskonferenz mit ihrer „Pastoralen Handreichung” gegen aktive Sterbehilfe protestiert, in der sie festschreibt:
- „Das Ersuchen um aktive Sterbehilfe ist der Versuch, den letzten Gang des Lebens vollständig in die eigene Hand zu nehmen. Dies ist nicht vereinbar mit der Übergabe seiner selbst in die liebende Hand Gottes, wie sie sich in den kirchlichen Sakramenten ausdrückt …“
- „Euthanasie ist keine Lösung für das Leiden, sondern eine Auslöschung des leidenden Menschen.“
Römisch-katholischer Standpunkt zur passiven Sterbehilfe
Indirekte oder passive Sterbehilfe können unter Umständen erlaubt sein (anders als aktive Sterbehilfe). Diese Ausnahmen stellte die Kongregation für die Glaubenslehre wie folgt dar:
- „Wenn der Tod näher kommt und durch keine Therapie mehr verhindert werden kann, […] ohne daß man jedoch die normalen Hilfen unterläßt, die man in solchen Fällen einem Kranken schuldet. Dann liegt kein Grund vor, daß der Arzt Bedenken haben müßte […].“[25]
Papst Johannes Paul II. erklärte am 24. März 2002, drei Jahre vor seinem Tod, vor Medizinern und Gesundheitsfachleuten aus aller Welt:
- „Die Komplexität des Menschen fordert bei der Verabreichung der notwendigen Heilmethoden, daß man nicht nur seinen Körper berücksichtigt, sondern auch seinen Geist. Es wäre anmaßend, allein auf die Technik zu setzen. Und in dieser Sicht würde sich eine Intensivmedizin um jeden Preis bis zum Letzten schließlich nicht nur als unnütz erweisen. Sie würde auch nicht völlig den Kranken respektieren, der nun an sein Ende gelangt ist.“
Alt-katholischer Standpunkt zur aktiven Sterbehilfe
Die Position der alt-katholischen Kirche, die aktive Sterbehilfe ablehnt, legt exemplarisch der österreichische Bischof Bernhard Heitz dar:
- „An der Hand und im Arm des geliebten und vertrauten Menschen sterben zu dürfen, ist etwas anderes als durch die Hand eines Menschen zu sterben. Aktive Sterbehilfe lehnt die Altkatholische Kirche somit entschieden ab. Geboren werden und Sterben sind vielmehr menschliche und natürliche Grundbedingungen des Lebens und sind als solche der menschlichen Kultur unterworfen. Eine Gesellschaft, die den Tod verdrängt und verleugnet, die Tote als Entsorgungsfälle ansieht, hat ein Stück weit die mitmenschliche Solidarität verloren.“[26]
Evangelische Stellungnahme zur Sterbehilfe
„Den Ausgangspunkt bildet die Pflicht, jedem Menschen ein Sterben in Würde zu ermöglichen. … Wir alle sollten Sterbenden so beistehen, dass der Wunsch, getötet zu werden oder sich selbst zu töten, gar nicht erst aufkommt.“ (Bischof Dr. Wolfgang Huber, früherer Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD): Zwischen dem Recht auf Selbstbestimmung und der Pflicht zur Lebenserhaltung: Begleitung im Sterben)[27]. Der Ratsvorsitzende der EKD lehnt aktive Sterbehilfe ab und verweist auf folgende Alternativen:
- Jeder Mensch kann heute für die Gestaltung seiner letzten Lebenszeit Vorsorge treffen. Die Kirchen geben seit 1999 eine Patientenverfügung mit Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung – die „Christliche Patientenverfügung“ – heraus.
- Auf der medizinischen Ebene sind vor allem die Weiterentwicklung und der Ausbau der Palliativmedizin zu fordern, die sich der Schmerztherapie und der Linderung weiterer Krankheitssymptome widmet. Die palliativmedizinische Ausbildung der Ärzte und die entsprechende Ausstattung der Krankenhäuser sollte verbessert werden.
- Für den Gesamtbereich stationärer Pflege sind die grundlegenden Ideen und praktischen Erfahrungen der Hospizbewegung stärker zur Geltung zu bringen. Der Hospizgedanke zielt auf Sterbebegleitung im Krankenhaus ebenso wie in familiärer und nachbarschaftlicher Zuwendung und Hilfe.
Zum Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs vom 25. Juni 2010 erklärt die EKD:
„Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) begrüßt, dass durch das heutige Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) das Recht des Patienten auf die Umsetzung seines Willens gestärkt wird. … Nach Auffassung der christlichen Ethik gibt es keine Verpflichtung des Menschen zur Lebensverlängerung um jeden Preis und auch kein ethisches Gebot, die therapeutischen Möglichkeiten der Medizin bis zum Letzten auszuschöpfen. Einen Menschen sterben lassen ist bei vorher verfügtem Patientenwillen nicht nur gerechtfertigt, sondern geboten. Zur Endlichkeit des Lebens gehört auch, dass man das Herannahen des Todes zulässt, wenn seine Zeit gekommen ist.
Demgegenüber ist und bleibt die gezielte Tötung eines Menschen in der letzten Lebensphase aus christlicher Sicht ethisch nicht vertretbar, auch wenn sie auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin erfolgt. Gesetzliche Regelungen und gesellschaftliche Konventionen, die der Tötung auf Verlangen oder der Beihilfe zur Selbsttötung den Weg ebnen, sind ein Irrweg, den die christlichen Kirchen entschieden ablehnen. Sie werden sich auch in Zukunft dafür einsetzen, dass an den bestehenden gesetzlichen Regelungen zur Tötung auf Verlangen festgehalten wird und keine Lockerung erfolgt.“ [28]
Siehe auch
- Eugenik
- Palliativmedizin, Palliativpflege, Sterbebegleitung
- Pflegeskandale, der Begriff Pflegefall, PEG-Sonde
- Patientenrechte, Patientenverfügung, Heilbehandlung
- Exit (Schweiz), Dignitas (Verein)
- Jörg Lühdorff: 2030 – Aufstand der Alten
- Jack Kevorkian
Literatur
- Pieter Admiraal et al.: Wege zu einem humanen, selbstbestimmten Sterben. Stiftung WOZZ, 2008, ISBN 978-90-78581-03-1.
- Karl Beine: Sehen, Hören, Schweigen … Lambertus-Verlag, Freiburg 1998, ISBN 3-7841-1049-5 (Die erste Untersuchung der Einstellung zur aktiven Sterbehilfe bei ärztlichem und Pflegepersonal in Deutschland im Jahr 1993).
- Udo Benzenhöfer: Der gute Tod? Geschichte der Euthanasie und Sterbehilfe. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2009, ISBN 978-3-525-30162-3.
- Udo Benzenhöfer: Der gute Tod. Euthanasie und Sterbehilfe in Geschichte und Gegenwart. Beck, München 1999, ISBN 3-406-42128-8.
- Edgar Dahl: Dem Tod zur Hand gehen. Der ärztlich-assistierte Suizid in Oregon. In: Spektrum der Wissenschaft. Juli 2006, S. 116–120.
- Svenja Flaßpöhler: Mein Wille geschehe. Sterben in Zeiten der Freitodhilfe. Berlin 2007, ISBN 3-937989-27-7 (Preisgekrönte und vielrezensierte Erörterung zur Sterbehilfe).
- Norbert Hoerster: Sterbehilfe im säkularen Staat. Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-518-28977-2.
- Matthias Kamannn: Todeskämpfe. Die Politik des Jenseits und der Streit um Sterbehilfe. Transcript-Verlag, Bielefeld 2009, ISBN 978-3-8376-1265-3.
- Björn Kern: Die Erlöser AG. C. H. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-56374-4 (Roman, literarische Auseinandersetzung mit dem Thema).
- Thomas Klie, Johann-Christoph Student: Die Patientenverfügung – was Sie tun können, um richtig vorzusorgen. 7. Auflage, Herder, Freiburg 2001, ISBN 3-451-05044-7.
- Thomas Klie, Johann-Christoph Student: Sterben in Würde. Auswege aus dem Dilemma der Sterbehilfe. Herder, Freiburg i. Br. 2007, ISBN 978-3-451-29657-4.
- Helga Kuhse, Peter Singer: Muß dieses Kind am Leben bleiben? 1993, ISBN 3-89131-110-9.
- Michael Kubiciel: Gott, Vernunft, Paternalismus – Die Grundlagen des Sterbehilfeverbots Juristische Arbeitsblätter 2011, S. 86-91.
- Manfred von Lewinski: Ausharren oder gehen? – Für und wider die Freiheit zum Tode Olzog, München 2008, ISBN 978-3-7892-8254-6
- Peter Singer: Praktische Ethik. Ditzingen 1994, ISBN 3-15-008033-9.
- Wilhelm Uhlenbruck: Selbstbestimmtes Sterben. Berlin 1997, ISBN 3-926445-15-7.
- Betty Rollin: Last Wish. Public Affairs, ISBN 1-891620-01-0 (engl.); Der letzte Wunsch. Verlag Scherz, München 1985, Neuauflage 1998, ISBN 3-502-18635-9 (dtsch.).
- Stefanie Schardien (Hg.): Mit dem Leben am Ende. Stellungnahmen aus der kirchlichen Diskussion in Europa zur Sterbehilfe. Edition Ruprecht, Göttingen 2010, ISBN 978-3-7675-7123-5.
- Eva Schumann: Dignitas – Voluntas – Vita. Überlegungen zur Sterbehilfe aus rechtshistorischer, interdisziplinärer und rechtsvergleichender Sicht. Göttinger Antrittsvorlesung im Januar 2006, Universitätsverlag, Göttingen 2006, ISBN 3-938616-49-0 (Volltext, PDF).
- Oliver Tolmein: Keiner stirbt für sich allein. Sterbehilfe, Pflegenotstand und das Recht auf Selbstbestimmung. Bertelsmann, München 2006, ISBN 3-570-00897-5. Dazu Rezension von Elisabeth Wehrmann In: Die Zeit, Nr. 3 vom 11. Januar 2007.
- Karsten Gaede, Durchbruch ohne Dammbruch – Rechtssichere Neuvermessung der Grenzen strafloser Sterbehilfe, NJW 40/2010, 2925
- Weitere Literatur, insbes. Zeitschriftenbeiträge
Weblinks
Commons: Euthanasia – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- 3. BtÄndG im Bundesgesetzblatt (PDF; 39 kB)
- Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung (2004)
- Student/Klie: Wege aus dem Dilemma der Sterbehilfe
- Hospizbewegung – „Unsere Gesetzeslage respektiert den Selbstmord.“ (die ehemalige Justizministerin Däubler-Gmelin u. a. über Todkranke, Dignitas in Tagesspiegel vom 7. April 2008)
- Langzeitstudie der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung (Oktober 2005): Was denken die Deutschen wirklich über Sterbehilfe? (PDF; 1,12 MB)
- Monika Renz: Was ist gutes, was ist würdiges Sterben? Was uns Sterbende lehren. Vortrag in der Ethikkommission der Schweizerischen Bischofskonferenz am 12. November 2008 (PDF; 90 kB)
- Klaus Feldmann: Sterben, Sterbehilfe, Töten, Suizid. Bausteine für eine kritische Thanatologie und für eine Kultivierungstheorie. Hannover 2009: work in progress (kritische Stellungnahmen und Anregungen erwünscht): Version 90 (PDF; 1,17 MB)
- Christdemokraten für das Leben, Bezirksverband Koblenz-Montabaur: Aktuelle Rechtslage zur Sterbehilfe in Deutschland (Stand 10/2009)
- http://prosterbehilfe.de ärztlich initiierter Solidaritätsaufruf und Unterzeichnerliste Pro-Sterbehilfe (Stand 1/2011)
Einzelnachweise
- ↑ Ernst-Wolfgang Böckenförde: Aktive Sterbehilfe wäre Dammbruch für Lebensschutz. aerzteblatt.de vom 29. November 2007.
- ↑ BVerfG 2 BvR 1451/01
- ↑ Susanne Stauch: Euthanasie in der Kleintierpraxis. Mensch & Buch Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-86664-220-1 (online bei der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin).
- ↑ Jürgen Baumann et al.: Alternativentwurf eines Gesetzes über Sterbehilfe (AE-Sterbehilfe). Georg Thieme Verlag Stuttgart, New York 1986, ISBN 3-13-688201-6.
- ↑ Jörn Lorenz: Sterbehilfe – Ein Gesetzentwurf. Nomos Verlag Baden-Baden 2008, ISBN 978-3-8329-3822-2 u. Dike Verlag Zürich/St. Gallen 2008, ISBN 978-3-03751-115-2.
- ↑ Michael Pawlik: Woher die vielen Notare nehmen? (Neue Sachbücher). In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17. August 2009, S. 6 (auch bei FAZ.NET).
- ↑ Durch das Urteil des BGH im Sommer 2010 – siehe unten – werden diese Befürchtungen wohl gegenstandslos.
- ↑ Deutscher Bundestag, 16. Wahlperiode, Protokoll der 227. Sitzung am 18. Juni 2009 (S. 25094–25127, PDF) (2,97 MB).
- ↑ Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs
- ↑ Urteilsbesprechung: Kubiciel, Zeitschrift für das juristische Studium 2010, S. 656–661.
- ↑ Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung (abgedruckt in: Deutsches Ärzteblatt | Jg. 108 | Heft 7 | 18. Februar 2011).
- ↑ vgl. nur das Beschlussprotokoll des 114. Deutschen Ärztetages zu Top II – Palliativmedizin.
- ↑ Vgl. auch die Kritik von Dr. Michael de Ridder in der Ausgabe 20/2011 vom 19. Mai 2011 der Zeitschrift Der Spiegel: "ETHIK: Das Gewissen der Ärzte wird gleichgeschaltet". [1]
- ↑ Bericht und Bewertung der Feststellungen des 114. Dt. Ärztetages durch Prof. Dr. Winfried Kluth, "Ärztlich assistierter Suizid – Kehrtwende und berufliches Ethos", in: Legal Tribune Online vom 6. Juni 2011. [2]
- ↑ Thela Wernstedt: Sterbehilfe in Europa. Lang Verlag Frankfurt, Berlin, Bern 2004, S. 81, ISBN 3-631-51194-9.
- ↑ Stein Husebø; Eberhard Klaschik: Palliativmedizin. Grundlagen und Praxis. Springer Verlag Heidelberg 2006, ISBN 978-3-540-29888-5.
- ↑ Statistik: Passive Sterbehilfe, Institut für Demoskopie Allensbach, August 2008.
- ↑ Norbert Hoerster: Sterbehilfe im säkularen Staat; 1998; S. 11.
- ↑ R. D.. Truog u. a.: Barbiturates in the care of the terminally ill; New England Journal of Medicine, 1992, 327:1678–1682.
- ↑ Legal Euthanasia. Australia Faces a Grim Reality. New York Times vom 2. Februar 1997.
- ↑ Die Zeit xx/2011, erschienenen am 20. Oktober 2011]
- ↑ http://www.dgss.org/index.php?id=98&tx_ttnews%5BbackPid%5D=15&tx_ttnews%5Bpointer%5D=4&tx_ttnews%5Btt_news%5D=25&cHash=722994e349
- ↑ http://www.ekd.de/EKD-Texte/44678.html
- ↑ vatican.va, abgerufen Juli 2010
- ↑ a b http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/rc_con_cfaith_doc_19800505_euthanasia_ge.html
- ↑ http://www.trauerhilfe.at/ratgeber/kirchengemeinschaften/altkatholische-bestattung.php
- ↑ http://www.ekd.de/gesellschaft/pm137_2004_rv_kommentar_azm_sterbehilfe.html Bischof Dr. Wolfgang Huber, früherer Ratsvorsitzender der EKD: Gastbeitrag für die Allgemeine Zeitung Mainz, 10. Juli 2004.
- ↑ http://www.ekd.de/presse/pm134_2010_bgh_urteil_sterbehilfe.html Stellungnahme der EKD zum BGH-Urteil zur Sterbehilfe vom 25. Juni 2010.
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