Emanuele Notarbartolo

Emanuele Notarbartolo

Emanuele Notarbartolo, Marchese di San Giovanni (* 23. Februar 1834 in Palermo; † 1. Februar 1893 nahe Trabia) war ein italienischer Marchese und Großgrundbesitzer, dessen Ermordung durch die Cosa Nostra weit über Sizilien und Italien hinaus für Aufsehen sorgte, denn der Mord an ihm war der erste, den die Mafia an einem Mitglied der Oberschicht verübte.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Notarbartolo, der aus einer angesehenen Adelsfamilie stammte, war von 1873 an, für drei Jahre Bürgermeister von Palermo und hatte in seiner Amtszeit als einer der ersten die Cosa Nostra und die Korruption in der Stadtverwaltung bekämpft. So zwang er den Assessor des Getreideamtes, Raffaele Palizzolo, unterschlagenes Geld zurückzuzahlen.

Anschließend wurde er Mitte der 1870er-Jahre Generaldirektor der Bank von Sizilien, wo er weiter gegen Korruption und Betrug innerhalb des Aufsichtsrates vorging. Als seine Arbeit wirkungslos blieb, stellte er den zuständigen Ministern in Rom ein Ultimatum: Entweder wird die Bank reformiert und die korrupten Mitglieder aus dem Aufsichtsrat entfernt, oder er verlässt die Bank. Die Minister entscheiden sich dafür, ihn zu entlassen. Ab 1890 war Notarbartolo dann Privatmann, setzte aber den Kampf gegen die ‚ehrenwerte Organisation‘ und den Aufsichtsrat fort. Unter anderem erfährt er von Kredit- und Aktienbetrügereien und erwirkt beim Schatzministerium eine Untersuchung.

Da er als unbestechlich galt, sahen die Cosa Nostra sowie mehrere Politiker, darunter Raffaele Palizzolo, nun Parlamentsabgeordneter für Palermo mit Verbindungen zur Mafia und der Auftraggeber des Mordes, keine andere Möglichkeit, als Notarbartolo zu liquidieren.

Mord

Am Morgen des 1. Februar 1893 reitet Notarbartolo, zum Selbstschutz mit einem Gewehr bewaffnet, nach Sciara, wo sich die nächstgelegene Bahnstation befindet. Von dort aus, will er mit dem Zug weiter nach Palermo reisen. Im Zug steigt er in ein leeres Abteil der Ersten Klasse, wo er wegen des ermüdenden Ritts einschläft. Der Zug macht im Bahnhof von Termini Imerese einen Zwischenstopp. Dort steigen auch die zwei Auftragsmörder ein.

Nach einer 13-Minütigen Verspätung, die wahrscheinlich von den Tätern verursacht wurde, kommt um 18.23 Uhr das Abfahrtssignal. Als der Zug einen Tunnel zwischen Termini Imerese und Trabia erreicht, nutzen die zwei Männer den günstigen Moment – wegen des Tunnels schallen die Geräusche des Zuges von den Abteilwänden zurück und überdecken die Geräusche der Täter – und dringen, bewaffnet mit einem Stilett und einem Dolch, ins Abteil von Notarbartolo ein und attackieren den aufgeschreckten Mann mit ihren Waffen. Notarbartolo wird von mehreren Stichen getroffen, darunter ein Stich in die Leiste und mindestens vier weitere, die tief in den Brustkorb eindringen und den Marchese töten.

In Trabia angekommen, verstecken sich die Mörder in Notarbartolos Abteil und werfen den Leichnam nach der Weiterfahrt bei einer Brücke, die über einen Fluss gespannt ist, aus dem Zugfenster, in der Hoffnung, dass er in den Fluss fällt und fortgespült wird. Die Leiche prallt jedoch gegen das Brückengeländer, wo sie auf den Gleisen liegen bleibt und später gefunden und identifiziert wird.

Gerichtsverhandlung

Am 11. November 1899 kommt es im Mailänder Schwurgericht zum Prozess, dem eine jahrelange Verschleppung und Sabotage der Tataufklärung vorangegangen war. Dass überhaupt ein Prozess zustande kam, ist Leopoldo Notarbartolo, dem Sohn des Ermordeten, zu verdanken, der das Familienvermögen für die Aufklärung der Tat benutzte.

Zu Beginn sind nur der Schaffner und der Bremser angeklagt, nicht jedoch Raffaele Palizzolo, der aber von Leopoldo Notarbartolo während seiner Aussage vor dem Gericht am 16. November schwer belastet wird. Dessen politische Immunität wird aufgehoben, doch es wird eine Ermittlungspause ausgesetzt.

Erst im September 1901 wird im Palazzo Baciocchi in Bologna das Verfahren gegen Palizzolo wieder aufgenommen. Der Prozess dauert elf Monate (bis zum 30. Juli 1902), in dem es mehrmals zu schweren Tumulten im Gerichtssaal kommt. Am Ende verkünden die Geschworenen Palizzolos Schuld.

Das Urteil des Gerichts wird jedoch vom Kassationshof in Rom aus formalen Gründen für ungültig erklärt und am 23. Juli 1904 wird Raffaele Palizzolo endgültig freigesprochen.

Trivia

Nach Emanuele Notarbartolo ist ein Flughafen in Palermo benannt.

Literatur

Mathias Mesenhöller: Die Ehrenwerte Gesellschaft. In: GEO Epoche - Mafia - Die Geschichte des Organisierten Verbrechens. Nr. 48, Gruner & Jahr, Hamburg 2011, ISBN 978-3-652-00029-1, ISSN 1861-6097, S. 20-31.


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