Carl Diem

Carl Diem

Carl Diem (* 24. Juni 1882 in Würzburg; † 17. Dezember 1962 in Köln) war ein deutscher Sportfunktionär und -wissenschaftler. Er war Urheber des olympischen Fackellaufs in der Neuzeit und Mitinitiator der Gründung der ersten Sporthochschule der Welt in Berlin.

Carl Diem

Inhaltsverzeichnis

Karriere als Sportfunktionär

Gedenktafel am Olympischen Platz 4, in Berlin-Westend

Kaiserreich

1899 gründete er den Sportverein SC Marcomannia Berlin, 1908 wurde er Vorsitzender der „Deutschen Sportbehörde für Athletik“. Ab 1911 gehörte er zur Bundesleitung des Jungdeutschlandbundes, dem Dachverband aller Jugendorganisationen[1]. 1913 begründete er die Verleihung des „Deutschen Sportabzeichens“, welches sich bis heute erhalten hat. Er plante auch die Olympischen Spiele 1916 in Berlin, die dann aber wegen des Ersten Weltkriegs nicht abgehalten wurden. 1913 wurde er Generalsekretär des „Deutschen Reichsausschusses für Leibesübungen“(DRAfL).

Weimarer Republik

1920 fanden erstmals die von ihm initiierten „Reichsjugendwettkämpfe“ statt, die Vorläufer der heutigen Bundesjugendspiele. 1920 wirkte er maßgeblich an der Gründung der Deutschen Hochschule für Leibesübungen in Berlin mit und wurde Prorektor dieser ersten Sporthochschule der Welt. Als Sportfunktionär war er bei den Olympischen Spielen 1928 und 1932 Missionschef der deutschen Olympiamannschaften.[2] 1930 ermöglichte er Sepp Herberger mit einer Ausnahmegenehmigung das Studium an der Sporthochschule ohne Abitur.

NS-Staat

Diems Rolle in der Zeit des Nationalsozialismus ist bis heute umstritten. Einerseits wurde er 1934 von den Nationalsozialisten als „politisch unzuverlässig“ eingestuft (wohl auch wegen der jüdischen Verwandten seiner Ehefrau). 1933 endete bereits seine Stellung als DRAfL-Generalsekretär. Im selben Jahr verlor er seinen Posten als Prorektor der Sporthochschule, weil er sich weigerte, in die NSDAP einzutreten.

Andererseits hatte er während der NS-Zeit wichtige und prominente Funktionen inne und beteiligte sich an Propagandaaktionen. Als Generalsekretär des Organisationskomitees war er seit 1933 maßgeblich an Planung und Durchführung der Olympischen Spiele 1936 in Berlin beteiligt.[2] Nach einer Idee von Alfred Schiff initiierte er zusammen mit Theodor Lewald erstmals den Olympischen Fackellauf von Griechenland zur jeweiligen Austragungsstätte – dieser Brauch ist bis heute erhalten. Von 1936 bis 1945 hatte er die Leitung des Internationalen Olympischen Instituts (IOI) in Berlin inne. Seine Veröffentlichungen von 1938 bis 1945 erschienen zu etwa einem Drittel in nationalsozialistischen Publikationen. 1939 wurde er vom Reichssportführer mit der Leitung der Auslandsabteilung des NSRL betraut, wohl wissend um den verbrecherischen Charakter des Regimes. So rühmte er in einem Aufsatz im Reichssportblatt vom 25. Juni 1940 „mit atemloser Spannung und steigender Bewunderung diesen Sturmlauf, diesen Siegeslauf“ durch Frankreich, stand „staunend vor den Taten des Heeres“ und schrieb, dass „der sportliche Geist, in dem Deutschlands Jungmannschaft aufgewachsen ist“, erst den „Sturmlauf durch Polen, Norwegen, Holland, Belgien und Frankreich“, den „Siegeslauf in ein besseres Europa“ ermöglichte. Auch Sätze wie „Sport ist freiwilliges Soldatentum“ stammen von Carl Diem. Noch am 18. März 1945 rief er Mitglieder der Hitlerjugend auf dem Berliner Reichssportfeld zum „finalen Opfergang für den Führer“ auf.[3]

Nachkriegszeit

Nach Kriegsende wurde Diems mehrere Bände umfassende Schrift Olympische Flamme (Deutscher Archiv-Verlag, Berlin 1942) in der Sowjetischen Besatzungszone auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[4]

Am 12. April 1947 wurde Diem zum Rektor der von ihm gegründeten Deutschen Sporthochschule in Köln ernannt. Dieses Amt bekleidete er bis zu seinem Tod 1962. Von 1950 bis 1953 war er zusätzlich Sportreferent im Bundesinnenministerium.[2] Diem bot 1947 Sepp Herberger das Amt des Fußballlehrers an, das dieser bis 1957 an der Sporthochschule ausübte. 1951 begleitete Diem als Chefredakteur die Gründung der Zeitschrift Olympisches Feuer, eines Magazins des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und der Deutschen Olympischen Gesellschaft (DOG).

Carl Diem hinterließ 60.000 Briefe und 12.000 Seiten Tagebücher, die im Carl und Liselott Diem-Archiv an der Sporthochschule Köln zugänglich sind.

Privatleben

1930 heiratete Diem die Sportpädagogin Liselott Bail [5]; aus der Ehe gingen vier Kinder (geboren 1931, 1932, 1935 und 1941) hervor.

Andenken

In den ersten Jahren nach Diems Tod überwog die Würdigung von Diems Verdiensten um den deutschen Sport. Zahlreiche Sportanlagen (zum Beispiel in Reutlingen, Bad Bentheim, Iserlohn und Wadersloh) und Straßen (zum Beispiel in Furtwangen) sind heute noch nach ihm benannt. Erst gegen Ende des letzten Jahrhunderts wurde im Licht zeitgeschichtlicher Forschung Diems Rolle im Nationalsozialismus zunehmend kritisch betrachtet. „Von öffentlicher Reue [Anm.: Carl Diem zu seiner Rolle im Nationalsozialismus] ist nichts bekannt, von ernsthaften Zweifeln renommierter Historiker an Diems Rolle im Nationalsozialismus ebenso wenig.“[6]

Nach teilweise leidenschaftlichen und sehr kontrovers geführten Diskussionen wurden zuvor nach Diem benannte Straßen (zum Beispiel in 1996 in Mülheim an der Ruhr[7], 2007 in Aachen oder 2009 in Pulheim), Schulen (Grundschule Ritterhude), Hallen (zum Beispiel 2001 in Berlin-Steglitz oder 2004 in seiner Geburtsstadt Würzburg) nun umbenannt.[8] Die am vormaligen Carl-Diem-Weg in Köln gelegene Deutsche Sporthochschule unterlag im Rechtsstreit gegen die 2008 erfolgte Umbenennung der Straße in „Am Sportpark Müngersdorf“.[9]

Auch der Carl-Diem-Schild, den der Deutsche Leichtathletik Verband seit 1962 an verdiente Funktionäre vergibt, wurde am 23. Februar 2001 in DLV-Ehrenschild umbenannt.[10] Eine nach ihm benannte Medaille der Stadt Würzburg wird nicht mehr vergeben. Die 1952 vom Deutschen Sportbund für hervorragende deutschsprachige sportwissenschaftliche Arbeiten gestiftete und seit 1953 alle zwei Jahre verliehene Carl Diem-Plakette wurde weiterhin verliehen.[11] Seit 2006 hat der DOSB seine Namensplakette, mit der an Carl Diem erinnert wurde, durch den DOSB-Wissenschaftspreis ersetzt.[12]

Schriften

  • Olympische Flamme. 3 Bände, Berlin 1936. (gilt als wichtiges Zeitdokument nationalsozialistischer Sportpropaganda)
  • Asiatische Reiterspiele. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte der Völker. Deutscher Archiv-Verlag, Berlin 1941
  • Körpererziehung bei Goethe. Frankfurt am Main 1948.
  • Lord Byron als Sportsmann. Köln 1950.
  • Ein Leben für den Sport. Ratingen o.J. [1974].

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Militärgeschichtliche Mitteilungen, Karlsruhe 1917, S. 120
  2. a b c Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 108–109.
  3. Zitat bei Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Fischer Taschenbuch 2005, S. 109.
  4. http://www.polunbi.de/bibliothek/1946-nslit-d.html
  5. Franz Lotz: Eine Frau für jedes Wetter – Zum 70. Geburtstag von Liselott Diem, Zeitschrift DTS, 1976/18 S.18
  6. http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,501387,00.html
  7. „Vom Adlerhorst bis Zwischen den Gärten“ – Straßennamen in Mülheim-Ruhr
  8. DVS-Information 2/1996, S. 42
  9. http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,501387,00.html
  10. Durch DLV-Verbandsratsbeschluss am 23. Februar 2001 in Dortmund Umbenennung in DLV-Ehrenschild, siehe BLV-Archiv (6. Januar 2010)
  11. [1]
  12. Dokumentation der Festakademie des DOSB-Wissenschaftspreises 2009/2010 erschienen. dosb.de

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