Felix Pfefferkorn

Felix Pfefferkorn

Felix Samuel Pfefferkorn (* im Januar 1945 in Berlin; verschollen seit dem 1. Januar 1980) war ein deutscher Maler.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Felix Samuel Pfefferkorn wird im Januar 1945 in Berlin geboren. Seine Eltern kommen bei einem Bombenangriff ums Leben. Das verwaiste Kind wächst bei Freunden der Eltern auf. Mit 14 Jahren geht der junge Pfefferkorn auf Anregung eines befreundeten amerikanischen Soldaten nach Paris. Fasziniert von der Stadt, verlängert er seinen Aufenthalt; Gelegenheitsarbeiten halten ihn über Wasser. In Paris lernt er Juliette Gréco kennen und verkehrt in den Kreisen der jungen existentialistischen Intellektuellen, deren Philosophie ihn tief beeindruckt. Auf das Problem der menschlichen Freiheit und der politischen Verantwortung zentriert, bemüht er sich um eine erste weltanschauliche Klärung. In die Pariser Jahre fällt auch die erste Berührung mit der Malerei. Sein Zimmergenosse, mit dem er vorübergehend ein Atelierzimmer teilt, führt ihn in den Kreis der Maler des Montmartre ein. Pfefferkorn orientiert sich in seinen ersten Malversuchen stilistisch an der Nouvelle Ecole de Paris und deren avantgardistischen abstrakten Positionen. Besonders beeindruckt haben ihn die Maler des französischen Informels wie Jean René Bazaine, der Frankokanadier Jean-Paul Riopelle und Georges Mathieu, wie man aus den wenigen überlieferten Bildern aus den sechziger Jahren ersehen kann. 1962 kehrt Pfefferkorn nach Deutschland zurück, flüchtet aber vor dem zunehmend als bedrückend empfundenen politischen Klima noch im gleichen Jahr nach Zürich. Dort lebt er die nächsten Jahre mit der Schriftstellerin Clara zusammen. Wie in Paris bemüht er sich, eine überzeugende weltanschauliche und künstlerische eigenständige Position zu entwickeln. In den ersten Jahren geschieht dies zunächst auf intellektueller Ebene mit zahlreichen Diskussionen und Selbststudium. Seit 1965 entschließt er sich, als Künstler in die Öffentlichkeit zu treten und die Malerei als Mittel zur individuellen und gesellschaftlichen Erforschung zu nutzen.

1967 löst er die Bindungen an sein bisheriges Leben: er kündigt seinen Arbeitsplatz, bricht die Beziehung mit Clara ab und bewirbt sich an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe. Der biographische Einschnitt verbindet sich mit einer künstlerischen Wende. Pfefferkorn vernichtet einen Großteil seiner früheren, abstrakten Werke, die ihm künstlerisch nicht mehr genügen, und setzt mit seiner Bewerbung an der Karlsruher Akademie, damals eine der Hochburgen figurativer Malerei in Deutschland, ein klares Zeichen für die gegenständliche Malerei. Trotz der Ablehnung seiner Karlsruher Bewerbung kehrt Pfefferkorn nach Deutschland zurück. Angezogen von dem aufbruchbereiten, turbulenten geistigen Klima der 68er-Zeit wird er Mitglied einer Kommune, mit der er seit 1969 in Heidelberg lebt. Er lernt Rudi Dutschke kennen und nimmt regen Anteil an den politischen und gesellschaftlichen Diskussionen der Zeit. An der Studentenbewegung ziehen ihn die politische und antikapitalistische Kritik an und mehr noch das schonungslose Infragestellen der eigenen und gesellschaftlichen Lebensgrundlagen. Politische Malerei, die etwa die amerikanische Vietnampolitik anprangert, die Teilnahme an Diskussionen und unvermeidlich auch Drogenkonsum bestimmen Pfefferkorns Leben. Über Heidelberg und Singen kommt er mit der Kommune 1970 nach Konstanz, wo er im Künstlerkreis „Roter Knopf“ verkehrt. Die zunehmende Radikalisierung der Linken und ihre Gewaltbereitschaft stoßen den überzeugten Pazifisten Pfefferkorn jedoch ab. Innerhalb seiner linken Gruppierung gerät er in eine unüberwindbare politische und persönliche Isolierung.

Wieder gibt er seinem Leben eine neue Orientierung. Dabei hilft ihm die Freundschaft mit einem Konstanzer Galeristen, dem es gelingt, den Maler von seiner Drogensucht zu befreien und aus den sinnleer gewordenen politischen Verbindungen zu lösen. Pfefferkorn widmet sich von nun an ausschließlich der Malerei. Die Bilder aus der Agitprop-Zeit der 60er Jahre erkennt der Künstler weitgehend nicht mehr als künstlerisch verbindlich an. Pfefferkorn entscheidet sich endgültig für die figürliche Malerei, der „Hunger nach Bildern“ [1] bricht sich Bahn. In wenigen Jahren fiebrig gedrängter Kreativität entsteht das malerische Hauptwerk Pfefferkorns. 1974 erhält er einen vierjährigen Exklusivvertrag mit der Konstanzer Galerie Belarte. Seelisch und körperlich stabilisiert, mit neuem Vertrauen in seine kreativen Ausdruckskräfte, scheint Pfefferkorn sich endgültig etabliert zu haben, als ihn ein letzter Schicksalsschlag trifft: der Tod seines Galeristen und die folgende Schließung der Galerie. Pfefferkorn entscheidet sich erneut, die Brücken zu seinem früheren Leben abzubrechen. Er verkauft sein gesamtes Werk an einen befreundeten Kunsthändler und bereitet seine Übersiedlung in die USA vor. Seit dem 1. Januar 1980 gibt es von ihm kein Lebenszeichen mehr.

Werk

Das bewegte Leben des Malers kann exemplarisch für die Entwurzelung der unmittelbaren Nachkriegsgeneration gesehen werden. Der 1945 geborene Pfefferkorn verliert schon am unmittelbaren Beginn seiner Existenz durch den Tod seiner Eltern und den Untergang des Dritten Reichs den biographischen und sozialen Bezugsrahmen. Positiv gewendet heißt das: er ist frei, seine Existenz nach seinem eigenem Entwurf zu gestalten. In dieser Verpflichtung zur Freiheit liegt für ihn auch die Anziehungskraft des Existenzialismus: Chance und Verantwortung der absoluten Freiheit hatte er am eigenen Leib erfahren. Lange Jahre seines Lebens bringt er damit zu, sich mit philosophischen und politischen Theorien auseinanderzusetzen, um eine tragfähige gedankliche Grundlage für seine Existenz zu schaffen. Die turbulenten Jahre der Selbstfindung und der Suche nach künstlerischem Ausdruck münden Mitte der 70er Jahre in eine Zeit hochkonzentrierten Schaffens, die bis 1979 dauert. Pfefferkorn ordnet seine Gemälde mit Vorliebe in thematischen Zyklen an. Für ihn erschöpfte sich das Motiv nicht in einem Bild, er umkreiste es in vielen Lösungen, um so auf seine Weise durch die Variationen ein Bildthema in seinen Möglichkeiten durchzuspielen. [2]. Den Beginn der existenziellen und künstlerischen Neu-Orientierung thematisiert Anfang der 70er Jahre eine Reihe von Selbstbildnissen und Porträts, mit denen Pfefferkorn sein Selbstverständnis als Künstler definiert.

Deutschland-Thema

Mit den Bildern des Potato-Land-Zyklus, den Bildern von Bundesadler und Brandenburger Tor (1976 und 1977) widmet sich Pfefferkorn erneut der politischen Malerei. Der Künstler kombiniert die politischen Symbole von Bundesadler, Brandenburger Tor und die Flaggenfarben Schwarz-Rot-Gold mit der selbst geschaffenen Symbolgestalt der Kartoffel als Stellvertreter für den deutschen Michel. Der künstlerische Fortschritt gegenüber den eindeutig politisch Stellung beziehenden Anti-Kapitalismus-Bildern der sechziger Jahre ist unverkennbar: Pfefferkorn hält Distanz gegenüber allen politischen Standpunkten und illustriert keine konkreten Ereignisse mehr. Stattdessen agieren auf den Gemälden in kurzen, erzählerisch komprimierten Szenen Adler und Kartoffeln, als seien sie Menschen. Pfefferkorn nutzt hier die aufklärerische Gestaltungsform der Fabel, in der Tiere und belebte Dinge menschengleich handeln und damit menschliches Tun verdeckt kommentieren oder satirisieren. Die in diesen Bildern stets gegenwärtigen Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold werden soweit verkörperlicht und belebt, dass sie ebenfalls gleichsam in den Rang einer handelnden Gestalt erhoben werden. Die Kartoffel als Symbol des deutschen Michels entdeckt zu haben, erlaubt dem Künstler, eine Vielfalt von widersprüchlichen Konnotationen heraufzubeschwören, wenn er über Deutschland und die Deutschen nachdenkt. Die emotionale Färbung der Bilder reicht von pathetischer Warnung und Anklage bis zu Parodie und spielerischer Ironie. Mit seinen „Korrekturen der Nationalfarben“ [3]. gehört Pfefferkorn zu den Künstlern wie Jörg Immendorff, Markus Lüpertz, Bernd Schwarzer u.a.., die seit Ende der sechziger Jahre und in den siebziger Jahren das kritische Nachdenken über Deutschland, seine Vergangenheit und Gegenwart, zum Thema ihrer Malerei machten. Dank des metaphorischen Witzes und des Anspielungsreichtums gehören die Zyklen Potato-Land und Bundesadler sicher zu den Höhepunkten im Schaffen Pfefferkorns. Werke aus dem Potato-Land-Zyklus befinden sich u.a. im Kartoffelmuseum München der Stiftung Otto Eckart und im Besitz des Altbundeskanzlers Dr. Helmut Kohl. Im Schnittpunkt zwischen den politischen Bildern und den Bildern des urbanen Lebens stehen die Bilder von Eiffelturm, Brandenburger Tor und New Yorker Freiheitsstatue (1976), in denen das jeweils bekannteste architektonische Erkennungszeichen stellvertretend für die Metropole steht.

Zirkus, Wilde Tiere, Liebespaare und Landschaften

Vorwiegend 1977 und 1978 entstehen die Bilder des Zyklus Zirkus und Akrobaten. Auslöser war der Besuch einer Vorstellung des Zirkus Sarrasani. Figuren wie Der Zauberer, Der Clown oder Der Akrobat verweisen gleichzeitig auf archetypische Gestalten. Die Wilden Tiere und der sich teils mit der Zirkus-Bilderreihe überschneidende Zyklus Rabbits sind einerseits von der Faszination des Künstlers für die natürliche Anmut des ungezähmten Tieres geprägt, andererseits unterfüttert mit Verweisen auf Fabeln und Mythen.

Die anmutige Bodensee-Gegend inspiriert Pfefferkorn zu einer Reihe von Bodensee-Landschaften, auch die Bilder von Segel-Regatten auf dem See gehören hierzu. In ihnen fängt der Künstler eine von südlicher Heiterkeit beflügelte Lebenslust ein. In diesem Umkreis stehen auch die Bilder des urbanen Lebens (von 1979), die junge Menschen und städtische Freizeitvergnügen zeigen. Die Figurendarstellungen Pfefferkorns sind meist archetypisch oder symbolisch aufgefasst. So gehören der weibliche Akt und das Liebespaar zu seinen Lieblingsthemen (Zyklen von 1978 und 1979) die junge Frau in ihrer anmutigen Leiblichkeit verkörpert gesunde Sinnenfreude, animalische Lebenskraft und lustvolle Erotik. Damit spiegeln die Gemälde auch das Lebensgefühl der frühen siebziger Jahre: im Gefolge der sexuellen Revolution der 68er-Generation feiern sie das Erleben und Ausleben der freien Liebe. Im gleichen Zeitraum sind auch die Blumenstillleben entstanden. Diese sind ebenso wie die Aktbilder ein malerischer Hymnus auf die natürliche Schönheit und Vitalität. Wie bei Lovis Corinth, dessen Blumenstillleben die Arbeiten Pfefferkorns auch stilistisch in ihrer expressiven Übersteigerung verwandt sind, ist das malerische Festhalten des vollkommenen Augenblicks gleichzeitig ein Versuch, die unvermeidliche Vergänglichkeit zu bannen. Mit dem Höhepunkt des üppigen Erblühens ist zugleich der Wendepunkt erreicht, das allmähliche Vergehen beginnt. Mit diesem Zusammensehen von Vitalität und Vergänglichkeit greift Pfefferkorn als Künstler des 20. Jahrhunderts den barocken „Vanitas“-Gedanken wieder auf.

Stilistisch steht Pfefferkorn in Verwandtschaft mit der zeitgleich bzw. Anfang der 80er Jahre aufblühenden Bewegung der „Berliner Wilden“. Kennzeichnend sind neben der Figürlichkeit die starke, kontrastreiche Farbigkeit, der impulsive, leidenschaftliche Pinselstrich und die Vereinfachung der gegenständlichen Einzelheiten.

Literatur

Horst G. Ludwig: Felix Samuel Pfefferkorn. Monographie und Werkverzeichnis (Typoskript, Drucklegung in Vorbereitung)

Weblinks

  • Website (biographische Angaben und Bildbeispiele)

Einzelnachweise

  1. Marianne Granz: Laudatio anlässlich der Ausstellungseröffnung von Felix Samuel Pfefferkorn in der Galerie Leismann, St. Ingbert, 2. September 1999
  2. Horst G. Ludwig: Felix Samuel Pfefferkorn, 1999, Typoskript, S. 33
  3. So der Titel des Aufsatzes von Björn Egging über „Schwarz-Rot-Gold in der Kunst nach 1960“ in leichter Abwandlung des Titels eines Kunstwerks von KP Brehmer, erschienen in: Flagge zeigen? Die Deutschen und ihre Nationalsymbole. Hrsg. vom Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland anlässlich der gleichnamigen Ausstellung im Haus der Geschichte 2008/2009, Leipzig 2008

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