Fürstliche Hofreitschule Bückeburg

Fürstliche Hofreitschule Bückeburg

Die Fürstliche Hofreitschule Bückeburg ist ein lebendiges Pferdemuseum im Weserbergland in Niedersachsen.

Sie befindet sich im historischen Marstall und Reithaus des Schloss Bückeburg. Die Gebäude wurden zwischen 1609 und 1622 erbaut und beherbergten bis in die 1940er Jahre die Reit- und Fahrpferde der Fürsten zu Schaumburg-Lippe. 2004 wurde die Hofreitschule in einer Privatinitiative der Familie Krischke grundlegend renoviert, um darin die Reitkunst des Barock und die alten Rassen der Barockpferde zu veranschaulichen. Die Hofreitschule ist ganzjährig für Besucher geöffnet, die rund 250 jährlichen Vorführungen der Reitkunst finden von April bis Oktober an den Wochenenden und an vielen zusätzlichen Terminen statt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Aufbau

Unter Graf Ernst zu Holstein-Schaumburg entstand zwischen 1609 und 1622 das sogenannte „Reit- und Wagenhaus“, der heutige Marstall und ein spiegelgleicher Trakt auf der anderen Seite des Reithauses. Zeitgleich ließ er ein Ballhaus (das heutige Reithaus) errichten, das den zeitgenössischen Ballspielen gewidmet war.[1] Das Schloss selbst geht in den Grundmauern des Schlossturms auf eine Wasserburg von 1304 zurück. Die Wirtschaftsgebäude für die Reit-, Kriegs- und Arbeitspferde aus der Zeit bis 1609 sind nicht erhalten geblieben. Das erste überlieferte Zeugnis von Pferden auf Schloss Bückeburg gibt ein Brief von 1598.

Im Jahr 1616 beschreibt der Engländer John Taylor seine Eindrücke von der Bückeburger Residenz des Grafen Ernst zu Holstein-Schaumburg:

„After I was entered within the outward gate, I was shewed his stables, where I saw very fair and goodly horses, both for war and other uses, amongst the rest there was one naturally spotted like a leopard or panther, and is called by the name of leopard, a stately courageous beast and so formed as if nature had laid all her cunning aside; only to compose that horse, and indeed I must acknowledge he was made for the service of some great Prince, and not for any inferior person.“

„Nachdem ich durch das äußere Tor getreten war, zeigte man mir die Stallungen; ich sah dort ausgezeichnete und treffliche Pferde, Streitrosse und andere, darunter eins, das war von Natur aus gefleckt wie ein Leopard oder Panther; es hieß auch Leopard, ein ungewöhnlich furchtloses Tier und so gestaltet, als hätte die Natur all ihre Vernunft beiseite gelassen, nur um dieses Ross zu schaffen, und ich sah ihm an, dass es das Pferd eines großen Fürsten war und nicht eines gewöhnlichen Mannes.“

– Brage bei der Wieden: Schaumburger Lesebuch[2][3]

Blütezeit

Unter der Regierung des Grafen Friedrich Christian kam es zu einer Blütezeit des Marstalles in Bückeburg. 1704 zählte das Inventarium 89 Hengste und 60 Stuten auf, im Jahr 1720 insgesamt 266 Pferde, die im Marstall und auf dem Gestüt Fasanenhof, nahe der Ortschaft Meinsen untergebracht waren.[4] Mit der Spanischen Hofreitschule in Wien stand der Graf in regem Austausch: Etliche Beschäler wurden nach Wien transportiert, wo sie auf der Reitschule ausgebildet wurden[4] und zum Teil in die Zucht einflossen.[5] Graf Albrecht Wolfgang veranlasste 1730 eine „Richtlinie für die Landspferdezucht“, von der er sich die Qualitätssicherung der „Bückeburger race“ versprach.[1]

Am 17. November 1764 traf Graf Wilhelm nach einem siegreichen Feldzug gegen Spanien wieder in Bückeburg ein. Unter etlichen wertvollen Geschenken, die er vom portugiesischen König für die Rettung der Unabhängigkeit Portugals bekam, befanden sich „mehrere der prächtigsten Pferde“.[6] Der Graf ließ außerdem „lauter Andalusier oder Barben [...] in Spanien und auf der Küste von Afrika ankaufen“.[7][8] Die Bestandsliste von 1777 listet neben Spaniern vor allem Berber auf. [1] Mitte des Jahres 1753 stellte Graf Wilhelm ein Karabinierkorps auf. Die wegen ihrer schwarzen Röcke so genannten „Schwarzen Reiter zu Bückeburg“ wurden ausschließlich mit schwarzen (und dunkelbraunen) Andalusiern beritten gemacht und zählten zu ihrer Blütezeit 180 Mann in Wehr und Waffen.[1]

Da Graf Wilhelm ohne Erben starb, übernahm sein Vetter Graf Philipp II. Ernst 1777 die Regierung der Grafschaft Schaumburg-Lippe. Er führte die Pferdehaltung seines Vorgängers weiter: „Alle Herrschaftlichen Stuten können nicht von einem Hengst, wie voriges Jahr, beleget werden, und es muß der noble Spanier Schimmel, welcher dieses Jahr zuerst beschelet, viel gebraucht werden, damit man wieder in der race komme.“[1] Am 7. September 1780 kam der 21-jährige Erbgraf Karl bei einem Reitunfall auf der Sommerreitbahn vor dem Marstall zu Tode und Philipp Ernst verblieb als einziger Agnat seines Hauses bis zu seinem Tod an der Regierung. [1]

Beginnender Niedergang

Ab 1787 veräußerte die Witwe Philipp Ernsts, Juliane von Hessen-Philippsthal, in mehreren Auktionen große Teile des Marstallbestandes (Pferde, Kutschen, Sättel und weiterem Inventar). Sie veranlasste 1997 bis 1799 den Umbau des Ballhauses zur Winterreitbahn, dem Reithaus.[1] 1799 verstarb die Fürstin mit 38 Jahren an einer Lungenentzündung,[9] woraufhin Reichsgraf Johann Ludwig von Wallmoden-Gimborn die zuvor gemeinsam geführte vormundschaftliche Regierung für den unmündigen Erben Georg Wilhelm alleine fortsetzte. Er war bemüht, den zur Hofhaltung notwendigen Pferdebestand wieder aufzubauen: „Dabey wurde gnädigst zu erkennen gegeben, daß man stets eine angemessene Anzahl Hengste fürs Landgestüt, zu Veredlung der inländischen Race unterhalten und diese [...] ankaufen solle.“ Die folgenden Ankäufe markieren einen Wendepunkt in der Zucht mit zunehmender Konzentration auf die englische Rasse.[1]

Fürst Georg Wilhelm machte Schaumburg-Lippe zu einem der reichsten kleinen Länder Deutschlands. Seine Geschäftstüchtigkeit und Sparsamkeit zeigte sich auch in einem strengen und gut strukturierten Gestütswesen. Mittels einer Anzeige in den Schaumburg-Lippischen Landesanzeigen am 10. März 1827 verkündete die Rentkammer zur Qualitätssicherung der „Bückeburger race“: „Es wird dieses hierdurch zur öffentlichen Kenntniß gebracht, und dabei bemerkt, daß zur Bezeichnung der edleren Race, den von Herrschaftlichen Hengsten gefallenen Füllen ein Brand, B. L. G. mit einer Fürstenkrone, auf die Lende gedruckt werden soll. Bückeburg den 28. Febr. 1827.“[1] Eine besondere Liebhaberei des Fürsten galt den so genannten Isabellen. Insgesamt erwarb Georg Wilhelm sieben Stuten für ein Kutschgespann und ein Fohlen am Marstall in Kassel.[1]

Fürst Adolf I. Georg war wie seine Vorgänger noch auf die Pferdehaltung zur Fortbewegung angewiesen.

In den monatlichen Rapports unter dem Fürsten Fürst Georg über den Bestand im Marstall und Gestüt von 1901 bis 1906 werden rund 50 Pferde, zum großen Teil Wagenpferde, genannt. 1911 sind neben einer Vielzahl irischer Pferde auch die Leibpferde der Prinzen aufgeführt: für den Erbprinzen Adolf das Pferd „Dollar“ aus Amerika, für den Prinzen Moritz das schottische Pferd „Piccolo“.[1]

Fürst Adolf II., der sich im Alter von siebzehn Jahren bei einem Reitunfall eine erhebliche Beinverletzung zuzog, war ein begeisterter Reiter und Pferdefreund und plante, auf Schloss Bückeburg einen Renn- und Zuchtstall einzurichten. Während des Ersten Weltkrieges wurde Ankauf und Training hochwertiger Rennpferde betrieben.[10] Trotz des hochwertigen Bestandes ging die Pferdezucht des Fürstlichen Marstalles ihrem Ende zu. Die zunehmende Motorisierung durch Auto und Bahn verdrängten Pferde und Kutschen.

Wiederbelebung

Fürst Philipp Ernst war in seiner Jugend selber Reiter und lebenslang begeisterter Pferdefreund. Während seiner Zeit als Hauschef keimte das Reiten in Deutschland als Breitensport auf und auch in Bückeburg wurde ein privater Reitverein gegründet, der bis 2003 die Marställe und das Reithaus für den Reitsport nutzte. Die Verhandlungen zum Umbau in ein lebendiges Pferdemuseum wurden Ende 2003 bereits mit Fürst Philipp Ernsts Nachfolger Alexander geführt.

Nach umfassender Renovierung wurden Marstall und Reithaus 2004 zu einem Pferdemuseum umgebaut, Schirmherr Alexander Fürst zu Schaumburg-Lippe gestattete den Betreibern (Familie Krischke), das Prädikat „Fürstlich“ zu verwenden und damit an die rund 400-jährige Tradition des „hiesigen herrschaftlichen Marstalles“ anzuknüpfen. Am 7. Mai 2004 wurde die Fürstliche Hofreitschule eröffnet und in den folgenden Jahren zunehmend erweitert.[11] Die Fürstliche Hofreitschule Bückeburg ist eine der fünf Einrichtungen Europas, die den Namen „Hofreitschule“ tragen. Sie ist ein Pferdemuseum mit rund 1000 Exponaten aus der Reiterei verschiedener Kulturen und Epochen und mit lebendigen Pferden von acht barocken Reitkunstpferderassen (Berber, Andalusier, Lusitano, Murgese, Frederiksborger, Lipizzaner, Genette, Knabstrupper) die von den Hofbereitern in regelmäßigen Vorführungen in barocker Reitkunst präsentiert werden. Außerdem schulen die Hofbereiter Pferde und Reiter in barocker Reitkunst.[11] Der Bereiterstab ist sowohl männlich als auch weiblich und legt Wert auf eine zwanglose Ausbildung der Pferde. Die Fürstliche Hofreitschule hat rund 50.000 Besucher im Jahr und finanziert sich über Eintrittsgelder, Förderereinsbeiträge und Spenden und ist unabhängig von Fördermitteln der Stadt, des Landes oder der EU.

2011 umfassten die besucheroffenen Anteile der Hofreitschule zwei Marstalltrakte mit insgesamt 18 Pferdeboxen, die von den Schulhengsten bewohnt werden sowie eine begehbare Sattelkammer, den weiteren Marstalltrakt mit dem Pferdemuseum und das Foyer mit der Marstallboutique (Souvenirshop, Ticketverkauf). Das beheizbare Reithaus verfügt über eine Sitztribühne für 180 Zuschauer, drei Logen für insgesamt 15 Gäste sowie sanitäre Anlagen. Im Schlosspark befinden sich umzäunte Pferdekoppeln und Ausläufe mit einer Fläche von 6,5 Hektar.[11]

Literatur

  • Oliver Glißmann: Reitkunst und Pferdezucht am Bückeburger Hof. In: Schaumburg-Lippischer Heimatverein e. V. (Hrsg.): Schaumburg-Lippische Mitteilungen. Selbstverlag, Bückeburg 2007, ISSN 0722-8740 (Online).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i j k Oliver Glissmann: Aus hiesigem herrschaftlichen Marstalle. 2005.
  2. John Taylor: In der Residenz des Fürsten Ernst. In: Brage Bei der Wieden (Hrsg.): Schaumburger Lesebuch. Stadthagen 1989, ISBN 3-89109-024-2, S. 55–58.
  3. John Taylor: Three Weekes, three daies, and three houres. Observations And Travel, From London to Hambvrgh in Germanie: Amongst Jews and Gentiles, with Descriptions of Townes and Towers, Castles and Cittadels, artificiall Gallowfes, Naturall Hangmen: And Dedicated for the present, to the absent Odcombian Knight Errant, St. Thomas Coriat. Great Brittaines Error, and the worlds Mirror. London 1617. In: The Old Book Collector’s Miscellany; Or, A Collection Of Readable Reprints Of Literary Rarities, Illustrative Of The History, Literature, Manners And Biography Of The English Nation During The Sixteenth and Seventeenth Centuries. Edited by Charles Hindley. Vol. I., London 1871.
  4. a b Friedrich-Wilhelm Schaer: Graf Friedrich Christian zu Schaumburg-Lippe. Als Mensch und als Repräsentant des kleinstaatlichen Absolutismus um 1700. In: Franz Engel (Hrsg.): Schaumburger Studien. Bückeburg 1966.
  5. Tina Dutzler: Die Entwicklung der Lipizzanerzucht früher und heute im Vergleich unter besonderer Berücksichtigung des Exterieurs. Bakkalaureatsarbeit zur Erlangung der Würde Baccalaurea rerum naturalium der Veterinärmedizinischen Universität Wien. 2009.
  6. Erich Hübinger: Graf Wilhelm zu Schaumburg-Lippe und seine Wehr. Die Wurzeln der allgemeinen Wehrpflicht in Deutschland. Borna/Leipzig 1937.
  7. G. W. von Düring: Geschichte des Schaumburg-Lippe-Bückeburgischen Karabinier- und Jäger-Korps. Berlin/Posen/Bromberg 1828 (Neudruck Starnberg 1986).
  8. Justus Friedrich Froriep: Zur Erinnerung an den Herrn Oberstlieutenant Johann Casimir von Monkewitz ehemaligen Befehlshaber des Bückeburgischen Carabiniers und Jäger Corps. Bückeburg 1789.
  9. Heinke Ehlers; Schaumburger Landschaft (Hrsg.): Fürstin Juliane zu Schaumburg-Lippe (1761–1799). Geschichte Schaumburger Frauen. Kulturlandschaft Schaumburg. 6. Band, Bielefeld 2000, S. 156–163.
  10. Helga Wieding: Geplante und verwirklichte Projekte des Fürsten Adolf zu Schaumburg-Lippe während seiner Regierungszeit 1911–1918. In: Helge Bei der Wieden (Hrsg.): Schaumburg-Lippische Mitteilungen. Bückeburg 1974, S. 97–120.
  11. a b c Die Fürstliche Hofreitschule. In: Hofreitschule.de. Abgerufen am 23. Mai 2011.

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