- Geschäftsordnung des Österreichischen Nationalrates
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Basisdaten Titel: Geschäftsordnungsgesetz 1975 Langtitel: Bundesgesetz vom 4. Juli 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates Abkürzung: GOG-NR Typ: Bundesgesetz Geltungsbereich: Republik Österreich Rechtsmaterie: materielles Verfassungsrecht Fundstelle: BGBl. Nr. 410/1975 Datum des Gesetzes: 4. Juli 1975 Inkrafttretensdatum: 1. Oktober 1975 Letzte Änderung: BGBl. I Nr. 31/2009 (1. April 2009) Bitte beachten Sie den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung! Die Geschäftsordnung des österreichischen Nationalrates (GOGNR) ist ein Bundesgesetz, das das Verfahren im Nationalrat und dessen Ausschüssen, die Rechte und Pflichten der Abgeordneten und der Organe sowie die organisatorischen Abläufe des Nationalrats regelt.
Inhaltsverzeichnis
Gesetz mit besonderen Beschlusserfordernissen
Die Geschäftsordnung ist nicht auf eine Legislaturperiode beschränkt, sondern gilt als Bundesgesetz bis zu ihrer ausdrücklichen Änderung. Dafür gelten strengere Kriterien als für gewöhnliche Gesetze: Die Beschlussfassung erfordert, wie bei Verfassungsgesetzen, eine Zweidrittelmehrheit bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Abgeordneten. Außerdem ist eine erste Lesung Pflicht. Die Beschlussfassung in dritter Lesung darf erst vierundzwanzig Stunden nach Abschluss der zweiten Lesung erfolgen (§ 108 GOGNR). Bei Änderungen der Geschäftsordnung hat der Bundesrat gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG kein Mitwirkungsrecht.
Inhalt
Die Geschäftsordnung legt im Detail fest, wie der Nationalrat in Ausführung der ihn betreffenden Bestimmungen des Bundes-Verfassungsgesetzes, des Kerns der Bundesverfassung, seine Tätigkeit formal zu gestalten hat. Der Nationalrat wirkt am Gesetzgebungsverfahren des Bundes als Hauptverantwortlicher mit; der Bundesrat als zweite Kammer des Parlaments hat eingeschränkte Rechte.
Der Nationalratspräsident fungiert abwechselnd mit dem Zweiten und dem Dritten Präsidenten als Leiter der Plenarsitzungen und quasi als „Hausherr“ des Parlamentsgebäudes in Wien. Die drei Präsidenten, die gemeinsam das Nationalratspräsidium bilden, werden vom Plenum des Hauses gewählt. Ihre Abwahl ist nicht vorgesehen; ihre Funktion endet (ebenso wie im Hauptausschuss bzw. im Ständigen Unterausschuss des Hauptausschusses) mit der Wahl ihrer Nachfolger in der folgenden Gesetzgebungsperiode (§ 6 Abs. 1 GOGNR). Es ist Konvention, dass die stärkste Fraktion den Präsidenten vorschlägt und der Vorgeschlagene gewählt wird, auch wenn er keiner Regierungspartei angehört. Die Präsidenten werden von mindestens drei zu Ordnern und fünf zu Schriftführern gewählten Abgeordneten und von der Parlamentsdirektion (u. a. Stenografendienst) unterstützt. Den Abgeordneten steht auch die umfassende Parlamentsbibliothek zur Verfügung. Eigene Dienste für Fachrecherchen im Auftrag von Abgeordneten besitzt der Nationalrat im Gegensatz zum deutschen Bundestag nicht.
Das Nationalratspräsidium trägt in Zusammenarbeit mit der Parlamentsdirektion für die Räumlichkeiten Sorge, in denen die Fraktionen bzw. Abgeordnetenklubs ihre Arbeit durchführen und Abgeordnete Büros zur Verfügung haben. Da im Parlamentsgebäude zu wenig Platz dafür vorhanden ist, wurde das benachbarte Palais Epstein vom Parlament adaptiert.
In der ersten Sitzung der Gesetzgebungsperiode führt der bisherige Nationalratspräsident bis zur Neuwahl des Präsidenten den Vorsitz (§ 3 Abs. 2 GOGNR). Abgeordnete haben ihre ordnungsgemäße Wahl der Parlamentsdirektion durch den von der Hauptwahlbehörde im Bundesministerium für Inneres ausgestellten Wahlschein nachzuweisen, bevor sie eine Abgeordnetenlegitimation erhalten und im Plenum angelobt werden. Derzeit ist die erste Kammer des Parlaments auf Grund der Nationalratswahl 2008 zusammengesetzt.
Der Nationalrat wählt den Hauptausschuss und andere ständige und temporär tätige Ausschüsse zur Vorberatung von Gesetzesinitiativen und zur Untersuchung von Missständen in der Bundesverwaltung (siehe unten). Alle Wahlen erfolgen per Mehrheitsbeschluss, doch ist es Konvention, jeweils auch Vertreter der Opposition in das Nationalratspräsidium und in Ausschüsse zu wählen.
Die Verhandlungen im Plenum des Nationalrates werden in den Stenografischen Protokollen des Nationalrates gedruckt wiedergegeben. Sie werden für die Vorläufer des Nationalrats und für die Erste Republik bis 1934 von der Nationalbibliothek auf ihrer historische Rechts- und Gesetzestexte anbietenden Website ALEX, Abschnitt Parlamentaria, elektronisch zur Verfügung gestellt, Protokolle 1920–1934 und seit 1945 auf der Website des Parlaments.
Weitergeltung von Verhandlungsgegenständen
Dass sämtliche noch nicht erledigte Agenden des Nationalrats mit seiner Auflösung gegenstandslos wurden, wurde seit langem als Missstand empfunden. So wurde etwa das von 29. Juli bis 5. August 2002 zur Unterzeichnung aufgelegte „Volksbegehren gegen Abfangjäger” trotz 624.807 Unterzeichnern [1] (die Hürde sind 100.000 Unterschriften) vom Nationalrat nicht mehr behandelt[2], da es wegen der am 24. November 2002 abgehaltenen Nationalratswahl verfiel.
Seit 1. April 2009 ist die Rechtslage geändert. Im Nationalrat anhängige Verhandlungsgegenstände (Anträge) verfallen weiterhin mit Ende der Legislaturperiode; Volksbegehren, Bürgerinitiativen, Berichte des Rechnungshofes und Bundesrechnungsabschlüsse sowie Berichte der Volksanwaltschaft sind davon nun aber ausgenommen (§ 21 Abs. 1a GOGNR).
Untersuchungsausschüsse
Der Nationalrat kann gemäß § 33 Geschäftsordnungsgesetz mit Beschluss einen Untersuchungsausschuss einsetzen, wenn er Sachverhalte, deren Aufklärung im öffentlichen Interesse liegt, untersuchen lassen möchte. Da sich die Bundesregierung, von wenigen Sonderfällen abgesehen, auf eine Mehrheit im Nationalrat stützen kann, die der Opposition keine „Bühne“ für Regierungskritik zur Verfügung stellen will, kommt die politische Überprüfung von Vorfällen, für die man die Regierung verantwortlich machen kann, oft nicht zu Stande.
Im deutschen Bundestag und in den deutschen Landesparlamenten[3], aber auch z.B. im Salzburger Landtag wurde die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Minderheitsrecht gemacht: Ein solcher Ausschuss muss auch konstituiert werden, wenn nur eine qualifizierte Minderheit der Abgeordneten dafür gestimmt hat. Im Nationalrat wird derzeit diskutiert, die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen als Minderheitsrecht vorzusehen. Die beiden derzeitigen Regierungsfraktionen haben dies grundsätzlich bereits zugesagt, allerdings Verfahrensregeln gefordert, die Missbrauch von Untersuchungsausschüssen durch die Opposition verhindern helfen[4].
Historische Bedeutung der Geschäftsordnung
Am 4. März 1933 traten während einer Nationalratssitzung alle drei Präsidenten zurück. Die Geschäftsordnung sah damals keine Regeln für diesen Fall vor; die Abgeordneten gingen auseinander, ohne dass die Sitzung formal beendet worden wäre. Die Bundesregierung Dollfuß nützte diesen Vorfall dazu, von der Selbstausschaltung des Parlaments zu sprechen und die Fortsetzung der Sitzung am 15. März zu verhindern. Bis 1938 wurde nun autoritär, dann bis 1945 nationalsozialistisch ohne Parlament regiert. Der seit 20. Dezember 1945 wieder bestehende Nationalrat nahm erst 1975 die Gelegenheit war, die Lehre aus dem Vorgang zu ziehen und in § 6 Abs. 2–4 GOGNR für den Fall des Rücktritts aller drei Präsidenten den ältesten in Wien anwesenden Abgeordneten dazu zu verpflichten, ohne Aufforderung von sich aus tätig zu werden, den Nationalrat einzuberufen und Präsidentenwahlen vorzunehmen.
Siehe auch
- Gesetzgebungsverfahren (Österreich)
- Bundesverfassung (Österreich)
- Bundes-Verfassungsgesetz
- Nationalratspräsident (Österreich)
Weblinks
- Geschäftsordnung des Österreichischen Nationalrates auf dessen Webseite
- Geschäftsordnung des Österreichischen Nationalrates im RIS
Einzelnachweise
Kategorie:- Rechtsquelle (Österreich)
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