Geschichte des Sports

Geschichte des Sports

Der Begriff Sport entstand im 18. Jahrhundert und bezeichnete ursprüngliche die spezifische Form der Leibesübungen im damaligen England. Im 20. Jahrhundert wurde der Begriff vermehrt für jegliche Bewegungs- und Wettkampfformen verwendet. So werden heute auch Formen der Leibesübungen, die vor dem 18. Jahrhundert entstanden sind, rückwirkend als "Sportarten" bezeichnet, obwohl der damalige Zeitgenosse einen anderen Begriff dafür verwendete (z.B. Gymnastik, Leibesertüchtigung).

Inhaltsverzeichnis

Die Entstehung und Ausbreitung des Sports im 18. und 19. Jahrhundert

Sport wurde im 18. und 19. Jahrhundert als Begriff für eine spezifische Form der Leibesübungen verwendet, welche von England her nach Europa kam. Der Sport in seiner Urform zeichnete sich durch das Leistungs-, Konkurrenz- und Rekordprinzip aus.[1] Dadurch grenzte er sich deutlich vom damals existierenden völkisch-national orientierten Turnen und anderen Formen der Leibesübungen wie der Schwedischen Gymnastik ab, da ihnen die übergreifende Reglementierung und die Leistungsmessung fremd waren.

Der Begriff Sport entlehnt sich dem spätlateinischen Wort disportare, was so viel heißt, wie sich zerstreuen. Das Wort fand über die französische Sprache ("se de(s) porter") den Weg ins Englische ("to disport") und ins Deutsche.[2] Der Sport hatte somit ursprünglich im Gegensatz zum Turnwesen keiner politischen Erziehung zu dienen, sondern war eine reine Freizeitgestaltung. In der Anfangszeit konnte sich der Sport insbesondere in den Public Schools und in den im 17. Jahrhundert entstandenen Clubs institutionalisieren. Dadurch war das Sporttreiben von einer Exklusivität geprägt und einer elitären Bürger- und Adelsschicht vorbehalten. Anfang des 20. Jahrhunderts wies der österreichische Sportschriftsteller Michelangelo von Zois darauf hin, dass man bis in die 1870er Jahre hinein, anders als in England, auf dem europäischen Kontinent unter Sport lediglich Pferderennen, die Jagd und Rudern verstanden habe:

„[...] Männer, die von England kamen, wußten den staunenden Freunden zu erzählen, dass die Leute über dem Kanal, so vernünftig sie sonst auch seien, doch recht kindlichen Vergnügungen huldigen. So unterhalten sich junge Leute, einen Lederball auf einer Wiese herumzustoßen, andere wieder schlügen mit einer Art Praker [Teppichklopfer] den Ball über ein Netz u.s.w., und dieser Wahnsinn locke Zuschauer in jeder Menge herbei. Darunter gäbe es Leute in Amt und Würden - die es manchmal sogar nicht verschmähen, selbst mitzutun.“

Michelangelo von Zois: Das Training des Rennfahrers, Berlin ca. 1908, S. 7

In der Literatur wurde immer wieder auf den engen Zusammenhang zwischen der Industrialisierung und dem Sportwesen hingewiesen. So haben beide in England ihren Ausgang genommen, verliefen in ihrer Verbreitung mehr oder weniger parallel und der Sport orientierte sich mit seinem Rekord-, Leistungs- und Konkurrenzprinzip an den gleichen Werten wie die Arbeitswelt. Zudem gab es in der Industrie wie auch im Sport eine Entwicklung zur Rationalisierung, Spezialisierung und Technisierung hin. Auch die marxistische Geschichtsforschung betont diesen engen Zusammenhang, wobei sie die exklusiven Sportclubs als Herrschaftssymbol und den Arbeiter- bzw. den Proletariersport als Disziplinierungsmassnahme der Bourgeoisie erachtete.[3]

Wie für die Industrielle Revolution bedurfte es auch für die Etablierung des Sports einer kulturellen Veränderung. So förderte die im Calvinismus und Puritanismus propagierte Heilserwartung den wirtschaftlichen Leistungsgedanken, den Kapitalismus und die Etablierung des Sportwesens.[4] Zudem sorgte die Wettleidenschaft der Engländer für eine Zunahme von sportlichen Wettkämpfen, indem adelige Herren für solche Anlässe das Patronat übernahmen (patronized Sport).

Mit zunehmender Freizeit der Arbeiter gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Sport vermehrt zur Freizeitbeschäftigung einer breiten Bevölkerungsschicht. Insbesondere die Arbeitgeber waren an einer Disziplinierung ihrer Arbeiter interessiert, weshalb sie oftmals Werkssportvereine gründeten.[5]

Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurden verschiedene Sportarten reglementiert, und ein internationaler Wettkampfbetrieb mit Weltmeisterschaften entstand. 1896 wurden die ersten Olympischen Spielen der Neuzeit abgehalten. Dabei wurden neue Erfindungen wie das Fahrrad und das Automobil von Pionieren „versportet“, und neue Sportspiele wie Basket- (1891), Hand- (1892) und Volleyball (1895) erfunden.[6] Selbst traditionelle Bewegungstätigkeiten wie Schwimmen und Bergsteigen gelangten in den Popularitätssog des Sports, der nun über England hinaus auf die Welt griff. Dies führte auch zu verstärkten Spannungen zwischen den Turnern und Sportlern, die bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts andauerten. Die Sportclubs stiegen auf dem Kontinent zum größten Konkurrenten der Turner auf.[7]

Mit der zunehmenden Popularität verlor der Sport in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts jedoch auch seine politische Indifferenz. Die industrielle Gesellschaft war geprägt von sozialem Elend und der damit verbundenen Gefahr von physischen und psychischen Erkrankungen. Im Zuge der durch Charles Darwin begründeten Evolutionstheorie entstanden der Sozialdarwinismus und die damit zusammenhängende Angst vor einer Degeneration des „Volkskörpers“. In der Folge wurden etliche Forschungskreise zur „Volks- und Rassenhygiene“ gegründet (siehe Eugenik), welche die Körperertüchtigung unter dem Leitspruch „mens sana in corpore sano“ als Vorbeugemassnahme gegen den Niedergang des Genmaterials des Volkes propagierten.[8]

Die Verbreitung des Sports im 20. Jahrhundert

Mit der Erfindung des Radios und der zunehmenden Kommerzialisierung (Entstehung von Profisport) erfreute sich der Sport in den Medien einer immer größeren Beliebtheit, so dass er auch im Schul-„Turnen“ Einzug hielt. Nicht zuletzt auch, weil Politiker begannen, den Beitrag des Sportes zur Wehrertüchtigung als gleichwertig zum Turnen zu betrachten.

In der Zeit des Nationalsozialismus' wurde der Sport für „rassenhygienische“ und staatspolitische Zwecke missbraucht (vgl. dazu die Propagandafilme von Leni Riefenstahl anlässlich der Olympischen Spiele von 1936 in Berlin).

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Sport und sportliche Erfolge im Rahmen des Kalten Krieges (1945-1989) insbesondere für die Staaten des „Ostblocks“ zum Gradmesser des „überlegeneren“ Systems: (Kommunismus vs Kapitalismus). So war die Deutsche Demokratische Republik (DDR) trotz ihrer Größe die drittbeste Sportnation der Welt, doch organisierte die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) auch eine Abgabe von Steroiden (siehe Doping).[9]

Die Nachkriegszeit in der Bundesrepublik Deutschland war auch von kürzerer Arbeitszeit, einer Zunahme des Konsums und einem Wertewandel (Individualisierung) geprägt. Dadurch weichten die Grenzen zwischen den sozialen Schichten (d.h. zwischen Arbeiter und Bürgerlichen) auf (siehe Sozialstruktur), weshalb auch die ehemaligen ideologischen Gräben zwischen den bürgerlichen Turnern, den Sportlern und den Arbeitersportlern verschwanden.[10]

Zudem entstand besonders seit dem 1990er Jahren ein kommerzialisierter Freizeit- und Sportmarkt, in dem sich die traditionellen Turn- und Sportvereinen mit neuen und zum teils identischen Angeboten zurechtfinden mussten, was zu einem Identitätsproblem der Vereine geführt hat. Die Kommerzialisierung von Trendsportarten durch Sportartikelhersteller und Sponsoren (Bsp. BeachsoccerPuma und GE Money) führte zusätzlich zu einem teilweisen Ersatz des lebenslangen Vereinsmitgliedes durch den „Vereinshopper“ (d.h. Personen, die häufig die Vereine wechseln) und den Individualsportler aus dem Fitnesscenter oder auf der Straße.[11]

Ein weiteres Phänomen ist die gestiegene Fangewalt, welche zwar schon immer im Sport vorhanden war, jedoch erst mit dem Aufkommen des „Hooliganismus“ zu einem Problem für die Sportvereine und die Politik wurde.[12]

Die Einteilung des Sports nach Markus Lamprecht und Hanspeter Stamm, 2002. Quelle:[1], Stand 30. Januar 2010

Durch den Konsum und Wertewandel wurde nicht nur das Turnen zu einer Sportart unter vielen, sondern es entstand eine Vielzahl von Sportarten und -formen, so dass heute fast jeder Mensch einen Bezug zum Sport hat. Pädagogen und Soziologen sprechen deshalb davon, dass die „Versportung“ der Gesellschaft auf den Sport rückwirkt, der dadurch selber „entsportet“ wird. Wo Sport heute beginnt (Krankengymnastik?, Boccia?, Inlineskating?) oder aufhört (Saunieren?) ist nicht mehr festzumachen.[13] Markus Lamprecht und Hanspeter Stamm schlagen deshalb vor, dass das ehemalige „Pyramidenmodell“ des Sports, das noch zwischen Breiten- und Spitzensport unterschied und die Vereine als Institutionen benötigte, durch ein differenzierteres Modell ersetzt wird (Medien-, Leistungs-, Alternativ- und Freizeitsport sowie der instrumentelle Sport).

Einzelnachweise

  1. Bohus, Sportgeschichte, S. 126.
  2. Pieth Sport in der Schweiz, S. 80
  3. Guttmann, Vom Ritual zum Rekord, 1979, vgl. Koller, „Der Sport als Selbstzweck ist eines der traurigsten Kapitel der bürgerlichen Sportgeschichte. Wandel und Konstanten im Selbstverständnis des schweizerischen Arbeitersports (1922-1940)“
  4. vgl. Cohen, Protestantism and capitalism.
  5. Koller, „Von den englischen Eliteschulen zum globalen Volkssport: Entstehung und Verbreitung des Fussballs bis zum Ersten Weltkrieg“, S. 19f.
  6. Bohus, Sportgeschichte, S. 130.
  7. Stefan Kern: Turnen für das Vaterland und die Gesundheit, S. 41-50.
  8. Kern, Turnen für das Vaterland und die Gesundheit.
  9. Leis, Sport.
  10. Kaelble, Sozialgeschichte Europas.
  11. Lamprecht, Sport zwischen Kultur, Kult und Kommerz.
  12. Elias/Dunning, Sport im Zivilisationsprozess.
  13. Dietrich/Heinemann(Hg.), Der nicht-sportliche Sport. Beiträge zum Wandel im Sport;Lamprecht, Sport zwischen Kultur, Kult und Kommerz.

Literatur

  • Julius Bohus: Sportgeschichte. Gesellschaft und Sport von Mykene bis heute. München 1986. ISBN 978-3405131364
  • Jere Cohen: Protestantism and capitalism. The mechanisms of influence. New York 2002. ISBN 0-202-30672-0
  • Carl Diem: Weltgeschichte des Sports. Stuttgart 1960
  • Knut Dietrich/Klaus Heinemann (Hg.): Der nicht-sportliche Sport. Beiträge zum Wandel im Sport. Schorndorf 1989. ISBN 978-3778068519
  • Norbert Elias/Eric Dunning: Sport im Zivilisationsprozess. Studien zur Figurationssoziologie. Münster 1984. ISBN 978-3886601004
  • Allen Guttmann: Vom Ritual zum Rekord. Das Wesen des modernen Sports. Schorndorf 1979. ISBN 978-3778066317
  • Hartmut Kaelble: Sozialgeschichte Europas. 1945 Bis zur Gegenwart. München 2007. ISBN 978-3406549847
  • Stefan Kern: Turnen für das Vaterland und die Gesundheit. Der Eidgenössische Turnverein und seine Ansichten vom Schulturnen, dem freiwilligen Vorunterricht und dem Vereinsturnen 1900-1930. München 2009. ISBN 978-3-640-46240-7
  • Christian Koller: „Der Sport als Selbstzweck ist eines der traurigsten Kapitel der bürgerlichen Sportgeschichte. Wandel und Konstanten im Selbstverständnis des schweizerischen Arbeitersports (1922-1940)“, in: Hans-Jörg Gilomen: Freizeit und Vergnügen vom 14. bis zum 20. Jahrhundert. Zürich 2005, S. 287-301. ISBN 978-3034007306
  • Christian Koller: „Von den englischen Eliteschulen zum globalen Volkssport: Entstehung und Verbreitung des Fussballs bis zum Ersten Weltkrieg“, in: Beatrix Bouvier: (Hg.), Zur Sozial- und Kulturgeschichte des Fussballs. Trier 2006, S. 14-36.
  • Markus Lamprecht: Sport zwischen Kultur, Kult und Kommerz. Zürich 2002. ISBN 978-3908239802
  • Mario Leis: Sport. Eine kleine Geschichte. Leipzig 2003. ISBN 978-3379200653
  • Fritz Pieth: Sport in der Schweiz. Sein Weg in die Gegenwart. Olten 1979. 978-3530650402

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