Schlesische Gnadenkirchen

Schlesische Gnadenkirchen
Gnadenkirche in Militsch
Emporen der Landeshuter Gnadenkirche
Gnadenkirche in Hirschberg

Als Gnadenkirche werden sechs evangelische Kirchen in Schlesien bezeichnet, die nach der Altranstädter Konvention von 1707 durch die Gnade Kaiser Josephs I., in den von ihm als (katholischem) Landesherrn regierten schlesischen Landesteilen errichtet werden durften.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Im 17. Jahrhundert wurden die meisten schlesischen Herzogtümer nicht mehr von (Piasten-)herzögen regiert, sondern waren als Schlesische Erblande an die Habsburger gefallen. Nach dem Westfälischen Frieden wurden in den unmittelbar Habsburg unterstehenden Gebieten alle Gotteshäuser, die vor 1618 römisch-katholisch gewesen und danach protestantisch geworden waren, dem katholischen Klerus zurückgegeben. Den Protestanten, die in diesen Gebieten die Mehrheit stellten, wurden drei sog. Friedenskirchen zugestanden, die in den Städten Glogau, Jauer und Schweidnitz errichtet wurden. Da diese für ein so großes Gebiet mit einer protestantischen Bevölkerungsmehrheit nicht ausreichten, entstanden an den Grenzen des eigenständigen Herzogtum Liegnitz sog. Grenzkirchen für die evangelische Bevölkerung außerhalb des Herzogtums. Als 1675 mit Liegnitz der letzte schlesische Teilstaat als erledigtes Lehen an Habsburg gefallen war, blieben für die schlesischen Protestanten nur noch das Königreich Polen, wo Religionsfreiheit herrschte, das protestantische Brandenburg und Sachsen.

Nach dem Sieg König Karls XII. von Schweden, der als Garant der Religionsfreiheit in Deutschland galt, im Nordischen Krieg erzwang dieser in der Altranstädter Konvention von 1707 nicht nur die Rückgabe von 121 Kirchen in den früher von protestantischen Fürsten regierten Teilstaaten Liegnitz, Oels und Münsterberg, sondern auch die Genehmigung des Kaisers Joseph I. zum Bau von sechs neuen evangelischen Kirchen in Schlesien. Nach der Bewilligung des Kaisers wurden die zu bebauenden Grundstücke mit Gnadenstäben abgeschritten, die mit dem kaiserlichen Adler und im Falle Teschens dem Bildnis des Kaisers geziert waren und später als „Zeichen kaiserlicher Gnade“ in den Kirchen aufgestellt wurden.[1]

Die neuen Gnadenkirchen entstanden in den Städten Freystadt, Hirschberg, Landeshut, Militsch, Sagan und Teschen in den Jahren 1709 bis um 1714. Vier von ihnen waren Fachwerkbauten, wie die Friedenskirchen, durften aber im Gegensatz zu diesen mit einem Glockenturm versehen werden. Die Konvention ermöglichte es nun auch, den Friedenskirchen (freistehende) Türme anzufügen. Die Gnadenkirchen in Hirschberg und Landeshut waren getreue Kopien der Stockholmer Katharinenkirche, was auch die Dankbarkeit der Bevölkerung gegenüber dem schwedischen König ausdrücken sollte.

Vier Gnadenkirchen (Hirschberg, Landeshut, Militsch und Teschen) überstanden den Zweiten Weltkrieg und die tiefgreifenden ethnischen und konfessionellen Umwälzungen in dem an Polen gefallenen Schlesien. Bis auf die Jesuskirche in Teschen wurden alle Gnadenkirchen der katholischen Kirche in Polen übertragen. Die Gnadenkirchen in Freystadt und Sagan wurden bis auf ihre im 19. Jahrhundert errichteten Türme nach dem Zweiten Weltkrieg abgerissen.

Im Neubaugebiet von Stuttgart-Heumaden wurde die 1964 eingeweihte moderne Kirche nach den historischen Vorbildern Gnadenkirche benannt, ebenso die Gnadenkirche zum Heiligen Kreuz (Hannover).

Bauten

Gnadenkirche Hirschberg / Jelenia Góra

Die Gnadenkirche „Zum Kreuz Christi“ (Kościół Św. Krzyża) – eine Synthese zwischen protestantischem Klassizismus und römisch-katholisch geprägtem Barock. Das Gebäude wurde 1709 nach dem Vorbild der Stockholmer Katharinenkirche vom Baumeister Martin Frantz aus Reval (Tallinn) in Stein erbaut und hat die Form eines griechischen Kreuzes. Im Zentrum befindet sich eine Kuppel, die von vier Türmen umgeben ist. In der Kirche können 4 000 Gläubige Platz finden.

Gnadenkirche Landeshut / Kamienna Gora

Die evangelische Gnadenkirche „Zur Heiligen Dreifaltigkeit“ wurde in den Jahren 1709-1720 in Landeshut, am Fuße des Rabengebirges (Gory Krucze), erbaut. Diese Kirche wurde ebenfalls nach dem Vorbild der Stockholmer Katharinenkirche vom Baumeister Martin Frantz aus Reval (Tallinn) in Stein ausgeführt. Im Jahre 1724 baute man in die Kirche eine Orgel ein, ein Jahr später stellte man den Altar auf und 1766 brachte man am Kirchturm die Uhr an. Das Gotteshaus wurde von Kriegshandlungen nicht betroffen. Jedoch wurden nach dem 2. Weltkrieg aus der unbenutzten Kirche wichtige Teile der Ausstattung entnommen: der Altar, das Taufbecken, die Orgel, die Kanzel, die Kronleuchter und die Glocken. Jetzt wird die Kirche als katholische Pfarrkirche benutzt, neben der Kirche hat man einen neuen Stahlglockenturm mit drei Glocken errichtet. Im Innern des Gotteshauses entstanden polychrome Ausmalungen von Jan Molga und Paul Mitka. Die Gemälde stellen die Rosenkranz-Gottesmutter dar und verschiedene historische Persönlichkeiten Polens, die ihr huldigen.

Gnadenkirche Teschen / Cieszyn

Die Teschener Gnadenkirche – die Jesuskirche – ist die größte der sechs schlesischen Gnadenkirchen und die einzige in Oberschlesien, der Bau der Gnadenkirche erfolgte von 1709 bis 1730 in Stein, bis 1751 wurde sie mit einem 72 m hohen Turm ausgestattet. Sie besitzt 8.000 Plätzen und war damals für 40.000 evangelische Gemeindemitglieder in Österreichisch-Schlesien und im Fürstentum Teschen zuständig. Ihre Ausstrahlung reichte bis in die Gegend von Troppau und die Standesherrschaft Pless. Heute ist sie die Mutterkirche der Evangelischen Christen in Polen, sie wird als einzige auch noch nach 300 Jahren als evangelische Kirche genutzt.

Gnadenkirche Militsch / Milicz

Evangelische Gnadenkirche zum Heiligen Kreuz, 1709–1714 errichtet, Fachwerkbau, mit Barock- und Rokoko-Ausstattung und drei Emporen; jetzt katholische Pfarrkirche zum Heiligen Andreas Bobola (1981 restauriert).

Gnadenkirche Freystadt / Kożuchów

Evangelische Gnadenkirche „Zum Weinberge Jesu“, 1709 errichtet auf dem Gelände eines Weinberges außerhalb der Stadt (daher ihr Name „Zum Weinberge Jesu“), Einweihung ist nicht bekannt. In den Jahren 1857-1859 wurde das Fachwerk durch massives Steinwerk ersetzt, der Turm war 1826/1827 gebaut worden. Die Kirche verfiel nach 1945, ihr Hochaltar, Kanzel und Orgelprospekt wurde in die Jesuitenkirche nach Glogau überführt, danach wurde die Kirche bis auf den Turm abgetragen.

Gnadenkirche Sagan / Żagań

Die Gnadenkirche Sagan wurde von 1709-1710 erbaut und als Dreifaltigkeitskirche 1710 geweiht. 1753 Umbau der Kirche und Erhöhung des Kirchturms, Renovierungen der ursprünglichen Fachwerkkirche erfolgten 1809 und von 1844-1846 wurde die Kirche in Stein ausgeführt, dabei wurde ein 70 m hoher neugotischer Turm angebaut. 1873 Restauration der Kirche, 1952 Enteignung der Gemeinde, 1965 Beschluss über den Abriss der Kirche. 1991 erneute Einweihung der Fürstenkapelle sowie Beerdigung der Saganer Fürsten von Biron, 1999-2004 Renovierung des Turmes, 2004 Wiedereröffnung des Turmes als Aussichtsturm.

Literatur

  • Gleisberg, Fritz: Die Gnadenkirche zum Heiligen Kreuz vor Militsch, 1971
  • Andrea Langer, Die Gnadenkirche "zum Kreuz Christi" in Hirschberg, Stuttgart 2003
  • Brügmann, Martin: Die Gnadenkirche zur Heiligen Dreifaltigkeit vor Landeshut in Schlesien, Düsseldorf, 1969
  • Reiner Sörries: Von Kaisers Gnaden – Protestantische Kirchenbauten im Habsburger Reich, 2008, Böhlau
  • Traud Gravenhorst: Schlesien. Breslau 1937
  • Klaus Ullmann: Schlesien-Lexikon. Würzburg 1992

Weblinks

Fußnoten

  1. Vgl. Andrea Langer; S. 22

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