Liemba (Schiff)

Liemba (Schiff)
Liemba
Die Liemba am Anleger in Kigoma

Die Liemba am Anleger in Kigoma

p1
Schiffsdaten
Flagge Deutsches ReichDeutsches Reich (Reichskriegsflagge) Deutsches Reich
Vereinigtes KönigreichVereinigtes Königreich (Handelsflagge) Vereinigtes Königreich
TanganjikaTanganjika Tanganjika
TansaniaTansania Tansania
andere Schiffsnamen
  • SMS Graf Goetzen
Schiffstyp Motorschiff (früher Dampfschiff)
Heimathafen Mwanza
Eigner Marine Services Company Ltd., Mwanza
Bauwerft Meyer-Werft
Baunummer 300
Baukosten 750.000 Goldmark
Stapellauf 5. Februar 1915
Verbleib in Fahrt
Schiffsmaße und Besatzung
Länge
67,00 m (Lüa)
Breite 10,00 m
Seitenhöhe 3,40 m
Tiefgang max. 2,25 m
Verdrängung 800
voll beladen: 1200dep1
Maschine
Maschine Dieselmotor, früher Dampfmaschine
Maschinen-
leistung
500 PS (368 kW)
Geschwindigkeit max. 8 kn (15 km/h)
Propeller 1
Transportkapazitäten
Zugelassene Passagierzahl 600

Das Motorschiff Liemba ist ein kombiniertes Passagier- und Frachtschiff, das auf dem afrikanischen Tanganjikasee verkehrt. Es war ursprünglich ein deutsches Kanonenboot, das 1913 als Dampfschiff in Deutschland gebaut worden war. Bis zum 16. Mai 1927 trug es den Namen Graf Goetzen, benannt nach Gustav Adolf Graf von Götzen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Kolonialgeschichte

Das Schiff wurde 1913 auf Befehl Kaiser Wilhelms II. im Auftrag der Ostafrikanischen Eisenbahn-Gesellschaft auf der Meyer-Werft in Papenburg an der Ems erbaut und auf den Namen Graf Goetzen getauft. Sie sollte dazu dienen, auf dem Tanganjikasee, gelegen in der damaligen deutschen Kolonie Deutsch-Ostafrika, die Präsenz der Kolonialherren zu erhöhen und Belgien von einer möglichen Kolonialexpansion abzuhalten.

Entworfen wurde das Schiff von Anton Rüter, welcher zu dieser Zeit die rechte Hand des Werftbesitzers Meyer war.[1]

Ursprünglich verfügte das Schiff über sechs Kabinen für Passagiere erster Klasse und über zehn Kabinen zweiter Klasse sowie je einen Ess- und Rauchsalon erster und zweiter Klasse. Die Maschinenausstattung bestand zunächst aus zwei Rundkesseln zur Dampferzeugung für die Dreifach-Expansionsmaschine mit einer Leistung von 500 PSi, einer Kohlensäure-Eis- und Kühlmaschine in einem isolierten Kühlraum mit einer Kapazität von drei Kilogramm Eis pro Stunde, einer Beleuchtungs- und einer Belüftungsanlage. Das Schiff war für eine Besatzung von 60 Mann ausgelegt.

Das Schiff, zusammengehalten von 160.000 Nieten, konnte in seine Einzelteile zerlegt werden und wurde auf diese Weise nach zehnmonatiger Bauzeit in 5.000 Holzkisten mit einem Gesamtgewicht von 1.200 Tonnen verpackt. Auf diese Weise gelangte die Graf Goetzen mit dem Zug nach Hamburg und von dort mit einem Dampfer nach Daressalam, der Hauptstadt der Kolonie. Hier wurden die Kisten auf die kurz zuvor eröffnete Mittellandbahn verfrachtet und nach Kigoma transportiert. Da das letzte Teilstück noch nicht rechtzeitig fertiggestellt war, mussten die Bauteile ein Stück weit von Menschen getragen werden.[2]

Am Tanganjikasee bauten rund 250 einheimische Arbeiter und 20 Inder unter der Leitung von Rüter, einem Gesellen und einem Nieter der Meyer-Werft das Schiff wieder zusammen.

Am 5. Februar 1915 erfolgte schließlich der Stapellauf.

Erster Weltkrieg

Geschützmannschaft der Graf Goetzen an der 10,5 cm L/40 Sk

Das Schiff wurde während des Ersten Weltkrieges in Dienst gestellt und am 9. Juni 1915 mit einem 10,5 cm- sowie zwei 3,7 cm-Geschützen von der nicht mehr operationsfähigen und später in der Rufiji-Mündung selbst versenkten SMS Königsberg ausgerüstet. Rüter wurde Kapitän des Schiffes.

Die Graf Goetzen wurde mit 1.000 Soldaten in Kasanga, dem damaligen Bismarckburg, an der Südspitze des Sees stationiert. Die Graf Goetzen beherrschte den See, denn die Briten hatten nur die zwei jeweils 13 Meter langen Kanonenboote HMS Mimi und HMS Toutou mit je einer kleineren Kanone auf dem See.[3] In der Folgezeit diente sie General Paul von Lettow-Vorbeck zu Truppenverlegungen und als Versorger. Am 10. Juni 1916 wurde das Schiff von vier belgischen Wasserflugzeugen bombardiert und einige Tage später ein weiteres Mal, als es für die anstehenden Reparaturarbeiten im Hafen von Kigoma lag. Als die deutschen Truppen auf ihrem Rückzug Kigoma aufgeben mussten, befahl von Lettow-Vorbeck, die Graf Goetzen zu versenken. Rüter ließ das Schiff vor dem Öffnen der Seeventile dick mit Fett einschmieren und nahe dem Ufer fluten.

Nachkriegszeit

Das Schiff wurde noch 1916 von den Belgiern gehoben. 1920 sank es während eines Sturmes im Hafen erneut. Anschließend ging das Land an die Briten als neue Kolonialherren über, die lange brauchten, um das Schiff wiederum zu heben. Erst sieben Jahre nach dem Untergang konnte es wieder fahren. Am 16. Mai 1927 wurde der alte Name Graf Goetzen in Liemba geändert.[4]

Zweiter Weltkrieg

Im Zweiten Weltkrieg wurden mit dem Schiff ein weiteres Mal Tausende Soldaten über den See befördert.

Heutige Situation

Seit der Unabhängigkeit Tanganjikas (später Tansania) 1961 fährt das Schiff unter einheimischer Führung und Besatzung.

Die Liemba ist heute das einzige große Passagierschiff, das regelmäßig auf dem See verkehrt.

Sie fährt alle zwei Wochen eine rund 700 Kilometer lange Route zwischen Mpulungu in Sambia und Kigoma in Tansania an der Ostseite des Sees entlang. Dazwischen legt sie 15 Mal an, unter anderem in Kasanga, Msamba, Kipili, Karema, Kibwesa und Kirando. Zum Teil sind es nur kleine Dörfer, die keinen Hafen besitzen. Das Be- und Entladen erfolgt fast ausschließlich über kleine Barkassen, da sich Landungsbrücken nur in Kigoma, Kasanga und Mpulungu befinden. Bis Anfang der 1990er Jahre steuerte sie auch weitere Ziele am Tanganjikasee an (Bujumbura in Burundi und Uvira, Kalemie und Moba in der heutigen Demokratischen Republik Kongo, damals Zaire). Als jedoch 1994 in Burundi und einige Jahre später in Zaire Bürgerkriege ausbrachen, wurde es dort zu gefährlich.

In jüngerer Vergangenheit setzte die Liemba Flüchtlinge des Völkermordes in Ruanda wieder ans heimische, westliche Ufer.

Technik

1993 wurde das Schiff zum letzten Mal durch Mitarbeiter der dänischen Entwicklungshilfeorganisation DANIDA (Danish International Development Agency) vor Ort generalüberholt und mit zwei Dieselmotoren bestückt.

Ausstattung

Die Liemba verfügt über zehn Passagierkabinen erster Klasse und zwei VIP-Kabinen. Zudem stehen 29 Kabinen der zweiten Klasse zur Verfügung. Die meisten Passagiere fahren dritter Klasse und schlafen unter und auf dem Deck. Insgesamt finden rund 600 Personen Platz. Zudem verfügt das Schiff über einen Speisesaal mit Bar sowie einen Kiosk.

Im Rumpf des Schiffes befindet sich ein Laderaum für 200 Tonnen Fracht, der unter anderem für den Transport von Trockenfisch genutzt wird. Dieser dagaa genannte Fisch wird im See gefangen und unterwegs von den Passagieren und Händlern dazugeladen, teilweise mit einem auf dem Schiff installierten Kran. Die Liemba verfügt über zwei Rettungsboote mit je 39 Plätzen.

Sonstiges

Modell der Graf Goetzen in der ursprünglichen Bauform
  • Modelle des Schiffes sind in der Meyer-Werft und im Restaurant des Hotels „Alte Werft“ in Papenburg zu sehen.
  • Der sogenannte Papenburger Zeitspeicher zeigt anhand von Exponaten und eines Dokumentarfilms die Geschichte der Graf Goetzen auf.
  • Die Geschichte der Liemba wurde im Jahre 2001 mit Fördermitteln des Landes Niedersachsen von EcoMedia, Produzent Stephan Lamby, und dem NDR unter dem Titel Die lange Fahrt der Graf Goetzen von Papenburg nach Afrika verfilmt.
  • In der Episode von Plains and Boats and Trains der BBC-Dokumentation Von Pol zu Pol reist Michael Palin auf der Liemba von Kigoma nach Mpulungu.
  • Im US-amerikanischen Spielfilm African Queen von 1951 ist die Graf Goetzen als Kanonenboot Louisa zu sehen, wobei die Geschichte des Films frei erfunden ist.
  • Der Dokumentarfilm Liemba, der 2010 auf Filmfestspielen gezeigt wurde, befasst sich mit der Geschichte der Graf Goetzen und ihrer Bedeutung für die Menschen am Tanganjikasee.[5]

Literatur

  • Michael Stührenberg, Pascal Maitre: Die endlose Fahrt der „Liemba“. In: GEO, Ausgabe 04/April 2007 (online)
  • Alex Capus: Eine Frage der Zeit. Knaus, München 2007, ISBN 978-3-8135-0272-5 (historischer Roman)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. einestages.spiegel.de
  2. Die lange Reise der Graf Goetzen in Die Zeit, abgerufen am 6. November 2011
  3. einestages.spiegel.de
  4. Liemba war ein historischer Name für den südlichen Teil des Sees, der aus den Aufzeichnungen von David Livingstone bekannt ist. Vgl. The Last Journals of David Livingstone in Central Africa from 1865 ..., Volume 1 p. 338; via google books
  5. Liemba A Documentary Film

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