Ida Hahn-Hahn

Ida Hahn-Hahn
Ida Hahn-Hahn

Ida Hahn-Hahn, eigentlich Ida Marie Louise Sophie Friederike Gustave Gräfin von Hahn, mitunter fälschlich: von Hahn-Hahn[1] (* 22. Juni 1805 in Tressow; † 12. Januar 1880 in Mainz) war eine deutsche Schriftstellerin, Lyrikerin und Klostergründerin. Sie entstammt dem uradeligen Geschlecht der Hahn. Sie selbst benutzte mit Vorliebe den Doppelnamen „Gräfin Hahn-Hahn“.[2]

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ida von Hahn wurde als Tochter des „Theatergrafen“ Karl (Friedrich) Graf von Hahn(-Neuhaus) (1782–1857) und seiner Ehefrau Sophie, geb. von Behr, im Herrenhaus von Tressow, heute ein Ortsteil von Schwinkendorf, in der Mecklenburgischen Schweiz geboren. Sie war die Enkelin des Philosophen und Astronomen Friedrich von Hahn. Nach der Scheidung der Eltern (1809) zog sie mit ihrer Mutter und den Geschwistern nach Rostock, Neubrandenburg und Greifswald, wo sie in dürftigen Verhältnissen lebten.

Im Juli 1826 wurde sie von der Familie aus dynastischen Gründen mit ihrem Vetter, dem später als Pferdezüchter und Rennstallbesitzer bekannt gewordenen Friedrich (Wilhelm Adolph) Graf von Hahn (1804–1859) auf Schloss Basedow, verheiratet und kam so zu ihrem Doppelnamen. Die Ehe wurde bereits am 5. Februar 1829, einen Monat vor der Geburt ihrer geistig behinderten Tochter Antonie (1829–1856), geschieden. Die immer wieder behauptete Existenz eines Sohnes mit ihrem Lebens- und Reisegefährten Adolf Freiherr von Bystram (1792–1849), der 1830 geboren und ebenso wie die Tochter aus ihrer Ehe in Pflege gegeben worden sei, lässt sich nicht nachweisen; weder in den mehr als 1000 Briefen von ihr und an sie, noch sonstwo. In ihrem Buch Jenseits der Berge (Leipzig 1840, 2. Teil) erwähnt sie vielmehr „mein einziges Kind“ (S. 320) und bekennt erleichtert: „Wol mir, daß ich keinen Sohn habe!“ (S. 187). 1836 hatte Ida Hahn-Hahn eine kurze Liaison mit dem späteren Reichsregenten Heinrich Simon.

Ida Gräfin Hahn-Hahn, Altersporträt

Nach der Scheidung führte sie ein unstetes Wanderleben zwischen Berlin, Dresden, Greifswald, Wien und Gut Neuhaus (Giekau). Mit Bystram unternahm sie weite Reisen, die sie nach Frankreich, Italien und in den Orient führten. Nach Bystrams Tod Ende Mai 1849 konvertierte Ida Hahn-Hahn zum Katholizismus. Enttäuscht und vereinsamt verließ sie Dresden und begann am 1. Januar 1850 von Berlin aus eine intensive Korrespondenz über Glaubensfragen mit dem Fürstbischof von Breslau Melchior von Diepenbrock. Dieser führte sie mit dem Propst von St. Hedwig in Berlin, Wilhelm Emmanuel von Ketteler, zusammen. Der Übertritt zur katholischen Kirche erfolgte am 26. März 1850. Vor Ketteler, der wenig später zum Bischof von Mainz berufen wurde, legte sie in St. Hedwig das Glaubensbekenntnis ab und empfing am 28. März die erste Heilige Kommunion. Im September 1850 folgte sie Ketteler nach Mainz und empfing dort am 10. Juni 1851 das Sakrament der Firmung. Vom 6. November 1852 bis Ende Februar 1853 hielt sie sich in Angers/Frankreich im Convent du Bon-Pasteur auf. Im Dezember 1853 eröffnete sie neben der Mainzer Kirche St. Stephan mit Unterstützung von Ketteler das Kloster Vom guten Hirten,[3] in dem sie bis zum Tode wohnte, ohne dem Orden anzugehören und zur Klausur verpflichtet zu sein. Ihr Grab befindet sich auf dem Mainzer Hauptfriedhof, Feld 14, Reihe 17.

Ida Gräfin Hahn-Hahn galt als eine der meistgelesenen Autorinnen ihrer Zeit. Sie erfuhr Anerkennung von Literaten wie Eichendorff und Fontane, aber auch Ablehnung: Ihre manierierte und mit Fremdwörtern gespickte Erzählweise wurde persifliert – so vor allem in dem Roman Diogena ihrer Konkurrentin Fanny Lewald – und ihre elitäre aristokratische Haltung kritisiert. Heute wird sie gern an zeitgeistigen Standards gemessen. Äußerungen über Türken und Araber, ebenso wie ein mehrmals sich manifestierender offener Rassismus, wie er beispielsweise in ihren Schilderungen von Negersklavinnen in den Orientalischen Briefen erkennbar wird, machen ihre Reiseberichte über den Orient aus heutiger Sicht zu einem fragwürdigen Lesevergnügen. Andererseits steht diesen Ansichten jedoch eine immer wieder betonte und angemahnte religiöse Toleranz in Bezug auf „Mohammedaner“ und Juden gegenüber, und es macht sich zumindest der prinzipielle Wille der Autorin bemerkbar, auf die als fremd empfundenen Sitten und Gebräuche des Orients einzugehen.

Die Werke Ida Hahn-Hahns wurden seit 1844 in acht fremde Sprachen übersetzt: ins Englische, Französische, Italienische, Niederländische, Polnische, Russische, Schwedische und Ungarische. Insgesamt sind bisher 24 Übersetzer nachgewiesen.

Werke (in Auswahl)

  • Gedichte, 1835
  • Neue Gedichte, 1836
  • Venezianische Nächte (Lyrik), 1836
  • Lieder und Gedichte, 1837
  • Erinnerungen aus und an Frankreich, 1842
  • Orientalische Briefe, 1844
  • Sibylle. Eine Selbstbiographie, 1846
  • Von Babylon nach Jerusalem, 1851
  • Aus Jerusalem, 1851
  • Unserer lieben Frau, 1851
  • Legende der Heiligen, 1854–1856
  • Bilder aus der Geschichte der Kirche, 1856–1866
  • Wahl und Führung, 1878

Romane

  • Aus der Gesellschaft, 1838
  • Gräfin Faustine, 1840
  • Reisebriefe, 1841
  • Sigismund Forster, 1843
  • Cecil, 1844
  • Zwei Frauen, 1845
  • Clelia Conti, 1846
  • Maria Regina, 1860
  • Doralice, 1861
  • Zwei Schwestern, 1863
  • Peregrin, 1864
  • Die Erbin von Cronenstein 1868
  • Die Glöcknerstochter, 1871

Nachlass

Ida Hahn-Hahns Nachlass umfasst etwa 730 Autographeneinheiten, bestehend aus rund 520 Briefen von ihr und mehr als 180 Briefen an sie sowie Buch- und Gedichtmanuskripten, und liegt seit 2006/2007 im Fritz Reuter Literaturarchiv Hans-Joachim Griephan Berlin, das auch eine Kartei der Briefe von und an Ida Hahn-Hahn führt. Der Bestand enthält Brieffolgen von einzigartiger Fülle zum Leben und Werk, darunter die 1844/1845 geführte Korrespondenz mit Hermann Fürst von Pückler-Muskau, Briefe Melchior von Diepenbrocks, Wilhelm Emmanuel von Kettelers sowie der sächsischen Königinnen Marie und Amalie. Insgesamt sind von Ida Hahn-Hahn in Archiven und Bibliotheken des In- und Auslands mehr als 1100 von ihr geschriebene und an sie gerichtete Briefe nachweisbar.

Ehrung

Die Stadt Mainz hat 2010 eine Straße nach Ida Hahn-Hahn benannt: Ida-von-Hahn-Straße (Mainz 55122). Die Namensgebung hat der Leipziger Lektor und Autor Ralph Zade so kommentiert: „gut gemeint, aber schlecht gemacht, da sie unter diesem Namen nicht bekannt ist".[4] Bekannt ist die Schriftstellerin unter zwei Namensformen. Ihre Bücher, auch die aus ihrer katholischen Zeit in Mainz, veröffentlichte sie unter dem Namen Ida Gräfin Hahn-Hahn. Ihre Briefe unterschrieb sie mit Ida Hahn-Hahn. Die Stadt Mainz hat sich bei der Straßenbenennung offensichtlich an der Taufurkunde orientiert.

Literatur

  • Fritz Martini: Ida von Hahn-Hahn. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 7, Duncker & Humblot, Berlin 1966, S. 498–500.
  • Richard Moritz Meyer: Hahn-Hahn, Ida Gräfin von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 49, Duncker & Humblot, Leipzig 1904, S. 711–718.
  • Katrien van Munster: Die junge Ida Gräfin Hahn-Hahn. Stiasny, Graz 1929.
  • Erna Ines Schmid-Jürgens: Ida Gräfin Hahn-Hahn. Reprogr. Nachdr. d. Ausg. Berlin 1933. Kraus, Nendeln/Liechtenstein 1967 (Germanische Studien. 144).
  • Adolf Töpker: Beziehungen Ida Hahn-Hahns zum Menschentum der deutschen Romantik. Pöppinghaus, Bochum 1937.
  • Gerd Lüpke: Ida Gräfin Hahn-Hahn. Das Lebensbild einer mecklenburgischen Biedermeier-Autorin. Giebel, Bremen 1975.
  • Renate Möhrmann: Die andere Frau. Emanzipationsansätze deutscher Schriftstellerinnen im Vorfeld der Achtundvierziger-Revolution. Metzler, Stuttgart 1977, ISBN 3-476-00353-1.
  • Gert Oberembt: Ida Gräfin Hahn-Hahn. Weltschmerz und Ultramontanismus. Studien zum Unterhaltungsroman im 19. Jahrhundert. Bouvier, Bonn 1980, ISBN 3-416-01545-2 (Abhandlungen zur Kunst-, Musik- und Literaturwissenschaft. 302).
  • Gerlinde Maria Geiger: Die befreite Psyche. Emanzipationsansätze im Frühwerk Ida Hahn-Hahns (1838–1848). Lang, Frankfurt am Main u. a. 1986, ISBN 3-8204-8907-X (Europäische Hochschulschriften. Reihe 1, Deutsche Sprache und Literatur, Bd. 866).
  • Wulf Wülfing: Reiseberichte im Vormärz: Die Paradigmen Heinrich Heine und Ida Hahn-Hahn. In: Peter J. Brenner (Hrsg.): Der Reisebericht. Die Entwicklung einer Gattung in der deutschen Literatur. Frankfurt a. M. 1989 , S. 333–362(suhrkamp taschenbuch 2097).
  • Lucie Guntli: Goethezeit und Katholizismus im Werk Ida Hahn-Hahns. Ein Beitrag zur Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts. Hänsel-Hohenhausen, Egelsbach u. a. 1992 (Deutsche Hochschulschriften. Alte Reihe, 6 Universitas-Archiv, Literaturhistorische Abteilung, 7), ISBN 3-89349-043-4.
  • Shubhangi Dabak: Images of the Orient in the travel writings of Ida Pfeiffer and Ida Hahn-Hahn. Univ. Diss. East Lansing MI, 1999.
  • Carola Hilmes: Skandalgeschichten. Aspekte einer Frauenliteraturgeschichte. Helmer, Königstein/Taunus 2004, ISBN 3-89741-154-7.
  • Herlinde Cayzer: Feminist Awakening: Ida von Hahn-Hahn’s „Gräfin Faustine“ and Luise Mühlbach’s „Aphra Behn“. Univ. Diss. Univ. of Queensland, Brisbane 2007.
  • Beate Borowka-Clausberg: Unterwegs zum Orient. Ida Gräfin Hahn-Hahns Schlesienfahrt 1843. Ein Reisebericht.Bergstadtverlag Gottlieb Korn, Würzburg 2007.
  • Beate Borowka-Clausberg: „Ich reise um zu leben.“ Ida Gräfin Hahn-Hahns literarisierte Lebensfahrt mit Kalesche und Eisenbahn. In: Christina Ujma (Hrsg.): Wege in die Moderne. Reiseliteratur von Schriftstellerinnen und Schriftstellern des Vormärz. Bielefeld, 2009, ISBN 978-3-89528-728-2, S. 69–79.

Weblinks

 Wikisource: Ida von Hahn-Hahn – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Nach DNB-Recherchen ist die Verfasserangabe bei der überwiegenden Zahl der Werke ohne „von“!
  2. Inwieweit die Namensform Hahn-Hahn, die traditionell durch die Ehe von Ida Gräfin von Hahn mit ihrem namensgleichen Vetter Friedrich Graf von Hahn erklärt wird, als Pseudonym der Künstlerin aufzufassen ist, bleibt umstritten. Für eine adelsrechtlich verbindliche und standesrechtlich zwingend erforderliche Namensvereinigung, wie man sie von zahlreichen anderen Adelsgeschlechtern kennt, fand sich für Ida von Hahn bisher keinerlei Beleg.
  3. Ketteler, Wilhelm Emmanuel von in der Rheinland-Pfälzischen Bibliographie
  4. Nachrichtenübersicht der Bischöflichen Pressestelle in Mainz vom 28.10.2011, „Sie ist eine Größe gewesen in ihrer Zeit“.

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