Hannah von Mettal

Hannah von Mettal

Hannah von Mettal (* 7. Mai 1884, in Zdechovice bei Pardubice, Böhmen; † 26. Mai 1966 in New York) war Übersetzerin und hat 1918 jene erste deutschsprachige Übersetzung von James Joyces Drama Exiles angefertigt, die 1919 am Schauspielhaus München welturaufgeführt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Bellerivestrasse 7, wo Hannah von Mettal bei Brun in Untermiete wohnte als sie James Joyces Drama Verbannte übersetzt hat und wo jene Pension Wehrle war, in der sich Georg von Seybel das Leben genommen hat.

Hannah von Mettal war eine von vier Töchtern des konservativen Politikers, Juristen und Ökonomieprofessors Otto Mettal (ab 1912 Otto Ritter von Mettal) und seiner Frau Amalie. Der vermögenden Familie gehörten etwa nicht nur die Schlösser Zdechovice und Rozsochatec, sondern sie war auch politisch einflussreich, da Hannah von Mettals Schwester Marie mit Emanuel Greif, dem obersten Staatsbeamten des Ministerpräsidenten Karel Kramář, verheiratet war.

In den Jahren 1915/16 war Hannah von Mettal Gesangsschülerin des italienischen Musiklehrers und Komponisten Alfredo Cairati am Stern’sches Konservatorium in Berlin, [1] der dort zwischen 1908 und 1916 unterrichtete und 1916 mit seiner Familie nach Zürich übersiedelte, wo er die Accademia di Canto gründete sowie als Musikpädagoge und Komponist wirkte. [2] Wie Cairati ist Hannah von Mettal 1916 nach Zürich übersiedelt, was erklärt, dass die Zürcher Behörden als Beruf der damals 32-Jährigen «stud. mus.», «Privat.» angeführt haben. [3]

Am 16. Juni 1916 (einem Bloomsday) hat sich Hannah von Mettal aus Berlin kommend in Zürich angemeldet, wo sie während des Ersten Weltkrieges und bis 1920 gelebt hat.

Im Mai 1920 hat sich Mettal für rund zwei Wochen nach München abgemeldet, kehrte anschließend erneut nach Zürich zurück, wo ihr bis Ende Juni 1920 Aufenthalt bewilligt wurde, worauf sie sich Anfang August 1920 nach Böhmen abgemeldet hat, [3] wo 1919 die zweite und 1925 die dritte Auflage ihrer tschechischen Übersetzung von Elinor Glyns Roman Drei Wochen erschienen ist.

Daheim lernte sie Jan Masaryk, einen der zahlreichen Gäste ihres Vaters besser kennen. [4] Nach ihrer Heirat mit Ingenieur Mořic Mayzner lebte sie als Hannah Mettal-Mayzner bzw. Hannah Mayzner in der Tschechoslowakei, Polen, Berlin, London und New York, [5] [6] [7] von wo aus sie Masaryk unterstützte, der zwischen 1925 und 1938 tschechoslowakischer Botschafter in Großbritannien und ab 1940 Außenminister der tschechoslowakischen Exilregierung war.

Werk

Im Jahr 1911 hat Mettal Elinor Glyns Roman Three Weeks ins Tschechische übersetzt. Glyns Buch über sexuelle Abenteuer war 1907 so skandalös, dass es in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten lange verboten war.

Im Jahr 1918 hat Mettal James Joyces Drama Exiles ins Deutsche übersetzt. Ihre 1919 im Zürcher Rascher Verlag veröffentlichte Übersetzung Verbannte ging anlässlich der Münchner Welturaufführung von Joyces Drama, die am 7. August 1919 durch den Regisseur Erwin von Busse am Münchner Schauspielhaus erfolgte, in die Literatur- und Theatergeschichte ein. Trotz dieser literarhistorischen Bedeutung ist Hannah von Mettal so in Vergessenheit geraten, dass über sie nur noch wenig Verbrieftes bekannt ist.

Die von Richard Ellmann in seiner James Joyce-Biografie geäußerte Vermutung, dass Stefan Zweig die Verbindung zwischen Hannah von Mettal und Joyce hergestellt habe, wurde nicht nur dadurch widerlegt, dass Mettal nirgends in Zweigs Leben und Werk vorkommt, sondern auch durch einen Brief Mettals, [8] in dem sie Joyce am 20. März 1918, d. h. über ein halbes Jahr vor seiner Bekanntschaft mit Zweig, mitteilt, dass sie ihm vorerst nur den ersten Akt ihrer Exiles-Übersetzung zusenden kann, weil sie zu beschäftigt war. Der Brief enthält auch Mettals damalige Zürcher Adresse: Bellerivestrasse 7. [Anm. 1]

Am 4. April 1925 erkundigt sich die damals in Berlin (Lessingstraße 39) lebende Hannah von Mettal bei Joyces Verlegerin Sylvia Beach nach den Bedingungen für die Übersetzung des Ulysses ins Deutsche und Tschechische. Sie betont in ihrem Brief, dass sie sehr gute Kontakte zu Verlagen in Berlin und Prag sowie in Prag zudem einen klingenden Namen habe. Weiters erwähnt sie, dass sie vor einiger Zeit ein Stück von Joyce übersetzt habe, womit sie allem Anschein nach auf ihre Übertragung von Exiles anspielt. [9]

Joyce dürfte an einer deutsch- bzw. tschechischsprachigen Übersetzung des Ulysses durch Hannah von Mettal nicht interessiert gewesen sein. Seine Ablehnung hat auf die Nachwelt abgefärbt, weshalb nach dem Zweiten Weltkrieg mit Friedrich Kremers Verbannte (1956) sowie Klaus Reicherts Verbannte (1968) zwei weitere deutschsprachige Übersetzungen von Exiles erschienen. Letztere ist inzwischen zwar als Teil der Frankfurter Ausgabe die verbreitete Standardübersetzung geworden, die auch für Bühnenaufführungen herangezogen wird, hat aber im Vergleich mit Mettals Welturaufführungsübersetzung werkgeschichtlich und literarhistorisch eindeutig die geringere Bedeutung.

Im Jahr 1929 erscheint mit Předčasné odpuštění Mettals tschechische Übersetzung von André Corthis' Le Pardon prématuré.

Fotografie

Übersetzungen

  • Elinor Glyn: Tři týdny (Three Weeks). Aus dem Englischen ins Tschechische übersetzt von Hannah von Mettal (1911).
  • James Joyce: Verbannte (Exiles). Schauspiel in drei Akten. Übersetzt von Hannah von Mettal. Zürich: Rascher & Cie. 1919.
  • Rex Beach: Železná stopa (The Iron Trail) . Ins Tschechische übersetzt von Hannah von Mettal. (1927).
  • André Corthis: Předčasné odpuštění (Le Pardon prématuré). Aus dem Französischen ins Tschechische übersetzt von Hannah von Mettal (1929).
  • Berta Ruck: Krádež perel (The Pearl Thief). Ins Tschechische übersetzt von Hannah von Mettal. (1930).
  • William Babington Maxwell: Musíme zapomenout (We forget because we must). Ins Tschechische übersetzt von Hannah von Mettal. (1932)

Literatur

  • Richard Ellmann: James Joyce. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1959, (Auch: New and revised edition 3. print. Oxford University Press, Oxford u. a. 1982, ISBN 0-19-503103-2).
  • Wilhelm Füger: James Joyce. Epoche – Werk – Wirkung. Beck, München 1994, ISBN 3-406-38114-6, (Arbeitsbücher zur Literaturgeschichte).
  • Wilhelm Füger (Hrsg.): Kritisches Erbe. Dokumente zur Rezeption von James Joyce im deutschen Sprachbereich zu Lebzeiten des Autors. Ein Lesebuch. Rodopi, Amsterdam u. a. 2000, ISBN 90-420-0769-9, (Internationale Forschungen zur allgemeinen und vergleichenden Literaturwissenschaft 40).
  • Andreas Weigel: Das Ende einer langlebigen Legende. Fakten zur Bekanntschaft zwischen James Joyce und Stefan Zweig. In: Michael Ritter (Hrsg.): praesent. Das österreichische Literaturjahrbuch 2010, ZDB-ID 2064906-X, S.43–55.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Malte Vogt: Liste der Schülerinnen und Schüler des Stern'schen Konservatoriums (1850-1936), Buchstaben L und M.
  2. Heinrich Aerni: Nachlassverzeichnis Cornelio Giuseppe Cairati (1909 - 1991).
  3. a b Stadtarchiv Zürich V.E.c.100., 1901–1933, 1934–1964 (Andreas Weigel mitgeteilt von Robert Dünki).
  4. Zdechovický zámek
  5. Andreas Weigel: Hannah von Mettal. James-Joyce-Austriaca · James Joyce und Österreich. 29. April 2009.
  6. Harald Stockhammer: etwas zur Familienhistorie der Mettals. James-Joyce-Austriaca · James Joyce und Österreich. 19. August 2009.
  7. Jitka Greif, Hannah von Mettals Großnichte, in einem E-Mail vom 1. Juni 2009 an Harald Stockhammer (Innsbruck).
  8. Hannah von Mettal: Brief vom 20. März 1918 an James Joyce.
  9. Hannah von Mettal: Brief vom 4. April 1925 an Sylvia Beach.

Anmerkungen

  1. In dem Haus befand sich außer der Pension Wehrle am See, in der etwa Anton von Webern zu Gast war, ab Mitte der 1920er Jahre auch die Praxis des mit Hugo Ball befreundeten, von Carl Gustav Jung ausgebildeten Psychoanalytikers Josef Bernhard Lang (1881-1945), der zwischen 1916 und 1919 Hermann Hesse behandelt hat und diesem bis an sein Lebensende freundschaftlich verbunden war, wovon ein umfangreicher Briefwechsel zeugt. In der Pension Wehrle lebte auch Ruth Wenger, die Anfang der 1920er Jahre mit Josef Lang liiert und später mit Hesse ein paar Jahre verheiratet war, der sie auch in der Pension Wehrle besucht hat. Heute befindet sich in dem Haus unter anderem das Büro der Architekten Bétrix & Consolascio.

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