Hans Ehrenberg (Theologe)

Hans Ehrenberg (Theologe)

Hans Philipp Ehrenberg (* 4. Juni 1883 in Altona; † 21. März 1958[1] in Heidelberg) war ein deutscher Theologe. Er gehörte zu den Mitbegründern der Bekennenden Kirche und musste wegen seiner jüdischen Abstammung und wegen Auseinandersetzungen mit den Nationalsozialisten nach England emigrieren.

Inhaltsverzeichnis

Leben

1883–1914

Hans Ehrenberg wuchs in einer Familie des emanzipierten Judentums auf. Von 1898 bis 1900 besuchte er das Christianeum in Altona.[2] Nach seinem Abitur am Hamburger Wilhelm-Gymnasium 1902 studierte er Rechts- und Staatswissenschaften in Göttingen, Berlin, Heidelberg und München. In seiner Dissertation im Jahre 1906 über die Lage der Hüttenarbeiter im Ruhrgebiet wurde bereits seine Hinwendung zu den Arbeitern deutlich. Nach seinem Militärdienst 1907/08 setzte er sein Studium, nun der Philosophie, in Heidelberg fort, das er 1909 mit einer zweiten (philosophischen) Promotion und der Habilitation 1910 abschloss. 1910 wurde er Privatdozent der Philosophie in Heidelberg. 1909 ließ Ehrenberg sich in Berlin evangelisch taufen. In dieser Zeit verband ihn eine enge Freundschaft mit seinem Vetter Franz Rosenzweig, der ihn in seinem Schritt bestärkte. 1913 heiratete er die Lehrerin Else Anna Zimmermann (1890–1970).

1914–1933

Im Ersten Weltkrieg war Ehrenberg Offiziersstellvertreter, seit Ende 1914 Leutnant. Als Orden- und Ehrenzeichen wurden ihm das Eiserne Kreuz 2. Klasse sowie der Badische Offiziersorden (Zähringer Löwe 2.Klasse) verliehen. Er sah den Krieg zunächst als legitimen Verteidigungskrieg. Nach dem Krieg änderte sich diese Sicht radikal. Er sprach von den Verbrechen des Krieges und deutscher Schuld. 1918 trat er in die SPD ein, für die er ab 1919 für 1 1/2 Jahre SPD-Stadtverordneter in Heidelberg war, und war Mitglied eines Arbeiter- und Soldatenrates. Im gleichen Jahr erhielt er eine außerordentliche Professur in Heidelberg. In dieser Zeit entstand sein Wunsch, Pfarrer zu werden. Er arbeitete außerdem bei den Religiösen Sozialisten mit.

1922 begann Ehrenberg mit dem Studium der Theologie in Münster, das er 1924 mit dem 2. Theologischen Examen abschloss. Er gab seine vielversprechende akademische Karriere auf und wurde 1925 Pfarrer an der Christuskirche Bochum in einer durch Arbeiter geprägten Gemeinde. Er engagierte sich im „Kampfbund christlicher Arbeiter“, trat aber aus der SPD aus, da er parteipolitische Arbeit für nicht vereinbar mit seinen pfarramtlichen Aufgaben hielt. Bereits 1927 kam es bei Vorträgen Ehrenbergs über „Kirche und Antisemitismus“ zu von der SA organisierten Tumulten.

1933–1945

Nach der „Machtergreifung“ durch die Nationalsozialisten gehörte Ehrenberg zu den Mitbegründern der Bekennenden Kirche. Bereits im Mai 1933 formulierte er zusammen mit vier anderen westfälischen Pfarrern das so genannte Bochumer Bekenntnis, das erste seiner Art, das eine Absage an die nationalsozialistische Ideologie und ein Bekenntnis zu den jüdischen Wurzeln des Christentums enthält. Im Juli 1933 veröffentlichte er im Selbstverlag 72 Leitsätze zur judenchristlichen Frage, in denen er sehr deutlich gegen den Antisemitismus Stellung bezog und dieses auch von der Evangelischen Kirche einforderte. Auf zunehmenden Druck sowohl von Seiten der NSDAP als auch deutsch-christlich geprägter Kirchenbehörden beantragte er 1937 selbst seine Versetzung in den Ruhestand, nachdem ihm selbst der Westfälische Bruderrat der Bekennenden Kirche dieses geraten hatte. Ehrenberg arbeitete aber weiter für die Bekennende Kirche, deren Bochumer Pfarrer sich öffentlich mit ihm solidarisierten.

Im September 1938 wurde er mit einem „totalen Predigt- und Redeverbot“ belegt. Bei den Novemberpogromen 1938 wurde seine Wohnung verwüstet. Er selber wurde wenige Tage später in das KZ Sachsenhausen eingeliefert. 1939 konnte er dank einer Intervention und Bürgschaft des Bischofs von Chichester, George Bell, nach England emigrieren, wohin ihm seine Familie kurze Zeit später folgte. Hier wurde für ihn die Ökumene, eine zukünftige Einheit der Kirchen, zunehmend wichtig.

1945–1958

Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Ehrenberg 1947 nach Deutschland zurück, wo er zunächst als Pfarrer für Erwachsenenbildung in Bethel arbeitete. 1953 zog er wieder nach Heidelberg, wo er 1958 starb.

Bedeutung

Hans Ehrenberg war einer der wenigen deutschen evangelischen Theologen auch innerhalb der Bekennenden Kirche, die sich deutlich und öffentlich gegen den Antisemitismus der Nationalsozialisten wandten und für Juden eintraten. Er forderte dieses auch vehement von seiner Kirche. Er kritisierte auch den christlichen Antijudaismus und betonte die Gemeinsamkeiten von Judentum und Christentum.

Daneben hebt seine besondere Hinwendung zu den Problemen von Arbeitern ihn aus der Kirche seiner Zeit heraus. Neben seiner praktisch-theologischen Arbeit schrieb Ehrenberg Zeit seines Lebens eine Vielzahl philosophischer und theologischer Artikel und Aufsätze.

Ihm zu Ehren und im Gedenken an ihn wurde 1963 das Gymnasium in Bielefeld-Sennestadt benannt, das sich in der Trägerschaft der evangelischen Kirche von Westfalen befindet.

Der Nachlass von Hans Ehrenberg befindet sich im Landeskirchlichen Archiv Bielefeld (Bestand 3,17).

Hans-Ehrenberg-Preis

Der Evangelische Kirchenkreis Bochum verleiht in Abstimmung mit der Hans-Ehrenberg-Gesellschaft seit 2000 alle zwei Jahre in der Christuskirche Bochum den mit 5000 Euro dotierten Hans-Ehrenberg-Preis an Personen, die genuin protestantische Profile in öffentlicher Auseinandersetzung vertreten und - in aktuellen gesellschaftspolitischen Diskursen, in der interdisziplinären Wissenschaft und im Bereich kirchlichen Handelns - vergegenwärtigen.

Bisherige Preisträger:

Literatur

  • Werner Licharz: Franz Rosenzweig und H. E.: Aspekte einer fast vergessenen Freundschaft.[3] In: Wolfdietrich Schmied-Kowarzik (Hg.): Der Philosoph Franz Rosenzweig 1886–1929. Freiburg 1988
  • Günter Brakelmann: Hans Ehrenberg. Ein judenchristliches Schicksal in Deutschland. Schriftenreihe der Hans–Ehrenberg–Gesellschaft, 3 & 4; Waltrop 1997/1999
  1. Leben, Denken und Wirken 1883–1932. ISBN 3-927718-86-6
  2. Widerstand, Verfolgung und Emigration 1933–1939. ISBN 3-927718-87-4
  • Günter Brakelmann (Hg.): Hans Ehrenberg. Autobiographie eines deutschen Pfarrers und weitere Zeugnisse aus der NS-Zeit. Schriftenreihe der Hans–Ehrenberg–Gesellschaft, 5. Waltrop 1999 ISBN 3-933688-28-0
  • Stefan G. Reichelt: Hans Ehrenberg. In: Nikolaj A. Berdjaev in Deutschland 1920-1950. Eine rezeptionshistorische Studie. Leipzig 1999, S. 116-119. ISBN 3-933240-88-3
  • Wolfdietrich Schmied-Kowarzik: Rosenzweig im Gespräch mit Ehrenberg, Cohen und Buber. Freiburg 2006 ISBN 3-495-48244-X
  • Manfred Keller, Jens Murken Hgg.: Das Erbe des Theologen Hans Ehrenberg. Eine Zwischenbilanz. Zeitansage. Schriftenreihe des Evangelischen Forums Westfalen und der Evangelischen Stadtakademie Bochum, Band 4, Münster 2009 ISBN 978-3-643-10427-4

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Juliane H. John, E. C. John: To Tell of the Struggle is a Struggle. Resistance, Protest and Witness during the Third Reich, Selbstverlag, Bangalore 1996
  2. Archiv des Christianeums
  3. Rosenzweig und Ehrenberg waren Vettern

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