Heinrich Pfeiffer (Sicherheitsdienst SS)

Heinrich Pfeiffer (Sicherheitsdienst SS)

Franz Heinrich Pfeiffer (auch häufig Heinrich Pfeifer geschrieben; Pseudonyme: Heinrich Orb und eventuell Hansjürgen Koehler [1]; * vor 1924; † wohl um 1950) war ein deutscher Staatsbeamter und führender Mitarbeiter in der Zentrale des Sicherheitsdienstes (SD).

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nach dem Abitur studierte Pfeiffer Rechts- und Staatswissenschaften an der Universität Würzburg, wo er 1924 mit einer Arbeit über Die rechtliche Stellung neutraler Staatsangehöriger in kriegführenden Staaten promovierte.

In der Frühphase der nationalsozialistischen Herrschaft leitete Pfeiffer das „Sonderbüro Stein“, ein 1933 im Zuge der Zusammenarbeit zwischen der Abwehr und der Abwehrabteilung des SD gebildetes Büro für außergewöhnliche Verdachts- und Verratsfälle, das sowohl für die Wehrmacht als auch für die Gestapo arbeitete[2] und formell dem Heereswaffenamt unterstand.[3] Reinhard Gehlen datierte die Gründung des Büros fälschlich in das Jahr 1936.[4] Als Leiter des Büros, das tatsächlich nach dem Büroort am Steinplatz 3 in Berlin benannt war, wurde Pfeiffer als Reichswehrmajor a.D. Stein ausgegeben. Nachdem Heinrich Himmler und Reinhard Heydrich im Frühling 1934 die Kontrolle über die Gestapo übernahmen, wurde das Büro Stein als „Sonderdienststelle z.b.V.“ in das Gebäude des Berliner Polizeipräsidiums verlegt und bald darauf völlig vom SD übernommen, was die Abwehr dazu veranlasste, auf Distanz zu dem Büro zu gehen.[5] Uexküll zufolge spielten die Agenten des Büros Stein eine Rolle bei den Vorbereitungen der als Röhm-Putsch bekannt gewordenen politischen Säuberungswelle vom Juni/Juli 1934, indem sie Beweise für die angeblichen Staatsstreichpläne der SA-Führung um Ernst Röhm sammelten bzw. fingierten und im Auftrag Heinrich Himmlers und Reinhard Heydrichs die Haltung Hermann Görings im Konfliktfall ausforschten.[6] Browder vermutet, dass das Büro schließlich im Zuge der Umstrukturierung des Polizeiapparates im November 1934 aufgelöst wurde; als Indiz hierfür wertete er, dass zu dieser Zeit eine große Zahl von Beamten der Politischen Polizei in die Gestapo übernommen wurde.[7]

Buchheit zufolge floh Pfeiffer 1935 nach einem „großen Krach“ mit seinen Vorgesetzten ins Ausland: Er soll in der Folge für den polnischen Geheimdienst, dann für Ungarn gearbeitet haben, bevor er, als 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach, in die Schweiz ging. Der britische Geheimdienst habe dort Pfeiffers Dienste mit der Begründung abgelehnt, dass er die Polen nur Geld gekostet und nur wertlose Informationen geliefert habe.[8]

1945 veröffentlichte Pfeiffer unter dem Titel Nationalsozialismus. 13 Jahre Machtrausch einen Erlebnisbericht über seine Tätigkeit in der Zentrale der Gestapo/des SDs, wobei er das Pseudonym Heinrich Orb verwendete. Dass Pfeiffer tatsächlich der Mann war, der sich hinter Orb verbarg, bestätigt eine Auskunft des Schweizer Otto Walter-Verlags vom Februar 1972, bei dem das Buch erschien, an den Historiker Rönn von Uexküll: „Heinrich Orb ist ein Pseudonym. Der richtige Name des Verfassers lautet Heinrich Pfeiffer. Die Adresse Pfeiffers kann ich Ihnen nicht verschaffen; er ist Anfang der 50-er Jahre gestorben.“[9]

Ein fünf Jahre zuvor, im Januar 1940, in Großbritannien unter dem Pseudonym Hansjuergen Koehler erschienenes Buch mit dem Titel Inside the Gestapo wird ebenfalls von einigen Historikern, insbesondere von Gert Buchheit, Pfeiffer zugeschrieben.[10] Browder hält, nach einem Vergleich beider Bücher, diese Annahme für plausibel, hält aber auch – nach einem Vergleich beider Bücher – die Möglichkeit für erwägenswert, dass Pfeiffer als Orb extensiv bei „Koehler“ abgeschrieben hat. Interessant sei dabei, dass Orb von der historischen Forschung weitgehend als verlässliche Quelle akzeptiert werde, während Köhler von ihr bislang weitgehend ignoriert worden sei. Koehler sei gelegentlich detailgetreuer wenn man seine Berichte mit den Originaldokumenten der Gestapo abgleicht. Dafür seien viele seiner Geschichten ihrer Natur nach Räuberpistolen, etwa der Bericht, den er vom Röhm-Putsch liefert, der zudem den meisten anerkannten und dokumentierten Berichten widerspreche und weitgehend fiktiv erschiene. Beide Bücher vermittelten jedoch den Eindruck, aus der Feder eines Mannes zu stammen, der zu einem bestimmten Zeitpunkt direkt mit der Gestapo und dem SD zu tun gehabt habe und über detailliertes Insiderwissen verfüge, der sich aber auch nicht zu schade sei, gelegentlich eindrucksvoll erscheinende Details dazu zu erfinden, wenn er gerade kein eigenes Wissen zur Verfügung hatte.

Browder fällt über den historischen Wert der Schriften von Orb und Koehler insgesamt das folgende Urteil: „With Koehler/Orb the historian is torn between the almost certainly accurate inside information, the obviously fictional accounts, and much that has yet to be tested.“[11]

Pfeiffers Nachlass befand sich zunächst einige Jahre lang im Besitz des Historikers Hans-Jürgen Döscher.[12] Heute lagert er im Institut für Zeitgeschichte in München.

Schriften

  • Die rechtliche Stellung neutraler Staatsangehöriger in kriegführenden Staaten, s.l. 1924. (Dissertation)
  • Inside the Gestapo. Hitler's Shadow Over the World, 1940. (eventuell unter dem Pseudonym Hansjürgen Koehler; nicht vollständig gesichert)
  • Nationalsozialismus. 13 Jahre Machtrausch, Olten 1945. (unter dem Pseudonym Heinrich Orb erschienen)

Einzelnachweise

  1. Walter Lehmann: Die Bundesrepublik und Franco-Spanien in den 50er Jahren, 2006, S. 85.
  2. Gert Buchheit: Der deutsche Geheimdienst. Geschichte der militärischen Abwehr, 1966, S. 168.
  3. George C. Browder: Foundations of the Nazi Police State. The Formation of Sipo and SD, 2004, S. 176.
  4. Reinhard Gehlen: Der Dienst. Erinnerungen 1942–1971, S. 41.
  5. George C. Browder: Foundations of the Nazi Police State, S. 176.
  6. Rönn von Uexküll: Unser Mann in Berlin, 1976.
  7. George C. Browder: Foundations of the Nazi Police State, S. 297.
  8. Gert Buchheit. Der deutsche Geheimdienst. Geschichte der militärischen Abwehr, 1966, S. 168.
  9. Dokument abgedruckt im nicht paginierten Anhang bei Rönn von Uexküll: Unser Mann in Berlin, 1976.
  10. Gert Buchheit: Der deutsche Geheimdienst. Geschichte der militärischen Abwehr, 1966, S. 168. Buchheit berichtet zudem, Pfeiffer habe sein Buch einer gewissen Edith Druckwitz, alias Edith Dürenberger, diktiert.
  11. Browder: S. 321.
  12. Hans-Jürgen Döscher: Das Auswärtige Amt im Dritten Reich. Diplomatie im Schatten der „Endlösung“, 1987, S. 316.

Weblinks


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