Günther Patschowsky

Günther Patschowsky

Günther Patschowsky beziehungsweise nach einer Namensänderung ab 1937 Günther Palten (* 3. März 1903 in Schnellewalde; † 17. Mai 1945 in Vorderstade oder Hamburg)[1] war ein deutscher Jurist, SD-Beamter und Regierungspräsident.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Jugend, Ausbildung und Laufbahn in der Weimarer Republik

Nach dem Abitur studierte Patschowsky Rechtswissenschaften an der Universität Breslau, wo er 1926 mit einer Arbeit über die Die Anerkennungsgebühr in der städtischen Selbstverwaltung promovierte. 1930 trat Patschowsky in den schlesischen Gerichtsdienst ein, in dem er bis 1932 zum Staatsanwalt aufstieg. In dieser Eigenschaft verfolgte Patschowsky bis zum Machtantritt der Nationalsozialisten im Frühjahr 1933 einerseits die politischen Vergehen von Sozialdemokraten und Kommunisten mit sehr großem Nachdruck, während er umgekehrt bei der Verfolgung politischer Straftaten von Rechts große Zurückhaltung an den Tag legte.

1930[2] oder im Juni 1931[3] wurde Patschowsky Mitglied der NSDAP (Mitgliedsnr 566.217). Am 4. April 1932 trat er in Schutzstaffel (SS) ein (Mitgliedsnummer 40.064).[4] Aronson zufolge wurde er am 15. August 1932 Truppenführer in einer regulären SS-Einheit in Breslau und am 15. September desselben Jahres einer der ersten akademischen Mitarbeiter im Sicherheitsdienst (SD) von Reinhard Heydrich.

Tätigkeit bei der Breslauer Polizei und beim Geheimen Staatspolizeiamt (1933 bis 1935)

1933 wurde Patschowsky in die Polizeiverwaltung in Breslau aufgenommen, in der er als Stellvertreter von Edmund Heines das Amt des stellvertretenden Polizeichefs der Stadt übernahm. Im Dezember 1933[5] wurde Patschowsky als Jurist im Rang eines Oberregierungsrates ins Geheime Staatspolizeiamt (Gestapa) in Berlin geholt. Dort übernahm er die Leitung der zum Jahreswechsel neugeschaffenen Hauptabteilung IV (Landesverrat und Spionage), die nach einer Neudurchnummerierung der Hauptabteilung bald danach die Nummer III erhielt. Aufgabe dieser kurz als Abwehrabteilung bezeichneten Hauptabteilung war die polizeiliche Untersuchung und Bekämpfung des Landesverrats durch Reichsangehörige sowie die Bekämpfung von ausländischer Spionage im Reichsgebiet. Patschowskys Ernennung zum Leiter der Abwehrabteilung war das Ergebnis einer komplexen Intrige der SS: Als der SS-feindliche Gestapo-Chef Rudolf Diels Ende 1933 beim Reichswehrministerium anfragte, ob man ihm dort einen geeigneten Mann zur Leitung der geplanten neuen Abteilung im Gestapa nennen könnte, empfahl man ihm dort auf Rat des Sohnes des Generals Remus von Woyrsch, Udo von Woyrsch Patschowsky. Was man jedoch nicht wusste war, dass Udo von Woyrsch ein Vertrauensmann Himmlers und Heydrichs war und er Patschowsky für den Posten des Leiters der Abwehrabteilung empfahl, da dieser ebenfalls ein Vertrauensmann der SS-Führer war.

Neben seiner Tätigkeit als Leiter der Hauptabteilung III/IV war Patschowsky im Frühjahr 1934 als Beauftragter von Heydrich und Himmler an der Intrige gegen den Rudolf Diels teil, die im April 1934 in Diels Sturz und der Ernennung Heydrichs zum neuen Leiter des Geheimen Staatspolizeiamtes gipfelte: Im Zuge des Machtkampfes um die Kontrolle der Geheimen Staatspolizei mit Himmler und Heydrich auf der einen und Hermann Göring und dem Gestapochef Diels auf der anderen Seite war Patschowsky und seinen von ihm aus Breslau mitgebrachten Mitarbeitern Ernst Damzog und Walter Kubitzky sowie den Berliner Vertretern von Heydrichs Sicherheitsdienst die Aufgabe zugefallen, als eingeschleuste Maulwürfe Diels Stellung als Leiter des Geheimen Staatspolizeiamtes systematisch zu untergraben und zu sabotieren, um ihn schließlich aus dem Amt zu befördern und so den Weg zur Übernahme des Amtes durch Himmler und Heydrich frei zu machen.

Von April bis Juni 1934 war Patschowsky im Auftrag Heydrichs an der Beschaffung und Fabrikation von "Belastungsmaterials" gegen die Führer der nationalsozialistischen Sturmabteilung (SA) beteiligt, die Hitler schließlich dazu bewog, die als Röhm-Putsch bekannt gewordene politische Säuberungswelle vom Frühsommer 1934 auszulösen, der zahlreiche SA-Führer und andere tatsächliche oder potentielle politische Konkurrenten oder sonstwie unliebsame Personen zum Opfer fielen. An den Tagen der Säuberungswelle selbst, vom 30. Juni bis 2. Juli 1934, soll Patschowsky federführend an der Organisation ihrer Durchführung beteiligt gewesen sein. Der angebliche frühere Gestapo-Beamte Hansjuergen Koehler erinnerte sich in seinem 1940 in England veröffentlichten Buch Inside the Gestapo an Patschowsky für diese Zeit:

„Ein hochgewachsener, steifer, aber nicht fetter Mann mit dickem schwarzen, in der Mitte gescheitelten, Haar. Er besitzt dunkle, durchdringende Augen, eine kratzende, unangenehme Stimme mit schlesischem Akzent und eine herrische Gebärde. Im Ganzen ein brutaler und egoistischer Mensch.“[6]

Nachdem Patschowsky noch am 17. Januar 1935 an einer gemeinsamen Konferenz mit Wilhelm Canaris, Rudolf Bamler, Heydrich, Werner Best und Heinz Jost teilgenommen hatte, in deren Verlauf die Arbeit der verschiedenen Geheimdienste im NS-Staat untereinander abgestimmt wurde, wurde er im Frühjahr 1935 auf Betreiben der Wehrmacht - die inzwischen von der Intrige vom Jahreswechsel 1933/1934 erfahren hatte - von seinem Posten als Leiter der Hauptabteilung III entfernt und durch Best ersetzt.[7]

Spätere Karriere im NS-Staat (1935 bis 1945)

Von 1935 bis 1937 oder 1938 amtierte Patschowsky als stellvertretender Polizeipräsidenten von Gleiwitz. Im Oktober 1937 legte er seinen bisherigen Familiennamen ab, der ihm nun im Sinne der nationalsozialistischen Rassenideologie zu polnisch klang, und nahm den Namen Günther Palten an.

Am 18. Juli 1938 wurde Palten zum Polizeipräsidenten des oberschlesischen Industriegebietes mit Dienstsitz in Gleiwitz ernannt. Dort war er an der massenweisen Aussiedlung und Abschiebung von Juden über die Reichsgrenze nach Polen beteiligt. Danach amtierte er von 1939 bis 1941 als Regierungspräsident in Bromberg und schließlich vom 23. September 1941 bis Mai 1945 als Nachfolger von Hans von Helms als Regierungspräsident von Oberdonau mit Dienstsit in Linz.[8] Einer Quelle zufolge wurde Palten zudem am 6. April 1940 zum stellvertretenden Regierungspräsidenten in Oppeln ernannt.[2] In seiner Funktion als Regierungspräsident nahm Patschowsky auch als Laienrichter an Kriegsgerichtsverfahren in seinem Zuständigkeitsbereich teil, wobei er auch an der Verhängung von Todesurteilen beteiligt war, so z.B. im Februar 1945 gegen acht Mitglieder eine Freistädter Widerstandsgruppe.[9] Kurz vor Kriegsende erreichte Palten mit der Beförderung zum SS-Brigadeführer am 21. Juni 1944 den Höhepunkt seiner SS-Karriere.

Kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges nahm Palten sich, in alliierte Kriegsgefangenschaft geraten, das Leben, wahrscheinlich, um der Auslieferung an die Polen zu entgehen.

Nachwirken

Rönn von Uexküll meinte noch 1976 in seiner Studie Unser Mann in der Berlin, Patschowsky wäre der Verfasser des 1945 unter dem Pseudonym „Heinrich Orb“ veröffentlichten Buches Nationalsozialismus. 13 Jahre Machtrausch gewesen, dem Erlebnisbericht eines angeblichen ehemaligen führenden SD-Mitarbeiters.[10] Nach den Feststellungen der neueren Forschung war der Verfasser dieses Buches jedoch ein anderer SD-Mitarbeiter namens Heinrich Pfeiffer, den Uexküll noch für ein weiteres Alias/Pseudonym Patschowskys gehalten hatte, von dem Mario Dederichs indessen zeigen konnte, das er eine separate zweite Person war.[11] Gegen eine Identität von Patschowsky mit Orb spricht zudem das von Kreuzer eruierte Todesjahr 1945[12]

Beförderungen

  • 15. August 1932: SS-Truppführer
  • 5. März 1933: SS-Untersturmführer
  • 9. November 1933: SS-Obersturmführer
  • 4. Juli 1934: SS-Hauptsturmführer
  • 20. Juni 1935: SS-Standartenführer
  • 9. November 1938: SS-Oberführer
  • 21. Juni 1944: SS-Brigadeführer

Schriften

  • Die Anerkennungsgebühr in der städtischen Selbstverwaltung, Breslau 1926. (Dissertation)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Geburtsdatum und Sterbejahr nach Bernd Kreuzer: Reichsgau Oberdonau, 2005, S. 309. Umstand der Namensänderung im Jahre 1937 ebendort und bestätigt bei Wolf Gruner: Deutsches Reich 1933-1937, 2008, S. 363.
  2. a b Bernd Kreuzer: Reichsgau Oberdonau. Aspekte, 2005, S. 309.
  3. Wolf Gruner: Deutsches Reich 1933-1937, 2008, S. 363.
  4. Shlomo Aronson: Reinhard Heydrich und die Frühgeschichte von Gestapo und SD, 1971, S. 157.
  5. Michael Wildt: Generation des unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes, 2002, S. 351.
  6. Koeheler: Inside the Gestapo, S. 36. Im Original lautet die Passage: „A tall stiff, but not fat, man with thick black hair, parted in the middle; he has dark and penetrating eyes, a little rasping unpleasant voice with a siliesain accent, and overbearing manner; a brutal and egotistic man.“
  7. Heinz Höhne: Der Orden unter dem Totenkopf. Die Geschichte der SS, 1967, S. 172.
  8. Wolf Gruner: Deutsches Reich 1933-1937, S. 363.
  9. Walter Schuster: Deutschnational, nationalsozialistisch, entnazifiziert, 1999.
  10. Rönn von Uexküll: Unser Mann in Berlin, 1976.
  11. Mario R. Dederichs: Heydrich. Das Gesicht des Bösen, 2005, S. 11. Dederich beruft sich dabei unter anderem auf den von ihm ausfindig gemachten Sohn Pfeifers, Hans Pfeifer.
  12. Bernd Kreuzer: Reichsgau Oberdonau, 2005, S. 309. Da das mehr als vierhundertseitige Buch von Orb bereits 1945, also im Todesjahr Patschowskys, erschien, hätte er in der kurzen Zeit bis zu seinem Ableben nur schwerlich die Zeit gehabt, dieses abzufassen.

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