- Friedmann-Gleichungen
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Die Friedmann-Gleichungen beschreiben theoretisch die Entwicklung des Universums. Konkreter machen sie je nach Energiegehalt des Universums Voraussagen über dessen Expansion oder Kontraktion. Man erhält die Gleichungen durch Anwendung des kosmologischen Prinzips („das Universum ist räumlich homogen und isotrop“) in der allgemeinen Relativitätstheorie.
Die Gleichungen lauten:
Hierbei bezeichnet ρ die totale Energiedichte (inklusive der kosmologischen Konstanten), p den Druck, a den Skalenfaktor, G die Gravitationskonstante, K einen Krümmungsparameter und H den Hubble-Skalar.
Inhaltsverzeichnis
Grundlegendes
Albert Einstein ging zunächst von einem statischen Universum aus, das sich weder ausdehnt noch zusammenzieht. Dazu musste er in seinen Gleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie eine entsprechende Konstante einführen, die er kosmologische Konstante (Λ) nannte.
Der russische Mathematiker und Physiker Alexander Friedmann verwarf diese Annahme eines statischen Universums und setzte die kosmologische Konstante gleich Null. Stattdessen stellte er mit den nach ihm benannten Friedmann-Gleichungen drei Modelle eines expandierenden Universums auf. Diese beeinflussten in der Folge erheblich die physikalischen Auffassungen und Modelle Einsteins.
Die Gleichungen sagen in Abhängigkeit von der totalen Energiedichte verschiedene Werte für die Krümmung der Raumzeit voraus (entsprechend den Werten -1, 0 oder 1 für K in obigen Gleichungen):
- 1. Modell: Die Energiedichte des Universums ist größer als die kritische Energiedichte (siehe unten). Dann ist die Krümmung der Raumzeit positiv (K = 1), das Universum „sphärisch“ (ein zweidimensionales Analogon wäre die Oberfläche einer Kugel). Ein solches sphärisches Universum ist übrigens auch geschlossen: Obwohl unbegrenzt wäre es nur endlich groß. Wer lange genug in eine Richtung läuft, kommt irgendwann zu seinem Ausgangspunkt zurück.
- 2. Modell: Die Energiedichte ist genau so groß wie die kritische Energiedichte. Die Raumzeit hat verschwindende Krümmung (K = 0), das Universum ist „flach“ (entspräche in zwei Dimensionen einer Ebene).
- 3. Modell: Die Energiedichte ist kleiner als der kritische Wert. Die Krümmung der Raumzeit ist negativ (K = − 1), das Universum „hyperbolisch“.
Je nach Zustandsgleichung der im Universum enthaltenen Materie ergeben sich auch drei verschiedene Möglichkeiten für die weitere Entwicklung des Universums:
- 1. Möglichkeit: Die Gravitation ist in der Lage, die Expansion soweit abzubremsen, dass sie zum Stillstand kommt und sich umkehrt. Das Universum zieht sich auf einen einzigen Punkt zusammen (Big Crunch). Über die weitere Entwicklung „nach“ diesem Ereignis kann nur spekuliert werden. Einige Szenarien sehen die Möglichkeit eines „pulsierenden“ Universums vor.
- 2. Möglichkeit: Die Gravitation verlangsamt die Expansion immer weiter, bringt sie jedoch nicht zum Stillstand.
- 3. Möglichkeit: Die Expansion beschleunigt sich und die gewöhnliche Materie im Universum wird immer weiter ausgedünnt.
Die verschiedenen Möglichkeiten für die Krümmung und das Expansionsverhalten des Universums sind zunächst unabhängig voneinander. Erst durch verschiedene einschränkende Annahmen über die vorkommenden Materieformen ergeben sich Abhängigkeiten.
Die Expansion des Universums wurde 1929 von Edwin Hubble durch astronomische Beobachtungen entdeckt. Diese Beobachtungen bestätigten damit Friedmanns Grundannahme eines expandierenden Universums.
Die Expansionsrate wird mit der Hubble-Konstante H0 angegeben. Aus H0 lässt sich das Alter des Universums bestimmen, wobei jedes der drei Modelle einen anderen Wert liefert.
Aus neuesten Messungen der Expansionsrate über die Hintergrundstrahlung des Weltalls ergibt sich derzeit (März 2004) folgendes Bild:
- Die Hubble-Konstante beträgt 71 km/(s * Megaparsec), wobei gilt: 1 Parsec = 3,26 Lichtjahre. Daraus ergibt sich ein Alter des Universums von 13,7 Milliarden Jahren.
- Das Universum ist im Rahmen der Messgenauigkeit flach.
- Die Expansion beschleunigt sich.
Die gesamte Energiedichte des Universums setzt sich nach neuesten Erkenntnissen zusammen aus:
- 73 % Vakuum-Energiedichte (Dunkle Energie)
- 23 % kalte dunkle Materie
- 4 % baryonische Materie, d. h die „normalen“ Elemente
- falls überhaupt, weniger als 1 % heiße dunkle Materie.
Herleitung der Friedmann-Gleichungen
Die Feldgleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie
Obwohl die Gravitation die schwächste der vier bekannten Wechselwirkungen ist, stellt sie auf größeren Maßstäben die dominierende Kraft im Universum dar und bestimmt dessen Entwicklung und Dynamik. Die gegenwärtig beste Beschreibung der Gravitation ist die allgemeine Relativitätstheorie (ART). Diese verknüpft die Verteilung und Dynamik der Materie mit der Geometrie der Raumzeit gemäß:
Hierin beschreibt der Einstein-Tensor G die Geometrie der Raumzeit, während der Energie-Impuls-Tensor T alle Materie- und Energiefelder umfasst. Der (0,2)-Tensor g heißt Einsteinmetrik und stellt die relativistische Verallgemeinerung des metrischen Tensors
- (ημν) = diag( − 1,1,1,1)
für die statische und flache Minkowski-Raumzeit auf gekrümmte Raumzeiten dar. Λ steht für die kosmologische Konstante. Letztere wird oft als Vakuumenergie interpretiert, welche dem virtuellen Teilchenzoo entspringt, ihre tatsächliche Natur ist allerdings weiterhin ungeklärt.
Exakte Lösungen für die Feldgleichungen wurden bisher nur für hochsymmetrische Materieverteilungen gefunden. Das Problem besteht darin, für eine Materie- und Energieverteilung T eine passende Metrik g zu finden, aus der sich der Einsteintensor G in komplexer Weise zusammensetzt.
Die Metrik kann über das sogenannte Linienelement dargestellt werden,
wobei eine Summation über identische, hoch- und tiefgestellte Indizes impliziert ist (Einsteinsche Summenkonvention).
Lösung der Feldgleichungen für ein symmetrisches Universum
Die Materieverteilung im Universum ist auf geringen Entfernungen sehr unregelmäßig, erscheint allerdings ab mehreren hundert Megaparsec zunehmend isotrop, das heißt in alle Richtungen gleich aussehend. Unter der Annahme, dass ein Beobachter im Universum in keiner Weise privilegiert ist (kopernikanisches Prinzip), leitet sich daraus unmittelbar ab, dass das Universum von jedem Standpunkt aus isotrop und homogen aussieht. Dies ist auch als Kosmologisches Prinzip bekannt.
Howard Percy Robertson (1935) und Arthur Geoffrey Walker (1936) fanden unabhängig voneinander eine Lösung für die Feldgleichungen für den Fall eines solchen idealisierten Kosmos mit konstanter Krümmung. Das Linienelement dieser Metrik, welches bereits 1922 von Friedmann benutzt wurde, lautet
Hierbei stellt w die „mitbewegte“ Radialkoordinate dar, t die Eigenzeit eines „mitbewegten Beobachters“, a(t) den Expansionsfaktor des Universums, und θ und ϕ kennzeichnen die beiden Winkelkoordinaten, analog zu einem sphärischen Koordinatensystem. Ein mitbewegter Beobachter folgt der Expansion des Universums, seine mitbewegte Radialkoordinate behält hierbei ihren numerischen Wert.
Die Funktion fK(w) unterscheidet zwischen dreidimensionalen raumartigen Hyperflächen konstanter Zeit t mit positiver, verschwindender, oder negativer Krümmung K. Unter einer solchen Hyperfläche versteht man alle Ereignisse, die zur gleichen kosmologischen Zeit stattfinden. Zum Beispiel formen unsere Milchstraße und alle anderen Galaxien heute eine raumartige Hyperfläche. Nur sehen wir diese Galaxien aufgrund der Lichtlaufzeit nicht in diesem heutigen Zustand, sondern in einem individuellen und bereits vergangenen Zustand. Die raumartige Hyperfläche, welche sie aufspannen, ist daher keiner Beobachtung zugänglich.
fK(w) ist gegeben durch
Durch Umskalieren der Radialkoordinate w und Neudefinition des Skalenfaktors a lässt sich der Krümmungsparameter K auf einen der Werte -1, 0 oder 1 festlegen. Mit der Robertson-Walker-Metrik können aus den einsteinschen Feldgleichungen die Friedmann-Gleichungen abgeleitet werden. Details dazu finden sich unter anderem in Gravitation (Misner, Thorne und Wheeler, 1973).
Die Friedmann-Gleichungen
Aus der Forderung nach Isotropie der Materieverteilung des Universums folgt, dass der räumliche Anteil des Energie-Impuls-Tensors ein Vielfaches des Einheitstensors sein muss:
ρ = ρ(t) und p = p(t) stehen dabei für die homogene Dichte und den Druck. Beide Funktionen hängen nur von dem zeitartigen Parameter t ab.
Setzt man diesen Energie-Impuls-Tensor und die Robertson-Walker-Metrik in die Feldgleichungen ein, so erhält man die beiden Friedmann-Gleichungen
Leitet man die erste Gleichung nach der Zeit ab und setzt sie in die zweite ein, so ergibt sich die Energieerhaltung in der Form
Die erste Friedmann-Gleichung genügt daher, um zusammen mit dem Energieerhaltungssatz die globale Entwicklung des Universums zu beschreiben.
Die Gleichungen am Anfang des Artikels ergeben sich, indem man die kosmologische Konstante durch die Energiedichte und den Druck ausdrückt.
Spezielle Lösungen der Gleichungen
Wir haben nun zwei Gleichungen für die drei Unbekannten a,ρ und p. Um eine eindeutige Lösung zu erhalten, ist daher eine weitere Gleichung, die Zustandsgleichung der Materie, nötig. Gewöhnliche (baryonische) Materie, Strahlung und die Kosmologische Konstante bilden die Hauptquellen der Gravitation auf der rechten Seite der Feldgleichungen der ART. Die Materie kann hierbei als druckloser „Staub“ angesehen werden, d. h. die Teilchen bewegen sich kollisionsfrei mit nicht-relativistischen Geschwindigkeiten. Für die drei unbekannten Funktionen gelten damit die folgenden drei Zustandsgleichungen:
- .
Aus der Energieerhaltung ergibt sich daraus der Zusammenhang zwischen Dichte ρ und Skalenfaktor a
Als Anfangswert für die erste Friedmann-Gleichung (auch als Friedmann-Lemaître-Gleichung bekannt, benannt zusätzlich nach Georges Lemaître, der sie unabhängig von Friedmann 1927 ebenfalls entdeckte) wird a(t0) = a0 verwendet, wobei t0 die kosmologische Zeit im Jetzt darstellt. Mit den Konstanten
welche die Materiedichte und Vakuumenergiedichte parametrisieren, können die Friedmann-Lemaître-Gleichung kann auch als
geschrieben werden. Die Hubble-Funktion wird dabei, wie oben, gemäß
definiert. Diese beschreibt die Expansionsrate des Universums, mit H0 = H(t0) zum heutigen Zeitpunkt. Die Strahlungsdichte wurde vernachlässigt, da sie mit a − 4 abfällt und daher gegenüber der Materiedichte rasch unbedeutend wird.
Löst man die Friedmann-Lemaître-Gleichung für den speziellen Zeitpunkt t = t0 sieht man, dass die Konstanten nicht unabhängig sind, sondern dass gilt
Setzt man dies in die Friedmann-Lemaître-Gleichung ein, erhält man die bekannteste Darstellung:
Für ein flaches Universum (1 − Ω0 − ΩΛ = 0) wie unseres, kann man eine explizite Lösung dieser Gleichung für den Skalenfaktor angeben. Mit dem Verfahren der Variablentrennung lässt sich die Differentialgleichung in ein Integral verwandeln. t(a) berechnet sich damit zu
Dieser Ausdruck lässt sich invertieren. Wählt man t0 so, dass a(0) = 0 und das Universum somit einen kompakten Anfang besitzt, und benutzt man Ω0 = 1 − ΩΛ, so erhält man
Dieser Ausdruck beschreibt das Expansionsverhalten für ein flaches Universum mit kosmologischer Konstante. Peacock (2001) und Carroll (1992) haben einen identischen Ausdruck in anderer analytischer Form hergeleitet. Die über die Sonde WMAP gemessenen Schwankungen in der Hintergrundstrahlung erlauben Rückschlüsse auf die Geometrie unseres Universums. Demnach ist dieses flach, mit einem Materiedichteparameter Ω0 = 0,27, einem Vakuumdichteparameter ΩΛ = 0,73 und einer Hubblekonstante von H0 = 72km/s/Mpc.
Kosmologische Rotverschiebung und Entfernungsmaße
In dynamischen und gekrümmten Raumzeiten gibt es, im Gegensatz zu euklidischen Räumen, kein eindeutiges Entfernungsmaß mehr. Es existieren verschiedene, gleichberechtigte Entfernungsdefinitionen, basierend auf dem Linienelement eines Photons und mit der kosmologischen Rotverschiebung als gemeinsamen Nenner.
Siehe auch
Weblinks
Literatur
- Torsten Fließbach: Allgemeine Relativitätstheorie. 4. Auflage, Elsevier – Spektrum Akademischer Verlag, 2003, ISBN 3-8274-1356-7.
- Caroll, S. M., Press, W. H., Turner, E. L. 1992, Ann. Rev. Astr. Astrophys., 30, 499
- Friedmann, A. 1922, Zeitschrift für Physik, 10, 377
- Misner, C., Thorne, K. S., Wheeler, J. A.: Gravitation, W. H. Freeman, San Francisco, 1973. ISBN 0-7167-0344-0.
- Peacock, J. A. 2001, Cosmological Physics, Cambridge University Press, ISBN 0-521-42270-1.
- Robertson, H. P. 1935, Astrophysical Journal, 82, 284
- Walker, A. G. 1936, Proc. Lond. Math. Soc. (2), 42, 90
Kategorie:- Kosmologie (Physik)
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